Wolfsburger im "heiligen Krieg"
Salah T. hat noch ein Foto. Es zeigt seinen Sohn Alaeddine in der Kampfweste der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Alaeddine starb Anfang September in Syrien. Er wurde 23 Jahre alt. Warum er sich 2013 auf den Weg machte und sich dem IS anschloss, für seinen Vater Salah bleibt das ein Rätsel.
Mehr als 20 junge Männer aus Wolfsburg sind seit 2012 nach Syrien gereist, um für den IS zu kämpfen. Mindestens neun der Wolfsburger Djihadisten wurden seitdem in Syrien und im Irak getötet, einige starben als Selbstmordattentäter.
Die Familien bleiben ratlos zurück
Zurück in Wolfsburg blieben verzweifelte Familien und ratlose Freunde. So wie Salim Zaizaa. Er ist in Wolfsburg geboren und mit einigen der jungen IS-Anhänger gemeinsam zur Schule gegangen. Heute arbeitet er als Anwalt. Er sagt: "Den Jungs ging's gut, da muss ein krasser Einstellungswechsel passiert sein. Das ist unerklärlich!"
Bereits im März berichtete Panorama 3 über die hohe Zahl der Wolfsburger Terrorkämpfer. Die meisten von ihnen waren von einem einzelnen IS-Anwerber rekrutiert worden: Yassin O., seine Anhänger nannten ihn den "Scheich". Aufgrund seines Einflusses kam es zwischen September 2013 und November 2014 zu einer regelrechten Ausreisewelle, offenbar ohne dass die Behörden dies unterbinden konnten. Salim Zaizaa, der zeitweise zwei der zurückgekehrten Wolfsburger IS-Kämpfer anwaltlich vertrat, kritisierte damals, dass die Polizei und Sicherheitsbehörden trotz deutlicher Hinweise auf bevorstehende Ausreisen nicht handelte. Dabei hätte man vom Mittel des Passentzugs Gebrauch machen können.
22 Rückkehrer
Inzwischen sind nach Angaben des niedersächsischen Landeskriminalamtes 22 von insgesamt 64 aus Niedersachsen zum IS gereisten Personen zurückgekehrt. Zwei von ihnen stehen zurzeit in Celle vor Gericht, müssen sich wegen der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verantworten. Auch gegen andere Rückkehrer laufen staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren.
Die Frage, die man sich nicht nur in Wolfsburg stellt: Welche Gefahr geht von den Rückkehrern aus? Nach den Anschlägen von Paris und der Absage des Länderspiels in Hannover sind die Ermittlungsbehörden besonders alarmiert. Konkret will sich das Landeskriminalamt Hannover zu Ermittlungen gegen IS-Rückkehrer nicht äußern, nur so viel: Man schaue intensiv hin, jede Information werde überprüft und gegebenenfalls neu bewertet. "Polizeiliche Maßnahmen [...] reichen von so genannten Gefährderansprachen bis hin zu Observationsmaßnahmen." Sämtliche Rückkehrer rund um die Uhr zu überwachen könne man selbstverständlich nicht leisten.
Höchste Zeit für Präventionsarbeit
Umso wichtiger wird die Präventionsarbeit - und das nicht nur von Seiten der Polizei, wie der Wolfsburger Oberbürgermeister Klaus Mohrs im Interview mit Panorama 3 betont: "Wir können mit unserer Sozialarbeit die Menschen erreichen, die sich noch nicht entschieden haben, die in der Gefahr sind, angesprochen zu werden. Insbesondere junge Menschen, dass sie lernen, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen."
Für Salah T., der seinen toten Sohn betrauert, kommt diese Einsicht zu spät. Auch er fragt sich, was er anders hätte machen können: "Vielleicht war ich in meiner Rolle als Vater nicht gut, oder habe nicht genug aufgepasst. Es ist nicht so einfach! Das ist ein Teil von mir, ich habe ihn verloren!“