VW in der Krise - Werke schließen trotz Milliardengewinns?
Die Marke Volkswagen muss grundsaniert werden. Die Einschätzungen, warum es so weit kommen konnte, gehen auseinander. Denn die Probleme bei VW sind vielschichtig.
Im vergangenen Jahr hat Volkswagen einen saftigen Gewinn eingefahren. Mehr als 22 Milliarden Euro hat der Wolfsburger Konzern mit seinen Marken wie Audi, Porsche, Seat und Skoda verdient. Dem Autobauer geht es also gut. Trotzdem stehen nun Werksschließungen in Deutschland im Raum. Auch die traditionelle Job-Garantie hat Volkswagen einkassiert und so den Weg frei gemacht für mögliche Entlassungen. Im Fokus steht dabei die Marke Volkswagen, das Herzstück des Konzerns mit Modellen wie Golf, Tiguan und Polo. Bei dieser Kernmarke, so hat es VW-Markenchef Thomas Schäfer schon im vergangenen Jahr formuliert, brenne das Dach lichterloh.
Kernmarke Volkswagen: Auto für 30.000 Euro bringt 700 Euro Gewinn
In dieser Logik weitergedacht, kann man inzwischen behaupten: Im VW-Haus brennt nicht mehr nur das Dach, sondern längst schon eine ganze Etage. Und das hat ganz unterschiedliche Gründe. Grundsätzlich ist der Automarkt geschrumpft. Konzern-Finanzchef Arno Antlitz hat kürzlich auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg vorgerechnet, dass Volkswagen in Europa pro Jahr 500.000 Autos weniger verkauft als vor der Pandemie. Und eine Erholung des Automarkts ist nicht in Sicht. Die VW-Werke sind also zu schlecht ausgelastet und oft nicht mehr effizient. Wenn VW ein Auto für 30.000 Euro verkauft, bleiben nicht einmal 700 Euro Gewinn hängen. Die Zielvorgabe des Vorstands ist drei Mal so hoch.
Problem-Standort Deutschland: Hohe Kosten und üppige Verwaltung
Dass die Marke Volkswagen ein Rendite-Problem hat, ist seit Jahren bekannt. Lange hat das im Konzern aber kaum gestört, weil unter anderem die Marken Audi und Porsche und auch die Verkäufe in China üppige Gewinne in die Kassen gespült haben. Aber die bisherigen Ertragsbringer liefern nicht mehr wie bisher. Nun soll die Marke Volkswagen wieder fit gemacht werden. In Europa kann sie aktuell mit Konkurrenten wie Renault oder Stellantis nicht mehr mithalten. Selbst die Konzern-Schwestern Skoda und Seat schaffen deutlich höhere Gewinnmargen. Ein großes Problem der Marke VW ist offenbar der Standort Deutschland: hohe Energiepreise, hohe Lohnkosten, eine jahrelang gewachsene und üppige Verwaltung.
Chinesische Konkurrenz sitzt im Nacken
Auch mit der Elektromobilität läuft es nicht gut bei Volkswagen. Im ersten Halbjahr hat die Marke VW knapp 170.000 Elektro-Wagen verkauft - das sind gerade mal 7,5 Prozent vom Gesamtabsatz. Die E-Modelle von Volkswagen gelten als zu teuer, ein günstiges Einstiegsmodell fehlt. Der Betriebsrat bemängelt anfängliche "Kinderkrankheiten", die teuer nachgebessert werden mussten. Dazu kommt: Die chinesische Konkurrenz steht in den Startlöchern. Schon jetzt werden Tausende Fahrzeuge importiert. Sobald chinesische Hersteller in Europa massenhaft günstig produzieren können, könnte VW den Anschluss verlieren. Auch darum hat VW-Finanzchef Antlitz kürzlich gewarnt: Man habe "noch ein Jahr, vielleicht zwei Jahre Zeit, das Ruder herumzureißen".
Kein Geld mehr für Zukunftsinvestitionen
Es sind viele unbequeme Wahrheiten, die bei Volkswagen gerade auf den Tisch kommen: Dass deutsche Standorte zu teuer produzieren und nicht wettbewerbsfähig sind, wurde jahrelang gar nicht oder nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Jetzt ist die offene Konfrontation aus Sicht des Unternehmens aber nötig. Denn VW braucht Milliarden für Zukunftsinvestitionen - für neue Modelle, gute Software und autonomes Fahren. Ohne Investitionen, so formuliert es VW, "fehlen wesentliche Anschlussprodukte zur Auslastung der Standorte". Wie der Autobauer diese finanzielle Ellenbogenfreiheit erreichen will, ist zurzeit noch rätselhaft. Der Betriebsrat ist zwar gesprächsbereit, hat aber Werksschließungen und Entlassungen in Deutschland kategorisch ausgeschlossen.