AKW Emsland ist abgeschaltet - Umweltminister "erleichtert"
Mit dem AKW Emsland in Lingen wurde am Samstag das letzte verbliebene Atomkraftwerk in Niedersachsen abgeschaltet. Damit geht eine Ära zu Ende. Die Reaktionen fallen gemischt aus.
Die diensthabende Schichtmannschaft habe den Generator am Samstagabend vom Stromnetz getrennt und um 22.37 Uhr das AKW Emsland heruntergefahren, teilte der Kraftwerksbetreiber RWE mit. Auch die weiteren zwei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland wurden am Abend abgeschaltet. Beim bayrischen Isar 2 wurde um 23.52 Uhr, beim baden-württembergische Neckarwestheim 2 um 23.59 Uhr die Verbindung zum Netz getrennt. Damit ist der bundesweite Atomausstieg nach mehr als 60 Jahren Atomenergie in Deutschland vollzogen worden. Vor dem AKW Emsland hatten am Abend rund zwei Dutzend Atomkraftgegner auf die Abschaltung gewartet und - als es so weit war - einige Wunderkerzen entzündet.
Meyer: "Ein Ende der Angst"
Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Christian Meyer (Grüne) sprach von einer "großen Erleichterung". Die lange gesellschaftliche Diskussion um die Atomkraft sei endlich beendet, sagte er in der Nacht zu Sonntag. Der Atomausstieg sei auch "ein Ende der Angst vor einem Reaktorunfall wie in Tschernobyl oder Fukushima". Nun werde man sich auf den vollständigen Ausbau der erneuerbaren Energien konzentrieren. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bezeichnete den Tag der Abschaltung als historisch. "Damit ziehen wir einen Schlussstrich unter den über Jahrzehnte währenden Konflikt um die Nutzung der Kernenergie." Die Niedersachsen seien sich der Risiken und Gefahren der Atomenergie-Nutzung besonders bewusst - gerade auch vor dem Hintergrund der Atommüll-Transporte in das Zwischenlager Gorleben und der radioaktiven Abfälle im maroden Asse-Bergwerk.
Lingen will an Energiewende mitarbeiten
"Der 15. April ist schon ein Tag mit Wehmut, mit gemischten Gefühlen", sagte dagegen Lingens Oberbürgermeister Dieter Krone (parteilos). Das Atomkraftwerk Emsland war 35 Jahre in Betrieb. Es habe verlässlich Energie produziert - über viele, viele Jahre. Nun gehe eine Ära zu Ende, sagte Krone. Gleichzeitig sei es aber auch eine Zeit des Aufbruchs. Die Stadt will an der Energiewende mitarbeiten. In Lingen entsteht ein Technologiepark zurProduktion von grünem Wasserstoff. Nun wurde aber erst einmal das Atomkraftwerk heruntergefahren. Der Rückbau wird viele Jahre dauern.
AKW im Emsland war länger am Netz als geplant
Im AKW Emsland war der Tag danach "ein ganz normaler Tag nach einer Abschaltung" sagte ein RWE-Sprecher am Sonntag. Es sei das gleiche Vorgehen wie sonst bei der jährlichen Revision. Lingen gehörte zu den letzten drei verbliebenen Kraftwerkstandorten, die wegen der Energiekrise - ausgelöst durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine - länger am Netz geblieben sind. Ursprünglich sollte Ende 2022 Schluss sein. Nun wurde in Deutschland somit auch der lang geplante Atomausstieg vollzogen.
Wirtschaft würde AKW im Emsland weiter nutzen
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Osnabrück-Emsland-Grafschaft-Bentheim sieht im Atomausstieg zum jetzigen Zeitpunkt verschenktes Potenzial, angesichts der hohen Energiepreise. Atomkraft könne helfen, den Strompreis für die Wirtschaft zu senken. Unverständnis herrschte auch beim CDU-Landtagsabgeordneten Christian Fühner aus Lingen. Die Bundesregierung setze auf Kohlekraftwerke statt auf "saubere Atomkraft".
Atomkraftgegner fordern Ende von Brennelementefabrik - Betreiber widerspricht
Mehrere Hundert Atomkraftgegner würdigten am Samstag in Lingen mit einem friedlichen Demonstrationszug die endgültige Abschaltung des AKW Emsland. Die Veranstalter sprachen von etwa 300 Teilnehmenden, die Polizei zählte etwas weniger. Die Demonstrierenden protestierten jedoch auch für einen konsequenten Ausstieg aus der Atomkraft. So sollte ihrer Meinung nach auch die Brennelemente Fabrik in Lingen stillgelegt werden, da ihr Weiterbetrieb mit dem Atomausstieg in Deutschland nicht vereinbar sei. Dass weiterhin Brennelemente für Kernkraftwerke in Deutschland gefertigt werden, sei nicht hinzunehmen, sagte Alexander Vent vom Bündnis "AtomkraftgegnerInnen im Emsland". Auch Umweltminister Meyer findet "es sinnvoll, auch die Brennelementefertigung in Deutschland zu schließen", wie er am Samstag sagte. Das könne aber nur der Bund machen.
Betreiber von Brennelemente-Fabrik weist Forderungen zurück
Das Bündnis sorgt sich, dass die französische Firma Framatome in Lingen zukünftig auch Brennelemente für Atomreaktoren russischer Bauart herstellen könnte. Die Firma bezieht das notwendige Uran aus Russland. Der Betreiber des Werks, ANF, der zu Framatome gehört, weist die Forderungen nach einer Schließung der Fabrik zurück: Man habe eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Das Sicherheitsniveau sei hoch, die Anlage habe seit mehr als 45 Jahren "jederzeit alle rechtlichen Vorgaben und Verfahren eingehalten". ANF verweist zudem auf "rund 400 hochqualifizierte Arbeitsplätze in der Region". Die Brennelementefabrik sei wichtig für den Erhalt der kerntechnischen Kompetenz in Deutschland, ergänzt das Unternehmen.
RWE will Arbeitsplätze in Lingen langsam abbauen
Derzeit arbeiten im AKW in Lingen noch 350 Menschen, die auch für den Rückbau der Anlagen benötigt werden. Arbeitsplätze will der Betreiberkonzern RWE langsam abbauen, indem Stellen nicht nachbesetzt werden.