VW-Chef Blume im Interview: Kosten für E-Autos werden sinken
Am Donnerstag hat VW die Bilanz für das erste Halbjahr vorgestellt. Im Interview mit dem NDR Niedersachsen fordert Konzernchef Oliver Blume mehr Hilfen vom Staat - und kündigt sinkende Preise für E-Autos an.
Herr Blume, Sie sind jetzt seit fast einem Jahr im Amt. Würden Sie denn sagen, sind Sie angekommen?
Oliver Blume: Ich bin sehr gut angekommen. Wir kommen mit der Restrukturierung des Volkswagen-Konzerns gut voran. Trotzdem liegen noch anspruchsvolle Aufgaben im Zuge der Transformation vor uns. Das ist unterschiedlich gelagert in unseren zwölf Marken. Wenn wir zurückblicken auf das erste Halbjahr, haben wir uns robust in einem schwierigen Marktumfeld geschlagen. Wir konnten unser operatives Ergebnis vor Sondereinflüssen um 13 Prozent steigern. Das entspricht einer Rendite von rund neun Prozent. Damit sind wir sehr zufrieden. Wenn wir uns die Auslieferungen an Kunden anschauen, sind wir ebenfalls weltweit um 13 Prozent gestiegen, und deshalb stärker als der Gesamtmarkt.
Wie würden Sie das Kaufverhalten der Kundinnen und Kunden beschreiben?
Blume: Das ist unterschiedlich. In Europa spüren wir im Moment eher eine Zurückhaltung. Das ist gerade bei den Elektrofahrzeugen dadurch begründet, dass Unterstützungen von staatlicher Seite in einigen Ländern weggefallen sind. Wir haben ein inflationäres Umfeld und haben deshalb auch gestiegene Preise. Und insofern werden wir in den nächsten Monaten sehr genau beobachten, wie sich dort der Markt bewegt. China ist weiterhin volatil, der Markt ist noch nicht so stark zurückgekommen, wie das vermutet wurde. Und in Nordamerika ist die Marktentwicklung sehr positiv.
Was bedeutet in dem Zuge die neue Partnerschaft, die Sie in China eingehen?
Blume: Die Transformation in China entwickelt sich mit rasanter Geschwindigkeit. Deshalb war es für uns wichtig, für uns ein sogenanntes Zielbild China 2030 aufzustellen. Da geht es darum, mehr Entwicklungen in China für China zu machen. Wir bauen dort unsere eigenen Entwicklungskapazitäten mit rund 2.000 Leuten auf. Wir haben unsere eigenen Strategien mit einer Fabrik von Audi für Elektrofahrzeuge im Norden von China, mit den Elektrofahrzeugen von Volkswagen, die wir in der Anhui-Region produzieren. Darüber hinaus haben wir uns auch umgesehen, welche Partnerschaften wir schließen können, gerade auf der Modul- und Komponenten-Ebene. Dort haben wir uns jetzt auf einen der stärksten technologischen chinesischen Hersteller konzentriert, Xpeng. Da blicken wir beidseitig auf eine sehr positive Kooperation für die Zukunft.
Was genau versprechen Sie sich davon?
Blume: Die Technologien in China entwickeln sich schneller als in anderen Weltregionen. Es geht darum, technologische Lösungen für die chinesischen Kunden zur Verfügung zu stellen. Deshalb denken wir, dass wir auch gerade davon profitieren können. Die Chinesen sind sehr stark in Infotainment, in der Spracherkennung. Auf der anderen Seite haben wir natürlich sehr viel Erfahrung, wie man Marken aufbaut, wie man Produktionen steuert. Und deshalb wird das eine erfolgreiche beidseitige Partnerschaft.
Sie haben es eben schon angesprochen: Im September läuft die Umweltprämie für Elektrofahrzeuge für Geschäftskunden aus. Braucht es da weiterhin Unterstützung vom Staat, durch Subventionen zum Beispiel?
Blume: Beim Hochlauf der Elektromobilität sind drei Faktoren entscheidend. Das sind einmal die richtigen Produkte. Dafür sind wir verantwortlich, für Produkte zu einem vernünftigen Preis mit dem richtigen Technologie-Profil. Auf der anderen Seite spielt die Ladeinfrastruktur eine große Rolle. Das ist zum Teil unsere Verantwortung. Wir werden bis 2025 weltweit rund 45.000 Ladepunkte selbst aufstellen, brauchen aber auch Unterstützung von staatlicher Seite - gerade im öffentlichen Ladenetzwerk, aber auch von Partnern in der Energieindustrie oder von den Mineralölherstellern. Und dann ist es natürlich der Ausbau der erneuerbaren Energien, die ganz maßgeblich ist für den Hochlauf der Elektromobilität. Insofern brauchen wir von allen Seiten Unterstützung, auch ganz besonders von staatlicher Seite beim Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Einige Autoexpertinnen und -experten fordern zum Beispiel eine Senkung der Mehrwertsteuer. Würden Sie da mitgehen?
Blume: Bei steuerlichen Modellen ist es immer wichtig, sich auf die richtigen Sachen zu konzentrieren. Wenn wir die Elektromobilität unterstützen wollen, dann muss man sich dort auch Steuermodelle überlegen, die das Ganze attraktiv für die Kunden machen.
Ein Kritikpunkt an Volkswagen sind teilweise die Preise und die Kosten. Was planen Sie in Zukunft, um da ein entsprechendes Modell auf den Markt zu bringen? Wie weit sind die Pläne?
Blume: Mit steigender Elektromobilität werden auch die Kosten sinken. Wir bekommen dann höhere Skaleneffekte im Vergleich zu den Verbrennermotoren, die mit größeren Regulierungen versehen werden. Dann wird sich diese Differenz noch mal verkleinern. Das Wesentliche sind die Batteriezellen. Wir selbst setzen auch auf eigene Batteriezellenfertigung. Da ist es ganz bedeutend, welche industriellen Rahmenbedingungen wir bekommen. Die Energiekosten spielen dort eine große Rolle. Ein Cent für eine Kilowattstunde macht bei einer 20 Gigawattstunden-Fabrik rund 100 Millionen Euro Unterschied aus. Insofern ist es für uns ganz besonders wichtig, dort die richtigen Rahmenbedingungen zu bekommen - um dann gerade diese hohen Materialkosten auf ein Niveau zu bringen, mit dem wir die Fahrzeuge zu günstigen Preisen anbieten können.
Wo soll die Reise da hingehen?
Blume: Wir planen zunächst einmal ein Fahrzeug für Europa, gesehen für 25.000 Euro. Perspektivisch kann ich mir schon vorstellen, dass wir Richtung 20.000 Euro kommen. Das sind Planungen nach vorn. Ich sehe uns dort als Volkswagen-Konzern aber auch in der Verpflichtung, gerade auch kleinere Fahrzeuge anzubieten für Kunden, die wir an die Marken heranführen.
Was ist da der Zeitrahmen für diese 20.000 Euro?
Blume: Ich würde mal sagen, so in den nächsten fünf Jahren ist das realistisch.
Jetzt ist es ja so, dass Sie für diese bevorstehende Transformation viele kluge Köpfe nach Wolfsburg holen müssen. Wie wollen Sie den Konzern attraktiv machen als Arbeitgeber für diese Menschen?
Blume: Wir haben zunächst mit meinem Start ein Zehn-Punkte-Programm aufgesetzt, das alle operativen und strategischen Felder des Konzerns dort abarbeitet. Dort kommen wir gut voran. Und für mich ist ganz besonders wichtig, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Wir können alles nur als Team erreichen. Die richtige Arbeitsumgebung ist recht wichtig. Das ist das, was wir im Moment auch als Feedback bekommen von allen Menschen, die in Wolfsburg arbeiten, aber auch von allen Menschen, die wir in den letzten zwölf Monaten dazu gewinnen konnten.
Die E-Mobilität hat auch dafür gesorgt, dass einige Werke vorzeitig in den Werksurlaub geschickt wurden. Können Sie denn garantieren, dass in Zukunft die Arbeitsplätze sicher sind?
Zunächst einmal können wir bei der Elektromobilität sagen, dass wir unseren Elektroanteil im ersten Halbjahr um 50 Prozent steigern konnten. Das heißt, das Wachstum ist da. Wir haben in der Volumenstrategie des Volkswagen-Konzerns einen Strategieschwenk vorgenommen. Wir konzentrieren uns stärker auf den Wertzuwachs als auf das reine Volumen. Und dahinter steht dann die Steuerung, die wir jetzt in den Fabriken dort vornehmen.
Also Arbeitsplätze sichern?
Blume: Das ist immer ein Anspruch, den wir gemeinsam mit unserer Arbeitnehmervertretung haben. Ein wirtschaftliches Unternehmen bietet auch sichere und attraktive Arbeitsplätze. Das ist für uns natürlich ein ganz wesentliches Ziel.
Sie haben gesagt, dass bei der Entscheidung für ein E-Auto unter anderem die Ladeinfrastruktur eine Rolle spielt. Was sind ausschlaggebende Punkte, weswegen ein Kunde oder eine Kundin sich gegen ein E-Auto entscheidet?
Blume: Das sind verschiedene Faktoren. Das sind durch Inflation auch höhere Preise. Das sind staatliche Förderungen, die aktuell nicht mehr gegeben werden. Und das ist natürlich auch die Ladeinfrastruktur, die noch nicht durchgängig ist. Nicht jeder kann sich eine Ladestation zu Hause installieren, da kommt es ganz besonders auf die öffentliche Ladeinfrastruktur in den Städten an. Und da müssen wir unser Netz noch deutlich weiter ausbauen.
Das Interview führte Mandy Sarti von NDR Niedersachsen