Borkenkäferwelle bedroht erneut Fichtenbestände in Harz und Solling
Auch in diesem Sommer kann es laut Experten wieder zu einer Massenausbreitung des Fichtenborkenkäfers kommen. Zuständige der niedersächsischen Wälder sind wenig überrascht, aber wachsam.
Der vergangene Winter war - wieder einmal - im Durchschnitt zu mild und zu trocken. Gute Bedingungen für den Fichtenborkenkäfer. Viele Tiere haben die Wintermonate überlebt und könnten sich in diesem Sommer erneut massenhaft vermehren. Zu dieser Einschätzung kommt das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, das Julius Kühn-Institut. Keine gute Nachricht für den Harz, der seit sechs Jahren unter dem Borkenkäfer leidet.
Wärme und Trockenheit begünstigen Borkenkäfervermehrung
Sechs bis acht Wochen dauert der Entwicklungszyklus des Borkenkäfers vom abgelegten Ei in der Borke bis zum Ausfliegen der neuen Borkenkäfergeneration - und bis zum Befall weiterer Bäume. Je wärmer und trockener es ab dem Frühjahr ist, desto schneller läuft der Prozess ab und desto mehr Zyklen folgen im Jahr. Ein Sommer wie in den Vorjahren könnte somit erneut viele von Trockenheit geschwächte Fichten durch den Borkenkäfer absterben lassen. Erste Indizien für eine erneut große Population liefern Zahlen des bundesweiten Borkenkäfer-Monitoring-Verfahrens, so Henrik Hartmann vom Fachinstitut Waldschutz am Julius Kühn-Institut.
Borkenkäfer haben inzwischen nur noch wenig Angriffsfläche im Harz
Die Nachricht über eine mögliche neue Borkenkäferwelle überrascht den Nationalpark Harz nicht. "Für unsere Waldflächen gehen wir davon aus, dass die Massenvermehrung des Fichtenborkenkäfers bald zu Ende geht. Hier sind schon 90 Prozent des Fichtenaltbestandes abgestorben. Dem Käfer bleibt nicht mehr viel Angriffsfläche", so Nationalparksprecher Martin Baumgartner. Als Nationalpark sehe man den Borkenkäfer als Teil des Wald-Ökosystems mit wichtigen Funktionen, deshalb gehe man im Harz nicht gegen ihn vor.
Ein Lauf gegen die Zeit und den Borkenkäfer
Anders in den wirtschaftlich genutzten Harzwäldern der Niedersächsischen Landesforsten. Hier sind 80 Prozent des Fichtenaltbestandes zerstört. Man tue alles dafür, um die übrigen gesunden 20 Prozent zu schützen, berichtet Sprecher Michael Rudolph vom Forstamt in Clausthal. "Wir laufen Woche für Woche unsere Waldbestände ab. Das ist eine Sisyphusarbeit. Wir müssen jeden einzelnen Baum frühzeitig auf Borkenkäferbefall kontrollieren. Ist einer befallen, wird er schnellstmöglich mit Maschinen aus dem Wald gebracht." Es komme auf Schnelligkeit an, ein befallener Baum kann in kürzester Zeit 600 weitere in der Nähe "mit Borkenkäfern anstecken", so Rudolph.
Seit 2018 sechs Millionen befallene Bäume gefällt
Allein in diesem Jahr hat das Forstamt Clausthal 100.000 Kubikmeter Holz zwangsweise geerntet. In den vier Forstämtern im Harz wurden seit 2018 sechs Millionen Kubikmeter Holz aufgrund von Borkenkäferbefall gefällt. Das sind rund sechs Millionen einzelne Bäume. Auf Karten halten die Landesforsten seit Jahren grafisch ihren Fichtenbestand fest. Rot markiert sind abgeholzte Flächen, grün die noch gesunden Wälder. "Intakte Fichtenbestände gibt es nur noch hier im Nordwesten des Harzes bei Clausthal, Seesen, Wildemann und Lautenthal - weit weg vom Nationalpark", so Rudolph.
Auch Fichtenbestand im Solling bedroht
Auch im Solling, wo der zweitgrößte Fichtenbestand Niedersachsens zu finden ist, wird der Borkenkäfer zur Gefahr. Laut Michael Rudolph ist die Ausgangssituation dort für die Landesforsten etwas besser. So sei der Fichtenanteil in den Wäldern nicht so einseitig hoch wie im Harz. Außerdem habe man keine Nachbarn wie Nationalparks, Stadt- und Privatwälder und könne somit allein über die Strategie im Umgang mit dem Borkenkäfer entscheiden. Diese sei wie im Harz: befallene Bäume schnell entfernen. Damit halte man im Solling die Borkenkäferpopulation bisher auf geringem Niveau, sagte Rudolph.