Wie Blinde durch Technik "sehen" können
Einkaufen ist für sehbehinderte Menschen nicht barrierefrei. Viele Blinde bestellen sich ihre Einkäufe nach Hause oder erledigen sie mit einer Begleitperson. Schlaue Köpfe aus Niedersachsen wollen das ändern.
Esma Sakalli und Katharina Trant studieren Cognitive Science an der Universität Osnabrück und entwickeln zurzeit ein Armband, das sehbehinderte und blinde Menschen unterstützen soll. Ziel ist, dass sie in ihrem Alltag Dinge gezielt greifen können, obwohl sie sie ja nicht sehen. "Das Armband ist im Moment noch ein Prototyp. Unsere große Vision ist es aber, dass es zusammen mit einer von künstlicher Intelligenz unterstützten Kamera sowie einer App alltagstauglich wird", sagt Sakalli. Das Armband ist ein tragbares Hilfsmittel, das aus vier Vibrationsmotoren besteht und am Unterarm der dominanten Hand getragen wird. Jeder Motor übermittelt eine spezifische Anweisung: Wenn der obere Motor vibriert, signalisiert dies eine Bewegung nach oben. Bei Vibration des unteren Handgelenkmotors soll die Hand nach unten bewegt werden. Ebenso funktionieren die Motoren auf der linken und rechten Seite des Handgelenks.
Entwicklungen aus Osnabrück sind marktreif
Die beiden Studierenden fangen nicht bei null an, denn die Forschungsgruppe arbeitet mit "feelSpace" zusammen. Die Firma aus Osnabrück hatte bereits vor einigen Jahren den "naviGürtel" entwickelt hat, der es blinden und sehbehinderten Menschen ermöglicht, sich sicherer im Straßenverkehr zu bewegen. "Dieser Gürtel arbeitet auch mit Vibrationsmodulen und hat gezeigt, dass der Mensch in der Lage ist, das Vibrieren als eine Art zusätzlichen Sinn zu nutzen. Dies wollen wir auch für das Armband nutzen", so die beiden Studierenden. Der naviGürtel begann ebenso wie die Idee der beiden Studentinnen als ein Studienprojekt an ihrer Universität in Osnabrück und wird nun deutschlandweit vermarktet.
Hilfsmittel für Blinde: App oder Lupe?
Bis ein Prototyp allerdings marktreif ist, muss er sich in der Praxis bewähren. Das testen die beiden Studentinnen derzeit mit Freiwilligen im Rahmen der Hilfsmittelausstellung des Landesbildungszentrum für Blinde (LBZB) in Hannover. Einmal im Jahr findet im LBZB eine Messe statt: Was gibt es Neues auf dem Markt? Welche Neuerung passt zu mir? Denn darum geht es: Sehbehinderte oder blinde Menschen aus Niedersachsen sollen regelmäßig die Möglichkeit bekommen, neue Technologien kennenzulernen, vor allem aber sie auszuprobieren. Organisator Claas Proske weiß, wie wichtig die Erprobung eines neuen Hilfsmittels ist: "Das eine ist, Kenntnis darüber zu haben, welche unterstützenden Möglichkeiten es überhaupt gibt. Das andere ist es, es selbst anzuwenden: Hilft mir das wirklich weiter? Das ist das Entscheidende für den Alltag: Wie kann ich profitieren, um besser teilhaben zu können?" Manche Sehbehinderte kommen mit einer neuen Texterkennungs-App gut zurecht, andere setzen dagegen lieber auf konventionelle Lupen zur Vergrößerung.
Fakt ist: Mit verbesserten Technologien, die sehbehinderte und blinde Menschen einsetzen können, steigt auch der Grad selbständiger Teilhabe. Auch die beiden Osnabrücker Studentinnen Esma Sakalli und Katharina Trant sind optimistisch, dass ihr Prototyp des Vibrationsarmbandes in der Praxis ein Erfolg sein kann.