Mit Blindenhund unterwegs: "Der Hund muss draußen bleiben!"
Für Menschen mit Sehbehinderung sind Blindenführhunde kein Haustier, sondern Notwendigkeit, um den Alltag zu bewältigen. An vielen Orten stoßen Blinde mit ihren Hunden trotzdem auf Unverständnis ihrer Mitmenschen.
Thomas Laumann ist seit acht Jahren blind. Mithilfe seines Blindenführhundes Emil kann der 56-Jährige seinen Alltag gut meistern. Aber in vielen Geschäften und Restaurants hat Emil, wie alle anderen Hunde auch, keinen Zutritt. Dabei ist die Sonderregelung für Blinden- und Assistenzhunde sogar im Gesetz verankert.
"Keine Hunde, so ist die Regel"
Laumann und seine Lebensgefährtin Sabine Meulendyck können ihren Frust kaum noch verbergen. In einer Osnabrücker Bäckerei wollten sie ein paar Brötchen kaufen und haben mit Blindenführhund Emil den Laden betreten. Hunde seien nicht erlaubt, hat die Verkäuferin gesagt. Laumann hat Emil als seinen Blindenführhund vorgestellt, aber die junge Verkäuferin bleibt dabei: Keine Hunde, so sei die Regel.
Ohne Assistenzhund können Blinde nicht einkaufen
Das erlebt der 56-Jährige immer wieder. "Am Anfang habe ich immer noch diskutiert, aber je häufiger man sowas erlebt, desto weniger möchte man sich noch rechtfertigen", sagt er und geht mit Emil direkt wieder nach draußen. Denn ohne seinen Blindenführhund kann er nicht einkaufen. Seit sich an beiden Augen die Netzhaut abgelöst hat, sieht er seine Umgebung nur noch schemenhaft.
Für Blindenführhunde und Assistenzhunde gelten Ausnahmen
Dass Hunde in der Regel vor allem in Lebensmittelläden nicht erlaubt sind, hat einen Grund. Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft müssen Unternehmer vermeiden, dass Haustiere in die Räume kommen, wo Lebensmittel zubereitet, behandelt oder gelagert werden. So weit - so verständlich. Aber Menschen mit Behinderung genießen besondere Rechte. Und für Blindenführhunde und Assistenzhunde gilt ein anderes Gesetz. Paragraf 12e Absatz 1 im Behindertengleichstellungsgesetz besagt, dass Menschen mit Behinderungen der Zutritt mit Assistenzhund nicht verweigert werden darf. Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erklärt: Für Blindenführhunde und Assistenzhunde gelten Ausnahmen. Sie dürfen lediglich nicht mit Lebensmitteln in Berührung kommen.
Emil ist kein Haustier, er ist ein Hilfsmittel
Das würde Emil aber sowieso nicht. "Sobald er sein Geschirr trägt, ist er im Arbeitsmodus", erklärt Laumann. Dann weiche der Hund nicht von seiner Seite und lässt sich von nichts ablenken, auch nicht vom Essen. Emil erkennt Kanten, führt sein Herrchen um Hindernisse herum, er sucht auf Kommando Ampeln und Zebrastreifen. Er ist kein Haustier, er ist ein Hilfsmittel. "Das ist so, als würde man einem Menschen im Rollstuhl sagen, er solle bitte seinen Rollstuhl vor der Tür lassen", sagt Laumann. Doch genau das verstehen viele Menschen nicht - und die meisten kennen die gesetzliche Regelung für Blindenführhunde nicht.
Betroffene sollten sich wehren - auch juristisch
Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) kennt das Problem. "Das ist bei uns ein Dauerbrenner. Ich bekomme sehr oft Anfragen von blinden Menschen, die erklären, dass sie mit ihrem Blindenhund beispielsweise einen Supermarkt nicht betreten durften.", sagt Justiziarin Christiane Möller. Der Verband versucht mit Kampagnen die Gesellschaft über die Regeln für Blindenführhunde aufzuklären. Aber auch die Betroffenen können etwas tun. "Es wäre wichtig, dass sie sich juristisch zur Wehr setzen. Sie können sich zum Beispiel an die Schlichtungsstelle des Bundesbehindertenbeauftragten wenden und gegen das jeweilige Geschäft ein Schlichtungsverfahren durchführen."
"Man fühlt sich zum Teil als Mensch zweiter Klasse"
Laumann hat mit Emil schon einiges erlebt. "In einem Möbelhaus hat man uns gesagt, Emil dürfe nicht auf seinen eigenen vier Pfoten durch den Laden laufen. Ich sollte ihn in einen Wagen setzen", sagt Laumann. "Wie soll er mich dann führen?" In Hotels darf Emil nicht mit in den Frühstücksraum, Taxen wollen ihn nicht mitnehmen, im Urlaub darf er nur an den Hundestrand. "Das ist kein gutes Gefühl", sagt Laumann. "Man fühlt sich zum Teil als Mensch zweiter Klasse. Das tut schon weh." "Mich macht so etwas immer wütend", sagt seine Lebensgefährtin Meulendyck. "Das ist wirklich kein gutes Gefühl. Er braucht doch den Hund."
Wenige entscheiden mit "gesundem Menschenverstand"
Als Laumann mit Emil eine Metzgerei betritt, möchte eine Verkäuferin den Hund auch erst rausschicken, entscheidet sich dann aber anders. "Ich habe dann das Geschirr und das Blindenabzeichen gesehen", erklärt sie. "Natürlich dürfen Blindenführhunde hier rein, wie sollen ihre Besitzer sonst einkaufen?" Sie habe nach gesundem Menschenverstand entschieden, das Gesetz für Blindenführhunde kennt sie aber auch nicht. Für Laumann ist so eine Reaktion die Ausnahme. Er hofft, dass die Gesellschaft mehr und mehr für das Thema sensibilisiert wird und er irgendwann ohne Rechtfertigungen und Erklärungen einkaufen gehen kann.