VW präsentiert Strategie nach Milliardenverlust
3,5 Milliarden Euro Verlust: Dieser Mittwoch schreibt sich als Tag der tiefroten Quartalszahlen in der Geschichte Volkswagens fest. Auch, wenn sich das Minus nach Abzug der Steuern auf gut 1,67 Milliarden Euro reduziert - es bleibt das höchste Defizit, das der Autobauer seit mehr als 20 Jahren verzeichnet. Anstatt nun den Kopf in den Händen zu vergraben, kappen die Wolfsburger ihre Prognose und blicken nach vorn: Vorstandsvorsitzender Matthias Müller nutzte eine telefonische Analysten-Konferenz dazu, seine Strategie für die kommenden Wochen und Monate vorzustellen. Einen Fünf-Punkte-Plan, mit dem er Volkswagen aus der selbst verschuldeten Krise manövrieren will.
Rückstellung auf Kosten der Steuerzahler?
Höchste Priorität hat laut Müller die Hilfe für Besitzer manipulierter Diesel-Autos. Die Rückstellung für den damit einhergehenden Rückruf ist auch der Grund für den Milliardenverlust. Der Konzern legt in einem ersten Schritt 6,7 Milliarden Euro zur Seite, um rund elf Millionen betroffene Diesel-Fahrzeuge umzurüsten. Neu daran ist nun, dass VW für die Rückstellung möglicherweise den Steuerzahler in die Pflicht nehmen will: VW-Finanzvorstand Frank Witter sagte am Mittwoch, er gehe davon aus, dass die Beiträge steuerlich absetzbar seien. Anders sei dies bei Strafzahlungen oder Bußgeldern, die dem Konzern wegen Umweltvergehen drohen.
Strategie 2025 soll Strategie 2018 ersetzen
Zurück zum Fünf-Punkte-Plan: Gleich nach der Hilfe für betroffene Kunden stehe die Aufklärung des Abgas-Skandals, sagte Müller und betonte: "Wir müssen die Wahrheit herausfinden und daraus lernen." Zur Konzernstrategie zählten außerdem eine neue Unternehmenskultur und der bereits angekündigte Konzern-Umbau. Volkswagen, betonte Müller, solle moderner, transparenter und einzelne Geschäftsbereiche eigenständiger werden. Dazu gehöre auch, dass sämtliche 300 Auto-Modelle im Hinblick auf ihren Wert für den Konzern auf den Prüfstand gestellt werden. Bis Mitte kommenden Jahres will VW-Chef Müller außerdem neue Ziele und Leitlinien für den Autobauer ausarbeiten - eine Strategie mit dem Namen 2025. Die bisherige Strategie 2018 ist für Müller nicht mehr zeitgemäß: "Vieles wurde dem Höher-schneller-weiter untergeordnet. Aber was ich jetzt anpeile, ist qualitatives Wachstum."
Skandal macht Gewinne zunichte
Zwar färbt der Abgas-Skandal die aktuellen Zahlen tiefrot. Vor dem Gesamtergebnis für das erste Dreivierteljahr steht aber noch immer ein dickes Plus. VW hat bis Ende September unterm Strich knapp vier Milliarden Euro verdient. Im Vorjahr war der Gewinn noch mehr als doppelt so hoch. Ohne den Abgas-Skandal würde es dem Konzern in diesem Jahr ziemlich gut gehen: Die Marken Volkswagen, Audi, Skoda und Porsche haben ihre Gewinne gesteigert; allein in China hat VW mit 3,8 Milliarden Euro fast genauso viel verdient wie im Vorjahr. Die Abgas-Krise macht die schönen Gewinne zunichte - der Konzern rechnet aber grundsätzlich damit, dass die Kunden ihm treu bleiben: Man erwarte, dass die Auslieferungen an Kunden am Jahresende auf dem Niveau des Vorjahres liegen werden, heißt es in einer Mitteilung. Denn auf den Absatz hatte der Skandal bisher offenbar keine Auswirkungen. In Deutschland hat das Unternehmen nach eigenen Angaben sogar mehr Bestellungen für Dieselfahrzeuge vorliegen.
Verkauf der Suzuki-Anteile lindert Verluste
VW-Chef Müller sagte, dass Volkswagen alles daran setzen werde, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen. Jedoch träten "erste Auswirkungen der derzeitigen Situation" damit "klar zutage", teilte der neue Vorstandsvorsitzende mit. Ein positives Gegengewicht zu den milliardenschweren Rückstellungen ist das Geld, das die Wolfsburger mit dem Verkauf ihrer Suzuki-Anteile verdient haben. So konnte Volkswagen 1,5 Milliarden Euro als positiven Sondereffekt im Finanzergebnis verbuchen und somit die Diesel-Folgen ein wenig lindern. Unterdessen hat sich das Personalkarussell bei Volkswagen weitergedreht. Als neuen Chefstrategen verpflichteten die Wolfsburger zu Beginn der Woche den ehemaligen Opel-Chef Thomas Sedran.
VW senkt Prognose
Eine Erklärung dafür, dass die Zahlen beim Nachsteuerergebnis nicht noch schlechter ausfielen, liegt in der Besonderheit des China-Geschäftes bei den Wolfsburgern. Da Volkswagen im Reich der Mitte mit Partnern unterwegs ist, behandeln die Buchhalter die Gewinne von dort nur wie eine Art Beteiligung. Daher fließt der Ertrag ins Finanzergebnis und taucht somit vor Zinsen und Steuern noch gar nicht auf. Bis Ende September lagen die anteiligen operativen Ergebnisse der chinesischen Joint Ventures stabil bei 3,8 (3,9) Milliarden Euro. Unterdessen schraubte der Wolfsburger Autobauer in Folge des Abgas-Skandals seine Ziele für das laufende Jahr deutlich herunter. Das Unternehmen rechnet aktuell mit einer operativen Marge zwischen 5,5 und 6,5 Prozent, allerdings nur wenn man die milliardenschweren Rückstellungen für die Folgen der Abgaskrise herausrechnet. Die operative Marge bezeichnet das, was vor Zinsen und Steuern gemessen am Umsatz noch übrig bleibt.