Riesige Windräder in Braunschweig: Anwohner kämpfen für Ausblick

Stand: 08.04.2025 14:04 Uhr

Der Ausbau von Windenergie sorgt im Braunschweiger Ortsteil Geitelde für Streit: Geplant sind große neue Windräder - mehr als doppelt so hoch wie die alten. Viele Anwohner wollen das nicht hinnehmen.

von Luca Benincasa

Wenn Sascha Herzog-Mewes auf seiner Terrasse sitzt, dann genießt er den Blick ins satte Grün. Der der 42-Jährige wohnt am Braunschweiger Stadtrand im kleinen Örtchen Geitelde, direkt am Feld. Sein Haus mit Garten ist für ihn Rückzugsort, aber es gibt einen Haken. Denn gleich mehrere Windräder - jedes 120 Meter hoch - trüben die Aussicht über die Hecke von Herzog-Mewes.

Windräder verursachen Lärm und Schlagschatten

Sascha Herzog-Mewes sitzt auf einem Stuhl in seinem Garten. © NDR Foto: Luca Benincasa
Sascha Herzog-Mewes und viele Anwohner aus Geitelde sind verärgert über die Pläne, größere Windräder zu bauen.

Die einzigen fünf Windkraftanlagen in ganz Braunschweig stehen praktisch direkt vor seiner Haustür. Und das kann nerven, denn die Windräder verursachen Lärm, erzählt Herzog-Mewes: "Es ist, als würde durchgängig ein Auto vorbeifahren. Und wenn die Sonne tief steht, hat man auch den ganzen Abend einen Schlagschatten." Aber er habe sich damit arrangiert: "Irgendwie gehören die Windräder einfach dazu", sagt er. Doch nun gibt es Pläne, mit denen sich der 42-Jährige nicht einfach arrangieren will. Denn die rund 20 Jahre alten Windräder sollen durch leistungsstärkere und viel größere Anlagen ersetzt werden. Repowering heißt das im Fachjargon.

Die neuen Windräder wären doppelt so hoch wie die alten

Ein Mann sitzt auf seiner Terrasse, im Hintergrund sieht man Windräder © NDR
Der Blick aus dem Haus über die Terrasse auf eines der Windräder. Die neuen Anlagen sollen nochmal doppelt so hoch werden.

Die neuen Windkraftanlagen sollen pro Jahr 70 Millionen Kilowattstunden elektrische Energie erzeugen. Das sei siebenmal so viel saubere Energie, wie die alten Windräder aktuell liefern, sagt Landwind. Das ist jenes Unternehmen, das die neuen Windräder bauen möchte. Aber die neuen Windräder wären nicht nur moderner, sondern auch größer. Statt wie bisher 120 Meter sollen die neuen Windräder bis zu 266 Meter hoch sein.

Erneuerbare Energie: Anwohner entsetzt über neue Pläne

Sascha Herzog-Mewes und viele Anwohner aus Geitelde sind verärgert über diese Pläne. Sie kritisieren aber nicht nur die Höhe der neuen Windräder, sondern auch die direkte Nähe zu ihrem Dorf. Denn die Windräder stehen aktuell nur zwischen 380 und 500 Meter von den nächsten Häusern entfernt. Weil das Gebiet, auf dem die Anlagen gebaut werden sollen, aber schon ausgewiesen ist, ist die Entfernung zur nächsten Siedlung irrelevant. Unter Repowering hatten sich viele Anwohner etwas anderes vorgestellt. "Wir haben gedacht, dass die Windräder mit Anlagen in ähnlicher Größe ersetzt werden", sagt Anwohner Detlev Müller. Aber diese Riesen-Windräder seien zu viel: "Wir haben direkten Blick auf die Windräder. Wenn wir unser Grundstück irgendwann verkaufen wollten, wäre das ein Dilemma, denn die Preise werden sicherlich sinken." Außerdem befürchten viele Anwohner mehr Lärm und mehr Schlagschatten.

Landwind sieht die Einschränkungen als nicht so groß

Anwohnende protestieren in Geitelde gegen den Bau von Windrädern. © NDR Foto: Luca Benincasa
Die Bewohnerinnen und Bewohner in Geitelde bei Braunschweig protestieren gegen den Bau der Windräder.

Landwind nehme die Sorgen der Anwohner ernst, versichert aber, dass die Befürchtungen unbegründet seien - nicht nur bei der Lautstärke. Denn die neuen Windräder erfüllen alle gesetzlichen Auflagen, so das Unternehmen. So würden sich die neuen Windräder unter Nennleistung nur noch zehn Mal in der Minute drehen, statt wie die alten 30 Mal. "Allein das sorgt schon für ein deutlich ruhigeres Bild. Die Wahrnehmung wird eine ganz andere sein," sagt Alexander Heidebroek, Geschäftsführer der Landwind-Gruppe. Auch sollen sich die neuen Windräder automatisch abstellen, wenn der Schatten die Siedlungen erreicht. Außerdem sei günstige, erneuerbare Energie ein Standortvorteil für die heimische Industrie, ist sich Heidebroek sicher: "Um Arbeitsplätze zu sichern und unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir die wenigen Standorte, die es gibt, für Windenergie nutzen."

Windenergie: Verwaltung entscheidet über Genehmigung

Tatsächlich gibt es speziell in Braunschweig aktuell keine anderen Gebiete außer den Flächen in Geitelde, die für Windenergie geeignet sind, so die Stadt. Hier prüft die Stadtverwaltung deshalb gerade, ob die neuen Windräder tatsächlich gebaut werden dürfen. Ein politisches Gremium kann dabei nicht einbezogen werden, denn hierbei handelt es sich um eine reine verwaltungsseitige Entscheidung. Landwind rechnet mit einer Genehmigung in diesem Sommer.

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Anwohner-Zweckbündnis droht mit Klage

Unter den Anwohnern in Geitelde hat sich seit dem Bekanntwerden der Pläne nun ein Zweckbündnis gegründet, das den Bau der neuen Windräder verhindern will. Im Zweifel auch mit einer Klage vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, sagt Walter-Johannes Herrmann, Mitgründer des Zweckbündnisses. So eine Klage könnte den Bau der neuen Windräder wahrscheinlich verzögern. Ob sie ihn auch stoppen könnte, da ist sich Sascha Herzog-Mewes nicht sicher. Mehr als zwei Jahre hat er sein Haus in Geitelde aufwändig renoviert und ausgebaut. Sollten die neuen Windräder tatsächlich kommen, überlegt er, wegzuziehen: "Dann liegt der Gedanke schon sehr nah, sich zu fragen, ob es Sinn macht, hier weiterhin zu wohnen."  Für eine finale Entscheidung hat der 42-Jährige aber noch Zeit. Sollte die Stadtverwaltung die neuen Windräder genehmigen, würden die frühestens in zwei Jahren fertig sein. So lange bleibt also noch der Ausblick auf die alten Windräder.

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Hallo Niedersachsen | 07.04.2025 | 19:30 Uhr

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