Nach Razzia: Verdächtiger Rechtsterrorist äußert sich erstmals
Am frühen Dienstagmorgen heben die Ermittler mit einem Spezialeinsatzkommando aus Hannover eine Wohnungstür in Katlenburg-Lindau in Südniedersachsen aus den Angeln, stürmen mit gezogenen Waffen in das kleine Apartment. Bewohner Wladislav S. wird gefesselt. Der 22-Jährige steht unter Terrorverdacht.
S. ist Ansprechpartner der Gruppe "Nordadler“. Im Internet tritt die Organisation offen auf, gibt Auskunft über ihre Ziele. "Nordadler“ schreibt dort etwa, dass sie dafür sorgen müssten, dass "sich unser Volk selbst erhält und nicht an Degenerationserscheiungen stirbt". Auch vom "rassischen Erwachen der Völker" ist dort die Rede.
Beschuldigter nennt Vorwurf "lächerlich"
Panorama 3 hat Wladislav S. ein Interview gegeben. Der Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung sei "lächerlich", sagt er. Aus der ideologischen Ausrichtung seiner Gruppe macht er jedoch keinen Hehl. S. bezeichnet sich selbst als Nationalsozialist. "Wir wollen für unser Volk das Beste, das heißt aber nicht, dass wir andere Völker diskriminieren."
Doch so offen wie S. über die Gruppe im Interview spricht und sie sich im Netz präsentiert, agierte "Nordadler" nicht immer. Wie aus Akten zu dem Fall vorgeht, die Panorama 3 vorliegen, sollen sich die Mitglieder auch über Waffen und mögliche Anschlagsziele ausgetauscht haben. Unter Decknamen sollen die "Nordadler"-Mitglieder beim Messenger-Dienst "Telegram" kommuniziert haben.
Listen mit potenziellen Opfern
Neben der Wohnung von S. schlugen die Ermittler gestern bei drei weiteren Verdächtigen zu: Bei Patrick Sch. im schleswig-holsteinischen Appen, Marco A. aus dem emsländischen Dörpen und Brian W. aus Bremen-Blumenthal. Die vier Männer sollen zur Führung der Organisation gehören, weitere Rechtsextremisten gehören der Vereinigung offenbar ebenfalls an.
Über mögliche Anschlagsziele sollen sich die drei Terrorverdächtigen S., Sch. und W. bereits ausgetauscht haben. Angebliche "Staatsfeinde", Juden und Angehörige der Antifa-Szene, standen nach Erkenntnissen des Landeskriminalamtes Niedersachsen im Visier der Neonazis. Auf Nachfrage von Panorama 3 räumt S. ein, Listen mit Namen und persönlichen Daten von Antifaschisten aus Northeim und Göttingen angelegt zu haben. Bei einem anderen Verdächtigen seien zudem Listen mit Politikern gefunden worden. Diese sollten im Falle eines Zusammenbruchs der Bundesrepublik "zur Rechenschaft" gezogen werden, sagt S.
Über Waffen und die Herstellung von Sprengvorrichtungen sollen "Nordadler"-Mitglieder bereits diskutiert haben. Der 22-jährige S. soll in der in der Vergangenheit bereits an "Sprengversuchen" teilgenommen haben.
Listen mit potenziellen Opfern
"Siedlungsprojekt" in Thüringen
Eine nationalsozialistische Siedlung wollte "Nordadler" im thüringischen Mackenrode gründen. Mehrere Häuser sollten zu diesem Zweck erworben werden, glauben die Ermittler.
Dieses "Siedlungsprojekt" räumt S. im Interview mit Panorama 3 ein. Man wollte sich einen Rückzugsraum schaffen. Für 30.000 Euro kaufte die Lebensgefährtin des Beschuldigten Sch. im vergangenen Dezember ein Haus in Mackenrode.
Kontakt zu IS-Sympathisant
Der Terrorverdächtige Wladislav S. ist bei der Justiz in Niedersachsen kein Unbekannter: Im vergangenen Jahr verurteilte ihn das Landgericht Braunschweig zu 100 Sozialstunden. Er stand zusammen mit dem Salafisten und Ex-Neonazi Sascha L. vor Gericht, der Anschläge auf Polizisten geplant hatte. "Ich kannte ihn aus nationalsozialistischen Kreisen", sagt S. zu seiner Freundschaft zu IS-Anhänger L.
Auch Patrick Sch. hielt in der Vergangenheit mit seiner Gesinnung nicht hinterm Berg. Er trat in Schleswig-Holstein als Redner bei einer rechtsextremen Kundgebung auf, wie das Antifa-Portal "Exif" herausfand. Auf Facebook zitierte er zustimmend Reinhard Heydrich, den Leiter des Reichssicherheitshauptamts der Nazis mit diesem Satz: "Die Lösung aller Probleme ist nur möglich, wenn man als kompromissloser Nationalsozialist an sie herangeht."
Terroristische Vereinigung oder Maulhelden?
Doch wie gut waren die "Nordadler"-Aktivisten organisiert? S. spricht von einer losen Gruppe. Die Bundesanwaltschaft sieht das anders: "Nordadler" sei eine Vereinigung. Monatliche Mitgliedsbeiträge mussten die Angehörigen zahlen, wie die Beamten herausfanden. Ein Konto stand der mutmaßlichen Terrorzelle bei der Stadtsparkasse in Wedel in Schleswig-Holstein zur Verfügung. Mit der Kontonummer warb "Nordadler" auch offen um Spenden.
Im Internet richtete das 25-jährige "Nordadler"-Führungsmitglied Marco A. schon 2016 eine Drohung an seine Feinde: "Euch sei gesagt, eines Tages werdet ihr euch schon wundern, wozu wir Spinner im Stande sind. Heil Deutschland."
Ob es sich um rechtsextreme Maulhelden oder eine gefährliche Terrorzelle handelt, soll jetzt anhand der gefundenen Beweise ermittelt werden. Offenbar fand die Polizei bei der Razzia keine Schusswaffen. Die Bundesanwaltschaft wollte offenbar früh zuschlagen und nicht warten, bis die "Nordadler" ihre mutmaßlichen Ziele in die Realität umsetzen.