Wiebke Osigus - zwischen Bad Bentheim, Berlin und Brüssel
Sie ist die größte Überraschung im rot-grünen Kabinett: Dass Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sie zur neuen Europaministerin macht, damit hätte vorher kaum jemand gerechnet. Wer ist Wiebke Osigus (SPD)?
Es ist ein kalter Januartag, die Straßen im Regierungsviertel in Berlin sind gut gefüllt. Wiebke Osigus fährt vor. Gut eine Dreiviertelstunde zu spät. Das liegt nicht an ihr, sondern an der Deutschen Bahn. Gleise sind gesperrt, die Europaministerin musste aufs Auto umsteigen. Weil es ein E-Auto ist, klappt es nicht ohne Ladestopp. Als sie aussteigt, nimmt sie die Situation mit Humor. Und sagt das, was sie häufiger sagt: "Alles der Reihe nach. Alles zu seiner Zeit."
Das "Sonnenscheinministerium" hilft, bevor es zu spät ist
Ihr Ministerium ist anders als das ihrer Kolleginnen und Kollegen. Während es im Innenministerium um die Polizei, die innere Sicherheit, den Schutz der Menschen geht, sich das Sozialministerium mit der Pandemie und den Auswirkungen auf die Gesellschaft befasst und sich das Kultusministerium um die Schulen und Kitas kümmert, hat Osigus keine Gruppe, für die sie zuständig ist. Vielmehr ist sie die Schnittstelle zwischen den Häusern. Digitalisierung, medizinische Versorgung - dort, wo es im ländlichen Raum hakt, organisiert sie Geld aus Europa. Sie bezeichnet ihr Haus deshalb auch als "Sonnenscheinministerium". Als eines, das nicht dadurch auffalle, dass es "Brände löschen muss", sondern dadurch, dass es helfe, bevor es zu spät sei.
Mit Fördermitteln das Innenstadtsterben aufhalten
So wie in Wunstorf - ihrem Wahlkreis. Dort hat das Land bereits in der vergangenen Legislatur investiert - um dem Sterben der Innenstädte entgegenzuwirken, um sie wiederzubeleben. Wiebke Osigus ist zum Rundgang gekommen. Sie verschafft sich einen Überblick, was mit dem Geld bisher geschehen ist. Sie guckt sich einen ehemaligen Matratzenladen an - der ist jetzt Pop-up-Store und Co-Working-Space. Bürgermeister Carsten Piellusch (SPD) ist überzeugt: Seit gezielt durch das Land gefördert wird, passiere hier etwas. Das Geld helfe, neue Geschäfte siedelten sich an.
Ländlicher Raum ist Osigus' Herzensangelegenheit
Den Kleinstädten und Dörfern wieder mehr Leben einzuhauchen - das ist der Schwerpunkt, den sich Wiebke Osigus für die kommenden fünf Jahre gesetzt hat. Dabei spielt sicher auch ihre eigene Biografie eine Rolle. "Ich bin in der Tat sehr dörflich sozialisiert. Und das ist auch das, wo ich die Zukunft und den Handlungsbedarf sehe", sagt die 41-Jährige.
Osigus gewinnt Wahlkreis zweimal direkt
Die Sozialdemokratin bezeichnet sich selbst als Quereinsteigerin. Zuerst hat sie sich im Kirchenvorstand und Kindergarten engagiert, bis sie dann 2017 als jüngste Abgeordnete in den Landtag gewählt wurde. Damals ist sie 36 - fünf Jahre später ist sie Ministerin. Ein politischer Schnellstart also. Kritische Stimmen fürchten, sie sei zu unerfahren, habe sich übernommen. Wiebke Osigus gibt sich selbstbewusst: "Ich habe relativ schnell viel Vertrauen und Zutrauen und auch viel Verantwortung bekommen. Ich bin zweimal direkt gewählt worden von den Bürgerinnen und Bürgern, das ist ein Vertrauensvorschuss und das treibt mich auch an." Die Sozialdemokratin trifft ihre Aussagen sehr bedacht. Manchmal wirkt sie dabei zurückhaltend und kontrolliert.
Menschen im Wahlkreis sind stolz auf die Ministerin aus der Region
Im Wahlkreis freut man sich darüber, dass die Ministerin aus der Region kommt. Wiebke Osigus besucht die Jubiläumsfeier des Café Vielfalt. Sie sagt, hier sei es wie nach Hause kommen. Hier habe sie ihre ersten politischen Gehversuche gemacht. Pastor Christoph Bruns sagt: "Ich finde es cool, dass wir hier bei uns eine Frau haben, die unser Land in Europa vertritt." Osigus führt Gespräche, drückt Menschen, die sie schon lange kennt. Diese Treffen sind wichtig: Denn sie sind genau das, was Osigus braucht, um als Ministerin erfolgreich zu sein - ein Netzwerk, nicht nur in Europa und Berlin, sondern vor allem in Niedersachsen.