Energy Sharing: In Deutschland verboten - in Bakum erlaubt
Eine Solaranlage auf dem Dach, aber das E-Auto ist schon geladen, das Geschirr gespült. Warum nicht einfach den überschüssigen Strom mit den Nachbarn teilen? Das ist die Idee eines Pilotprojekts in Bakum.

Etwa zwei Maschinen Wäsche laufen bei Familie Tebbe pro Tag. Dazu der Herd, die Spülmaschine, der Mixer. Der Energieverbrauch der sechsköpfigen Familie aus Bakum im Landkreis Vechta liegt etwa bei 5.000 Kilowattstunden pro Jahr. Eine Solaranlage hat die Familie nicht, weil zum Beispiel ihre Dachausrichtung nicht optimal ist. Bei dem Energy Sharing-Projekt macht die Familie als einer von 40 Haushalten mit. Da sie keinen eigenen Strom erzeugt, ist die Familie bei dem Projekt ein Empfänger. Ingrid Tebbe gefällt vor allem der Gemeinschaftsgedanke. "Hier vor Ort wird Strom erzeugt und wir verbrauchen ihn direkt wieder in der Gemeinschaft", sagt sie. "Es ist ein Geben und Nehmen."
Technische Infrastruktur aus Österreich
Das ist auch der Grundgedanke des österreichischen Unternehmens Neoom, das die technische Infrastruktur wie zum Beispiel eine App für die Teilnehmer zur Verfügung stellt. Darin kann jeder die Energiedaten des eigenen Haushalts und der Gemeinschaft genau nachvollziehen. Ein intelligentes Messsystem berechnet sie. "In der Vergangenheit war Strom abstrakt, er kam aus der Steckdose und war mir relativ egal. Und beim Energy Sharing gibt man den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, selbst Energie zu handeln", sagt Thomas Nenning von Neoom. Damit sei man zudem unabhängig von Märkten, die von internationalen Ereignissen und Krisen beeinflusst werden. Energy Sharing könnte durch die Identifizierung mit der Gemeinschaft und dem selbst erzeugten Strom auch zur Akzeptanz von regenerativen Energien beitragen, hofft Bakums Bürgermeister Tobias Averbeck.
Energy Sharing ist bisher in Deutschland verboten
Da ein solches Teilen von Energie in Deutschland bisher nicht erlaubt ist, wird der Strom bei dem Bakumer Projekt nicht real verteilt, es gibt fiktive Abrechnungen und ein bisschen echtes Geld als Bonus. Für das Projekt haben sich die Gemeinde Bakum, die örtliche Energiegenossenschaft, der Versorger EWE und das österreichische Unternehmen zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Gemeinsam schauen, was möglich ist und dann die Politik motivieren, Energy Sharing zu erlauben. "Das ist eigentlich der größte Anreiz, dann zu sagen, wir haben an der großen Geschichte mitgeschrieben", sagt Bürgermeister Averbeck.
In Bakum sieht man viele Vorteile
Wenn der Strom vor Ort genutzt würde, müsse er auch nicht in andere Teile des Landes oder ins Ausland geschickt werden, sagt Jan Hoyer, Vorstandsvorsitzender der Energiegenossenschaft Bakum. Das Thema des Transports von Windenergie aus dem Norden in den Süden könnte entschärft werden. Vielleicht müssten sogar weniger Trassen gebaut werden. Außerdem könnten die Verbraucher finanziell profitieren. Die, die Strom abgeben, bekommen mehr Geld dafür als aktuell, wenn sie ihn ins Netz einspeisen und die Haushalte, die etwas brauchen, zahlen weniger und sparen Netzentgelte. Den Preis kann die Gemeinschaft selbst festlegen. Kommt es zu Engpässen springt ein Stromversorger ein.
In Österreich gibt es Energy Sharing bereits
In Österreich sind Energiegemeinschaften seit rund vier Jahren möglich. 100 bis 200 Euro spart jeder Haushalt davon pro Jahr. Nach einem schleppenden Start habe sich die Zahl der Teilnehmer im vergangenen Jahr verfünffacht, sagt Thomas Nenning von Neoom. In Deutschland gibt es außer in Bakum nur eine weitere Kommune in Bayern, die Energy Sharing testet - allerdings in einem kleineren Rahmen als in Niedersachsen.
Klimakommune Bakum
Erneuerbare Energien sind in der 6.000-Einwohner-Gemeinde Bakum seit Jahren ein Thema. 2012 ist sie unter anderem mit dem niedersächsischen Klimapreis ausgezeichnet worden. Fast alle kommunalen Gebäude werden über Biogas beheizt, darunter zum Beispiel das Schwimmbad. Auch Solaranlagen gibt es mehrere. Die Bakumer Energiegenossenschaft betreibt außerdem anteilig drei Windräder. Das Energy Sharing wäre der nächste Schritt, um autark zu werden, sich gemeinschaftlich selbst zu versorgen. Und damit einen Teil zur Energiewende beizutragen. Doch damit es dazu kommt, ist erst einmal die Politik gefragt. Denn sie muss dafür die gesetzlichen Grundlagen schaffen.
