Lehrerausbildung soll besser werden, aber es fehlt das Geld
Viele angehende Lehrerinnen und Lehrer brechen ihre Ausbildung vorzeitig ab, die meisten während des Studiums. Reformen müssten her und wurden von der niedersächsischen Landesregierung auch geplant - der große Wurf sei allerdings zu teuer.
Referendar Marten Janßen hat Murmeln, Nägel und Papier mitgebracht, um den Neuntklässlern den Rutherfordschen Streuversuch näher zu bringen. Seit einem Jahr arbeitet der angehende Physik- und Chemielehrer an der IGS Stade. "Am Anfang war ich oft völlig überfordert, es prasselt so viel Neues auf einen ein", erinnert sich der 25-Jährige. Mittlerweile hat er eine gewisse Routine im Umgang mit den Schülern aber auch bei der Vorbereitung des Unterrichts entwickelt.
Ausbildung zum Lehrer: Praktische Erfahrung kommt zu kurz
Was ihm aber fehlt: Mehr Praxis in der Schule schon während des Studiums. "Vom Fachwissen geht das, was wir dort lernen, weit über das hinaus, was ich im Schulalltag brauche", sagt Janßen. Das sei auch gut so. Aber: Er habe während seines Studiums auf Gymnasiallehramt lediglich 14 Wochen lang eine Schule von innen gesehen. "Ein ganzes Praxissemester während des Studiums wäre gut und würde im Referendariat einiges erleichtern."
Wie wird die Ausbildung an Schulen attraktiver?
Die Lehrerausbildung muss attraktiver werden, mit mehr Praxisanteilen und einer besseren Verzahnung von Studium und Erfahrungen in der Schule. Darüber sind sich Politik, Gewerkschaften und auch die meisten angehenden Lehrer einig. Eigentlich wollte das Kultusministerium ein so genanntes Stufenlehramt einführen. Dabei würden Studierende nicht mehr nach Schulformen getrennt ausgebildet, sondern lediglich unterteilt nach Grundschule, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II. Die so ausgebildeten Lehrkräfte könnten also beispielsweise an Gymnasien und in Real- oder Hauptschulklassen gleichermaßen eingesetzt werden.
Pilotprojekt an der Uni mit 56 Millionen Euro zu teuer
Geplant waren in Niedersachsen Pilotstudiengänge ab dem Wintersemester 2025/26. Aber: Das Projekt von Wissenschaftsministerium und Kultusministerium kostet zu viel. "Je nach Ausgestaltung wären für die Neustrukturierung Haushaltsmittel von mindestens 56 Millionen Euro jährlich für alle lehramtsbildenden Hochschulen erforderlich", heißt es aus dem Kultusministerium. Und das sei "aufgrund der schwierigen Finanzlage des Landes" leider nicht drin. Stattdessen soll nun die "Politik der 1.000 Schritte" gegen den Lehrermangel helfen, etwa die bessere Besoldung für Grund-, Haupt- und Realschullehrer oder der vermehrte Einsatz von Sozialarbeitern oder psychologischen Fachkräften.
Der Lehrkräftetrichter
Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) trauert der abgeblasenen Reform und vor allem dem Stufenlehramt hinterher, sieht eine Chance vertan. Der Vorsitzende des niedersächsischen Philologenverbandes, Christoph Rabbow, kritisiert den so genannten Lehrkräftetrichter. Er verweist auf eine Studie des Stifterverbandes, wonach bundesweit rund 42 Prozent der angehenden Lehrer ihre Ausbildung abbrechen, die meisten an der Uni. "Niemand weiß, wo die Studierenden bleiben, die sich gegen das Lehramt entscheiden".
Lehramt - nur eine Option von vielen
Kultusministerin Julia Willie Hamburg von den Grünen beobachtet, dass Unternehmen oft schon an den Unis nach Nachwuchskräften Ausschau hielten und für ihre Betriebe werben. Denn nicht nur Lehrerinnen und Lehrer fehlen, sondern auch Fachkräfte in anderen Branchen. Daher ist der Lehrerberuf für die Studierenden nur eine Option von vielen.
Reform fürs Referendariat gefordert
Auch das Referendariat schrecke viele angehende Lehrerinnen und Lehrer ab, sagt der Verein Rettet-das-Ref aus Oldenburg. Er wünscht sich eine "partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe" und die "Förderung einer offenen Fehlerkultur" während des Referendariats. Noch immer würden zu viele angehende Lehrer die Zeit der praktischen Ausbildung an der Schule als sehr belastend erleben. Außerdem müssten sie besser auf die Realität an den Schulen vorbereitet werden, etwa auf praktische Konfliktbewältigung, die Kommunikation mit den Eltern und auch digitale Kompetenzen.