Stand: 13.05.2016 21:49 Uhr

Die Stunde der Gartenvögel im Selbstversuch

von Marc Wichert

Mein treuester Begleiter bleibt unsichtbar. Nur ein Mal sehe ich ihn. Ansonsten begleitet mich dieser unscheinbare Singvogel nur mit seinem monotonen Gesang. Und der hört sich an, wie der Vogel heißt: Zilpzalp. Zur Stunde der Gartenvögel, zu der der Naturschutzbund Deutschland (NABU) für das Pfingstwochenende aufgerufen hat, will ich meinen naturschützenden Beitrag leisten. Die Regel: Man muss innerhalb einer Stunde von jeder Vogelart die höchste Anzahl notieren. Und zwar nur die, die man gleichzeitig sieht. Hört sich schwierig an, ist es auch, zumindest als Neuling. Es wird die Hobby-Ornithologen und andere Experten der Vogelwelt geben, die über meine Probleme der folgenden Stunde des Hinhörens, Ortens, Beobachtens, Rätselns, auch mal des Erkennens einer Art, müde lächeln dürften. Die den Gesang der Klappergrasmücke von dem der Gartengrasmücke zu unterscheiden wissen. Die den Fitis und den Zilpzalp auseinanderhalten können. Ich nicht.

Wichtige Erkenntnisse

Noch bis Sonntag kann jeder mitmachen - ob im Park, im Garten, in der Stadt oder auf dem Dorf. Die Stunde der Gartenvögel ist eine Langzeitstudie. Zum zwölften Mal hat der NABU dazu aufgerufen. "Durch die Mitmachaktion ist es möglich, zuverlässige und deutschlandweit flächendeckende Zahlen zur Bestandsentwicklung von Vogelarten in Städten und Dörfern zu sammeln", sagt NABU-Vogelexperte Lars Lachmann. Die Zählungen von Tausenden Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet liefern also wichtige Erkenntnisse. Dabei geht es nicht um exakte Bestandszahlen aller Vögel, sondern vielmehr darum, Anteile und Trends von Populationen zu ermitteln und sie wirksam vor Gefahren zu schützen.

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Der Star zeigt sich, die Grasmücke bleibt versteckt

Ich jedoch kämpfe mit Fragen, die mir das Vogelzählen erschweren: Welchen Ort suche ich aus? Wo platziere ich mich, um möglichst viele Vögel zu sehen? Außerdem: Stur in eine Richtung schauen oder Standort- und Perspektivwechsel? Ist es überhaupt das Ziel, so viele Vögel wie möglich zu sehen und zu zählen? Oder geht es um den zufälligen Blick nach oben? Verpasse ich den einen Vogel, wenn ich dem anderen hinterher schaue, um zu sehen, um welche Art es sich handelt? Amsel und Star, auch Rotkehlchen und die Elster - sie alle sind leicht zu erkennen. Vor allem aber: Sie zeigen sich. Bei anderen Vögel ist es fast, als genierten sie sich. Vielleicht wegen ihres unscheinbaren Federkleides, wie beim Zilpzalp oder der Gartengrasmücke? Oder ist es einfach so, dass die meisten Vögel zu selten geworden sind?

Haussperling am häufigsten

Im vergangenen Jahr resümierte der NABU: "Typische Stadtvögel nehmen ab, aber die Artenvielfalt in Gärten und Parks steigt." Die Zunahme der Vielfalt im Siedlungsraum stehe im starken Gegensatz zur Abnahme in der Agrarlandschaft, so Lachmann. "Dies unterstreicht die wachsende Bedeutung unserer Gärten und Parks als Rückzugsgebiete für die Natur." Am häufigsten ließen sich Haussperling, Amsel und Kohlmeise blicken. Bei der aktuellen Zählung wird das Ergebnis erst nach Sonntag feststehen. Bis Freitagabend sah es nach 1.100 Meldungen mit 45.000 beobachteten Vögeln laut NABU ähnlich wie im Vorjahr aus.

Fehler werden ausgeglichen

Der NABU beschreibt auf seiner Internetseite die 40 häufigsten Gartenvögel, von der Amsel über den Buchfinken und den Kleiber bis zum Zaunkönig. Das Ergebnis meiner Zählung: Ich habe acht verschiedene Arten gesehen. Vermutlich. Beim Zilpzalp bin ich mir recht sicher, anhand des Gesangs ist dieser Vogel recht gut zu identifizieren. Auch das Blaumeisenpärchen ließ sich gut bestimmen. Im Minutentakt gab es Futternachschub für die Jungen im Nistkasten am Pflaumenbaum. Eine Meise kenne ich, dazu der blaue Kopf, der blaue Schwanz: Es müssen Blaumeisen sein. Häufiger waren die Stare, sogar ein Gartenrotschwanz hat sich blicken lassen. Und dann waren da noch ein schöner, aber unsichtbarer Sänger, ein ganz winziger Brauner und ein bunter Schneller. Ich weiß bis jetzt nicht, um welche Vogelarten es sich handelte. Das ist aber gar nicht so schlimm, sagt der NABU. Je mehr Menschen teilnehmen, desto präziser werden die Ergebnisse. Die einen sehen weniger Vögel, als es der tatsächlichen mittleren Vogeldichte in diesem Gebiet entspricht, andere werden mehr Vögel beobachten. So werden sich die Zählungen ausgleichen. Ich bin beruhigt.

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