Meyer Werft: Was der Schiffbau-Riese für die Region bedeutet
18.000 Arbeitsplätze hängen an der Meyer Werft. 10.000 davon allein in den Landkreisen Emsland und Leer. Wenn die Werft dicht machen würde, träfe das auch viele andere Unternehmen in der Region.
Frank und Ralf Janssen begutachten den braunmelierten Lederbezug einer Sitzgruppe. Dutzende der runden Sitzmöbel stapeln sich in ihrer großzügig geschnittenen Werkstatt. Alle sollen später im neuesten Disney-Kreuzfahrtschiff der Meyer Werft stehen. Gleich sechs Mitarbeiter schneiden hier Leder zu, tackern, nähen. Und sie alle treibt eine Sorge um: wie es weitergeht, wenn der Schiffbauer wirklich pleitegeht. Das würde auch für die beiden Raumausstatter Einbußen bedeuten.
Andere Firmen hängen an Meyer Werft
Das Brüderpaar leitet die etwa drei Kilometer von der Werft entfernte Firma in vierter Generation. Knapp die Hälfte ihres Umsatzes hängt an Meyer. "Seit 1892! Da steckt schon Herz mit drin, dass wir diese Firma auch in Zukunft noch weiterbetreiben können und werden. Und wir haben uns hier was aufgebaut, was wir auch so schnell nicht beenden wollen", sagt Frank Janssen.
Viele kleine Firmen der Region arbeiten für Meyer
Etwas weniger hart würde es Fabian Mattes treffen. Seine Autolackiererei mit 20 Beschäftigten arbeitet zu etwa 20 Prozent für Meyer. Sie lackieren Hunderte Lüftungsdeckel in petrolgrün. Oder sprühen Stahlsäulen mit Goldlack an. Vier seiner Vollzeitkräfte sind rechnerisch von der Werft abhängig. Zwar werden bei ihm die Lichter nicht ausgehen. Aber ob alle Mitarbeiter bleiben, das ist fraglich. "Das wäre natürlich eine Katastrophe für die ganze Region. Die Meyer Werft ist faktisch der größte Wirtschaftsfaktor hier, für die Angestellten und die Zulieferer", so Mattes.
Corona brachte das Schiff ins Wanken
Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie haben die Werft in die Miesen getrieben. Es fehlen bis zu 2,7 Milliarden Euro, um den Betrieb zu sichern. Die 3.300 Mitarbeiter, die direkt im Schiffsbau beschäftigt sind, bilden nur die Spitze des Eisbergs. Es geht um rund 10.000 Arbeitsplätze allein in der Region. Entsprechend betrübt guckt Dirk Lüerßen, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands Ems-Achse. Für ihn steht fest, dass Niedersachsen die Werft unterstützen muss. Diskutiert wird, ob das Land mit 400 Millionen Euro als Gesellschafter einsteigt. Und auch vom Bund erwartet er Hilfe in Form von Bürgschaften. Erste Signale dazu kommen bereits aus Berlin: Der Bund hat bestätigt, finanzielle Hilfen für die Meyer Werft prüfen zu wollen.
Die Meyer Werft: Ein Fass ohne Boden?
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Land und Bund schon erhebliche Steuermittel in die Werft gesteckt haben. Seit 2005 gut 120 Millionen Euro aus Förderprogrammen. Knapp 400 Millionen fürs Ausbaggern der Ems. Dazu kommen Baukosten für Brücken und das Emssperrwerk. Wenn man das alles zusammenzählt, kommen über eine Milliarde Euro zusammen. Die Kosten für ausgleichenden Naturschutz im Rahmen des Ems-Masterplans sind da noch gar nicht mitgerechnet. Klar, dass die Politik nicht sehen möchte, wie die Werft zum Milliardengrab wird. Aber es ist auch nicht sicher, dass der Konzern mit den Hilfen dauerhaft überlebt. Wer die Menschen in der Region fragt, bekommt aber immer nur eine Antwort: "Der Staat muss unbedingt helfen."
Zu groß zum Scheitern
Die Landesregierung sucht zusammen mit der Opposition nach einer Lösung. Schon jetzt wird daran gearbeitet, den Firmensitz aus Luxemburg an die Ems zurückzuholen. Und es zeichnet sich ab, dass die Familie Meyer das Ruder zukünftig nicht mehr in der Hand hat. Die Werft wäre dann kein Familienunternehmen mehr. Der Laden ist einfach zu groß zum Scheitern, zu viel öffentliche Gelder sind bereits geflossen.
An der Werft hängt die persönliche Zukunft
Roland Weiß, Polsterer im Familienunternehmen Janssen, blickt trotz der Unsicherheiten verhalten zuversichtlich in die Zukunft. Er rechnet mit Unterstützung aus der Politik. Und wenn das nicht klappt? Als Facharbeiter findet er sicher wieder einen Job. Er ist vor vielen Jahren mit seiner Familie aus Franken an die Nordsee gezogen. Weg will er hier nicht. Wiebke Hoek, Auszubildende in der eingangs erwähnten Autolackiererei, guckt da skeptischer: "Ob das dann weiter mit der Arbeit klappt, das ist die Frage. Ob ich dann übernommen werde - das ist halt auch so 'ne Sache."