Kokain am Strand: Wie Drogenschmuggler deutsche Häfen nutzen
Es ist nicht "nur" eine Taucherausrüstung, die 2023 im Braker Hafen gefunden wird. Es ist vielmehr ein Hinweis, dass auch kleinere Häfen von Drogenschmugglern als geeigneter Umschlagsort genutzt werden.
Hamburg, Rotterdam, Antwerpen - die drei größten Häfen Europas. Entsprechend viele Drogenfunde haben Zoll und Polizei in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu vermelden. Doch darauf haben sich allem Anschein nach auch Drogenkartelle eingestellt - und nutzen immer wieder auch kleinere Häfen wie Brake oder Wilhelmshaven für ihre illegalen Geschäfte. Denn es müssen nicht immer die großen Containerschiffe sein, auf denen geschmuggelt wird. Zuletzt fanden Ermittelnde des Zolls 153 Kilo Kokain auf einem Schüttgutfrachter in Wilhelmshaven - das Schiff kam aus Kolumbien.
Insider spricht mit NDR: Kleinere Häfen zum Schmuggel genutzt
Schütt- und Stückgutfrachter, beladen beispielsweise mit Sojaschrot, werden heute ebenso zum Drogenschmuggel genutzt wie große Containerschiffe - das bestätigt ein Insider dem NDR. Der Kokainfund in Wilhelmshaven und die in Brake aufgefundene Tauchausrüstung unterstützen die These der Kontaktperson. BKA-Beamte berichten vom Fund der Ausrüstung im Rahmen eines Gerichtsprozesses in Oldenburg - angeklagt waren im November vergangenen Jahres drei Männer. Sie sollen mit einem Fischkutter versucht haben, Kokain aus der Nordsee zu bergen.
Letzter Halt: Brake
Ein weiteres Indiz: In Italien konnten Ermittelnde 150 Kilogramm Kokain an Bord eines Sojafrachters sicherstellen - letzter vorangegangener Halt: Brake. Dazu passt die Taucherausrüstung im Hafen, die vom Bundeskriminalamt gefunden wurde, denn die Drogen wurden im Seekasten des Schiffes entdeckt. Der befindet sich ganz unten am Schiff, ist von außen durch ein Gitter geschützt und dafür gedacht, Kühlwasser ins Schiff zu bekommen. Offenbar auch ein beliebtes Versteck für Drogen. Das Problem: Die Seekästen liegen unter Wasser - wer hier schmuggeln will, muss tauchen können. Die Tauchausrüstung in Brake wurde von der Polizei sichergestellt.
Kokain an Bord: Seeleute unschuldig in Gefangenschaft
Für Schiffsbesatzungen sind Drogenfunde auf dem eigenen Schiff der schlimmstmögliche Fall. Denn: Ob beteiligt oder nicht - der Ruf ist oftmals ruiniert, weiß Marc Schippers von der deutschen Seemannsmission in Antwerpen. Der Seemannspastor ist Vertrauensperson für viele Seefahrer, hat 2023 einen philippinischen Seemann im Gefängnis betreut. Ein Besatzungsmitglied will seinen Kollegen als Beteiligten im Drogenschmuggel erkannt haben. Vier Monate war er deshalb im Gefängnis - dann stellte sich heraus: Er wurde verwechselt. Obwohl Schippers bei den Seeleuten Vertrauen genießt und in seinen 22 Jahren schon so einiges erlebt hat: Über das Thema Drogen wird auch mit ihm selten gesprochen.
Der Duft des Geldes: Mitarbeiter am Hafen werden bestochen
Denn eins ist klar: Wer einmal mit den Kartellen zusammenarbeitet, der kommt aus dem Geschäft nicht mehr raus. 60.000 bis 100.000 Euro sollen einzelnen Hafenangestellten in Antwerpen fürs nicht ganz genau Hingucken geboten worden sein. Der Verband Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere (kurz VDKS) stellt deutschen Seeleuten, die in Konflikt mit Behörden geraten, Anwälte zur Seite. Sebastian Dießner ist Präsident des VDKS und selber lange zur See gefahren. Ihm ist besonders wichtig, dass Seeleute nicht unter Generalverdacht gestellt werden - die ohnehin bestehende Kriminalisierung mache den Besatzungen bereits genug Ärger.
Hunderte Tonnen Kokain jährlich sichergestellt
Das soll aber nicht heißen, dass der Schmuggel nicht stattfinden würde. In Deutschland wurden 2023 über 40 Tonnen Kokain sichergestellt, der Großteil davon in Hamburg. Allein in Antwerpen waren es im selben Jahr mehr als 160 Tonnen. Straßenverkaufswert: jeweils mehr als eine Milliarde Euro.
Die neuerlichen Anspülungen von mehreren Kilo Kokain auf Juist und Borkum klingen da vergleichsweise irrelevant, zeigen aber: Die Routen führen immer noch und weiterhin an Deutschland vorbei. Und: Handelt es sich wirklich, wie vom Zoll angenommen, um einen missglückten Drop-Off-Handel, dann sitzen die Komplizen vermutlich an der deutschen Küste.