Wohnungsmarkt: Situation in Niedersachsen spitzt sich zu
Alleinerziehende, Studierende und Rentner haben bei Wohnungsbesichtigungen keine Chance. Aber auch Menschen mit durchschnittlichem Einkommen finden in der Stadt keinen geeigneten Wohnraum mehr.
Mehr als 20 Wohnungen haben Klaus und Fatma Zander aus Hannover bereits besichtigt, bisher jedoch ohne Erfolg. "Eine vernünftige Wohnung zu einem bezahlbaren Preis zu bekommen, ist schwierig", erzählt Klaus Zander. Dabei verfügen beide über das nötige Kleingeld. Er war selbstständig, sie hat als Filialleiterin gearbeitet. Eigentlich eine gute Ausgangssituation, doch die beiden Rentner werden trotzdem nicht fündig. "Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt überhaupt nicht", sagt Fatma. Wenn doch, dann seien 20 oder 30 Mitbewerber bei einer Besichtigung. "Die Wohnung dann auch zu bekommen, ist eine andere Frage", sagt Klaus Zander.
Zu wenig Wohnungen, zu hohe Mieten
Erfahrungen, die längst kein Einzelfall mehr sind. Die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen in Städten wie Hannover, Braunschweig, Oldenburg oder Osnabrück ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Der Wohnungsbau kann mit diesem Zuzug nicht Schritt halten. Verschärft wird die Lage dem Verband der Wohnungswirtschaft Niedersachsen zufolge durch den Bevölkerungszuwachs und die Verkleinerung der Haushalte. "Im städtischen Bereich gibt es viele Einpersonenhaushalte, während wir früher deutlich mehr Familien und Zwei-Personen-Haushalte hatten", erklärt Susanne Schmitt, Verbandsdirektorin.
Verpasste Chancen im sozialen Wohnungsbau
Zudem sinke die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahren dramatisch. Nach einer aktuellen Studie ist der Bestand in Niedersachsen seit 2017 von über 82.000 auf rund 51.000 Wohnungen gesunken. Der Grund: Jedes Jahr fallen weitere Wohnungen aus der Sozialbindung, während gleichzeitig kaum neue und bezahlbare Wohnungen gebaut werden. "Es gab damals Vorhersagen, dass die demografische Entwicklung ganz anders ist, dass wir weniger werden", sagt Susanne Schmitt. In einer Zeit von steigenden Leerständen habe sich die Politik deshalb zunehmend aus der Förderung von sozialem Wohnraum gezogen. Das habe besonders für einkommensschwache Haushalte Folgen, sagt Kerstin Tack vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. "Über 500.000 Menschen in Niedersachsen wären in der Armutsquote mehr betroffen, wenn man die Wohnsituation mit einberechnet", erzählt sie.
Warum wird jetzt nicht mehr gebaut?
In den vergangenen Jahren sind zudem die Baukosten massiv gestiegen. Baustoffe wie Holz, Stahl, Beton oder Glas sind durch globale Lieferkettenprobleme teurer geworden. Geopolitische Krisen verstärken das Problem zusätzlich. "Wir haben zudem regulatorische Anforderungen der Politik, die auch die Kosten im Genehmigungsverfahren und im Bauverfahren in die Höhe treiben", kritisiert Susanne Schmitt vom Verband der Wohnungswirtschaft Niedersachsen. Das "Hin und Her" bei politischen Entscheidungen wie dem Heizungsgesetz sei schädlich für den Markt. "Was machen denn Eigentümer, wenn sie nicht wissen, was für Anforderungen ihre Immobilien erfüllen müssen? Sie warten ab", so Schmitt.
Die Baukosten gehen durch die Decke
Kritik am politischen Handeln gibt es auch vom Pestel-Institut. "Wenn das bereits 2019 formulierte Ziel eines Sozialwohnungsbestandes von zwei Millionen Wohnungen 2030 erreicht werden soll, dann müssen ab 2025 jährlich 210.000 Sozialwohnungen entstehen", sagt Matthias Günther, Chef-Ökonom des Instituts mit Sitz in Hannover. Das sei ohne eine deutliche Erhöhung der Mittel von Bund und Ländern kaum zu schaffen. Zudem kritisiert er die hohen Standards im Bereich der Nachhaltigkeit. Die würden die Baukosten auf rund 5.000 Euro pro Quadratmeter treiben. Obwohl viele dieser Standards weder vorgeschrieben noch notwendig seien. Ein Desaster für viele Eigentümer, sagt Susanne Schmitt vom Verband der Wohnungswirtschaft. Denn um das wieder reinzuholen, seien Mietpreise von 19 Euro pro Quadratmeter notwendig.
Mittelschicht gerät zunehmend unter Druck
Von dieser Entwicklung sind Haushalte mit geringem Einkommen besonders betroffen, darunter Alleinerziehende, Studierende und Rentner. Doch auch Familien mit durchschnittlichem Einkommen geraten zunehmend unter Druck. Das merkt nun auch das Ehepaar Zander. "Es wird unterdurchschnittlicher Wohnraum zu einem überdurchschnittlichen Preis angeboten. Das kann doch nicht sein", sagt Klaus Zander. Beide hoffen nun schnell eine Wohnung zu finden. Das würde dann auch wieder Familien zugutekommen. Denn Klaus und Fatma Zander leben noch in einer großen Wohnung in der Stadt. Eine Immobilie, auf die viele warten.
Die Pläne der SPD
Die Parteien verfolgen unterschiedliche Ansätze, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen. Die SPD will mehr bezahlbare Wohnungen schaffen, indem die Mietpreisbremse unbefristet verlängert und die maximale Mietsteigerung gedeckelt wird. Zudem sollen der soziale Wohnungsbau und die Wohnungsgenossenschaften durch Geld aus einem "Deutschlandfonds" unterstützt werden.
Die Pläne der CDU
Die CDU setzt in ihrem Parteiprogramm auf weniger Bürokratie und ein entschlacktes Bauordnungs- und Raumordnungsrecht. Zudem soll Bauen wieder bezahlbar werden. Der Energieeffizienzstandard EH55 für Neubauten soll zwar beibehalten aber wieder förderfähig werden.
Die Pläne der Grünen
Die Mietpreisbremse soll verlängert werden und auch für Wohnungen gelten, die älter als fünf Jahre sind. Zudem sollen Mieter besser geschützt und gemeinnütziges und genossenschaftliches Wohnen unterstützt werden.
Die Pläne der FDP
Die FDP will, dass die Mietpreisbremse ausläuft. Zudem wollen die Liberalen beschleunigte Genehmigungsverfahren und niedrigere Standards, um den Wohnungsbau zu fördern.
Die Pläne der AfD
Nach Vorstellung der AfD soll es weder eine Mietpreisbremse noch einen Mietendeckel geben. Bei der Vergabe von Grundstücken sollen "Einheimische" bevorzugt werden. Einkommensschwache Mieter sollen über das Wohngeld gefördert werden.
Die Pläne der Linken
Die Linke will bundesweit 20 Milliarden Euro im Jahr in gemeinnützigen Wohnraum investieren. Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen sollen in öffentliches Eigentum überführt werden. Die Sozialbindung von Wohnungen soll dauerhaft erhalten bleiben.
Die Pläne des BSW
Das BSW will gemeinnützige und kommunale Wohnungsbauunternehmen günstigere Kredite für den Wohnungsbau verschaffen. Zudem sollen die Mieten dort eingefroren werden, wo bezahlbarer Wohnraum knapp ist.
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