Sparpläne bei VW: Betriebsrat kritisiert "mangelnde Transparenz"
Die VW-Kernmarke soll zehn Milliarden Euro einsparen. Beschäftigte von Volkswagen forderten am Dienstag vom Vorstand Klarheit über Sparmaßnahmen und konkrete Zielvorgaben für die Zukunft.
Es ist eine besondere Betriebsversammlung: Im Wolfsburger Stammwerk wird der neue Tiguan vorgestellt. Zu Beginn herrscht noch Feierlaune. 10.000 Beschäftigte strömen in Halle elf auf dem Werksgelände, das Orchester spielt Udo Jürgens, über große Leinwände flimmern Bilder von VW-Bussen an Stränden und SUVs mit Labradoren im Kofferraum. "Ein bisschen Konfetti muss sein", ruft Daniela Cavallo. Und dann lobt die Betriebsratsvorsitzende den Vorstand dafür, dass der neue Tiguan, der Bestseller aus dem Hause Volkswagen, in Wolfsburg vorgestellt wird. Da, wo er seit 2007 gebaut wird.
VW-Markenchef: "Große Herausforderungen liegen vor uns"
"Der Tiguan ist ein sehr wichtiges Auto für unser Unternehmen", ergänzt kurz darauf VW-Markenchef Thomas Schäfer. Um sogleich einen nachdenklicheren Ton anzuschlagen: "Aktuell liegen große Herausforderungen vor uns. Wir arbeiten mit aller Kraft daran, dass unsere Marke stark und wettbewerbsfähig bleibt."
Konzern will zehn Milliarden Euro sparen
Der neue Tiguan rollt in die Halle, Musik, Applaus, dann jede Menge Selfies: Mitarbeiter vor dem Tiguan, Mitarbeiter und VW-Chef vor dem Tiguan, Cavallo und Mitarbeiter vor dem Tiguan. Noch ist die Stimmung gut, aber die von Schäfer genannten "großen Herausforderungen" sind Thema bei den Beschäftigten. Und das nicht erst seit heute, sondern seitdem Konzernchef Oliver Blume angekündigt hat, dass bis rund 2030 zehn Milliarden Euro gespart werden sollen - durch bessere Abläufe, aber eben auch durch Sparmaßnahmen. Nur: Welche sind das genau?
Betriebsrat fordert Zielbild für die Marke
Bei der Frage trübt sich auch die Stimmung der Konzernbetriebsratsvorsitzenden deutlich ein. Ihr eindringlicher Appell an den Vorstand: "Wir brauchen ein Zielbild. Wohin steuert die Marke Volkswagen, was bedeutet das für unsere Standorte, für die Belegschaft, für die verschiedenen Geschäftsbereiche? Das erwarte ich vom Vorstand, damit wir unsere Zukunft gemeinsam gestalten", sagt Daniela Cavallo im Interview mit dem NDR. Der Betriebsrat hat eine Beschäftigungssicherung bis 2029 rausgehandelt, akute Angst vor einem Arbeitsplatzverlust ist im Stammwerk daher nicht zu spüren. Unsicherheit aber sehr wohl.
Auf diese Unsicherheiten und das Sparprogramm angesprochen bleibt Markenchef Schäfer im Interview mit dem NDR Niedersachsen allgemein, spricht davon, die "Performance weiter hochzudrehen" und "Resilienz" zu erarbeiten. "Und das Programm, das besprechen wir jetzt gemeinschaftlich, wie es bei Volkswagen üblich ist."
Bessere Kommunikation als früher
"Performance weiter hochdrehen" - für viele Beschäftigte klingt das verdächtig nach mehr Druck und nach Einschnitten. Was es konkret bedeutet, soll in den nächsten Wochen kommuniziert werden. Bisher mangele es an Transparenz, kritisiert der Betriebsrat, sieht aber auch hoffnungsvoll in die Zukunft. Immerhin würden unter der neuen Konzernspitze nicht mehr in der Form Ängste geschürt, wie es unter Vorgänger Herbert Diess der Fall gewesen sei. In dessen Amtszeit hatte zwischenzeitlich das Gerücht die Runde gemacht, er halte 30.000 Arbeitsplätze für entbehrlich. VW-Chef Blume scheint einen anderen Umgang mit seinen Leuten gefunden zu haben. Die Nachfrage nach Selfies mit ihm reißt am Dienstag zumindest lange nicht ab.
Autoexpertin: Sparprogramm ist richtig
Als Fundament für die Zukunft reicht das zwar nicht - ein kleiner Baustein ist es aber allemal. Für die Automobilexpertin Helena Wisbert von der Ostfalia Hochschule in Wolfsburg ist Blume mit seiner Strategie für Volkswagen grundsätzlich auf dem richtigen Weg. Sie hält auch das angekündigte Sparprogramm für alternativlos. Mit mehr Effizienz schaffe sich Volkswagen neuen Spielraum. "Wenn das Sparprogramm umgesetzt wird, wird sich auch der Börsenwert erholen", sagt sie. "Im Moment sehen Investoren vor allem die hohen Zukunftsinvestitionen." Blume habe schon, ohne viel Aufhebens zu machen, viel geändert. Für die zukünftigen Änderungen werden Blume und Schäfer aber noch mehr reden, noch mehr erklären müssen. Das hat der Betriebsrat am Dienstag mehr als deutlich gemacht.