VW, Katar und Niedersachsen: Das Schweigen der Großaktionäre
Volkswagens Anteilseigner Katar gilt als Unterstützer der Hamas - und sitzt gemeinsam mit Betriebsrat und Land Niedersachsen im VW-Aufsichtsrat. Warum wagen Volkswagen und die Politik keine öffentliche Kritik?
Für die Beteiligten ist es eine heikle Angelegenheit: Einerseits gilt Katar seit Jahren als verlässlicher Partner im VW-Aufsichtsrat. Das Emirat hält 17 Prozent der Anteile am Autokonzern. Freundlich im Ton, unauffällig im Auftreten seien die Vertreter aus Katar, heißt es aus dem Umfeld des Gremiums. Andererseits wird dem Emirat immer wieder vorgeworfen, islamistische Terrorgruppen zu finanzieren. Katar weist das zurück. Vor dem Hintergrund des Angriffs auf Israel wird nun deutlich: Offene Kritik an Katar ist in Wolfsburg nicht vorgesehen.
Die Politik des Emirats kommentiere der Autokonzern nicht
Sowohl der Konzern als auch die Arbeitnehmerseite haben öffentlich ihre Solidarität mit Israel bekundet. Klare Worte an Katar gibt es dagegen nicht. Von Volkswagen heißt es in einer schriftlichen Mitteilung, dass der Aktionär Katar als langfristiger Investor die Unternehmensstrategie des Konzerns vollumfänglich mittrage. Entscheidungen darüber hinaus oder die Politik des Emirats kommentiere der Autokonzern nicht. Auch vom Land Niedersachsen, dem zweitgrößten Aktionär bei VW, heißt es: Kein Kommentar.
In der Wirtschaft sei Zurückhaltung geboten
Intern ist man sich bei Volkswagen sicher bewusst, dass das ein schwieriger Spagat ist. Trotzdem ist aus dem Umfeld des Aufsichtsrats zu hören: Sich mit dem langjährigen Partner Katar anzulegen, bringe nichts und führe im schlimmsten Fall zu verhärteten Fronten. Das Emirat könne ein wichtiger Akteur in Verhandlungen um die mögliche Freilassung von Geiseln aus dem Gaza-Streifen sein, heißt es. Auch, wenn das teilweise schwerfalle: In der Wirtschaft sei nun Zurückhaltung geboten, um die Bemühungen auf politischer Ebene nicht zu erschweren.
Wie verhält sich Katar im weiteren Verlauf des Konflikts?
Die Zurückhaltung der Akteure können Aktionärsvertreter nachvollziehen: "Alle sind im Augenblick besorgt, das Falsche zu sagen oder zumindest nicht das Richtige", sagt Marc Tüngler vom Aktionärsschützerverein DSW. Volkswagen selbst sei weder Konfliktpartei noch aufgerufen, diesen Konflikt zu lösen. Trotzdem, findet Tüngler, müssten sich die anderen Großaktionäre wie das Land Niedersachsen langfristig "die Frage stellen, ob sie mit einem solchen Aktionär wirklich gemeinsam ein Unternehmen besitzen möchten". Deswegen sei es besonders wichtig, jetzt zu beobachten, wie sich Katar im weiteren Verlauf des Konfliktes verhalte. Auch Autoexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management findet das öffentliche Schweigen bei Volkswagen richtig. "Es ist in dieser politisch sehr aufgeheizten Situation eigentlich nicht angeraten, noch weiter Öl ins Feuer zu gießen." Grundsätzlich findet Bratzel, dass die Wirtschaft es sich auch nicht leisten könne, mit dem moralischen Zeigefinger auf andere zu zeigen. Wenn man jeden Investor nach seinen politischen Vorlieben und Absichten befragen würde, so Bratzel, wären Geschäfte entlang der Wertschöpfungskette der Automobilindustrie "fast unmöglich".
Business as usal und Solidarität mit Israel
Der Wirtschaftsethiker Dominik Enste vom Institut der deutschen Wirtschaft nennt das ein "typisches Dilemma" in den Unternehmen. Denn moralische Ziele und wirtschaftliche Realitäten passen nicht immer zusammen. Solange Katar politisch eine Rolle spiele und die Bundesregierung keine Regulierungen oder Verbote in Richtung Katar ausspreche, sei das für Unternehmen auch "eine gute Möglichkeit, sich dahinter zu verstecken", sagt Enste. Unternehmen könnten dann auf der einen Seite business as usual betrieben und auf der anderen Seite Israel unterstützen. Das sei "problematisch und herausfordernd". Aber: Eine einfache Lösung, sagt der Wirtschaftsethiker Enste, gebe es nicht.