Prozesse um VW: Wie viel darf ein Betriebsrat verdienen?
Betriebsräte und Unternehmen aus ganz Deutschland schauen mit Spannung auf drei Arbeitsgerichtsprozesse in Niedersachsen. Der Ausgang könnte richtungsweisend sein für die Zukunft der Arbeit im Betriebsrat.
In Braunschweig und in Emden klagen VW-Betriebsräte dagegen, dass das Unternehmen ihre Bezüge gekürzt hat. Es sind die ersten von zahlreichen Verfahren, die noch folgen werden; allein in Braunschweig rechnet die Justiz mit circa 25 Arbeitsgerichtsverfahren. Dabei sind die Summen, um die es geht, überschaubar: In Braunschweig klagt ein Betriebsrat aus Wolfsburg dagegen, dass sein Monatsentgelt um 640 Euro gekürzt wurde. Bei einem Betriebsrat aus Salzgitter geht es um 280 Euro monatlich.
"Hypothetische Karriere" von Betriebsrat
VW hat die Bezüge der Betriebsräte gekürzt, um sich nicht selber strafbar zu machen. Denn: der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Januar eine in vielen Unternehmen geltende Praxis in Frage gestellt: die sogenannte "hypothetische Karriere". Danach hätten sich Betriebsräte, wären sie nicht freigestellt worden, in ihrem alten Job ja beruflich weiterentwickelt. Das sollte sich im Entgelt niederschlagen und so rutschten viele Betriebsräte im Laufe der Jahre in der Gehaltstabelle nach oben.
Personalentscheidern droht eine Anklage wegen Untreue
Nach dem BGH-Urteil aber könnte genau das strafbar sein: Bei den Betriebsratsgehältern seien strenge Maßstäbe anzulegen, so der BGH. Die Annahme einer "hypothetischen Karriere" alleine rechtfertige danach keine höheren Bezüge. Personalentscheidern, die dagegen verstoßen, droht eine Anklage wegen Untreue.
Wann ist eine Gehaltserhöhung gerechtfertigt?
Wie aber sieht eine gerechte Entlohnung von langjährigen Betriebsräten aus? Da bleibt der BGH vage: Im Urteil heißt es lediglich, eine Gehaltserhöhung sei dann gerechtfertigt, wenn "die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer eine solche erreicht hat". Was das für die Praxis heißt, das müssen nun die Gerichte in Braunschweig und Emden entscheiden.
Betriebsrat als berufliche Sackgasse?
Bei vielen Betriebsräten hat das BGH-Urteil für Empörung gesorgt: Die Arbeit im Betriebsrat drohe zur beruflichen Sackgasse zu werden, heißt es etwa beim VW-Betriebsrat, ein Engagement als Arbeitnehmervertreter sei nach diesem Urteil möglicherweise nicht mehr attraktiv. Wie die Arbeitsgerichte nun entscheiden, könnte die Weichen stellen für die weitere Arbeit der Betriebsräte.
VW-Betriebsrat fordert klare Maßstäbe für gerechte Entlohnung
Heiko Lossie, Sprecher des VW-Konzernbetriebsrates, fordert, dass die Frage der Betriebsratsgehälter auf eine klare gesetzliche Grundlage gestellt werden muss: Das Betriebsverfassungsgesetz müsse novelliert werden und klare Maßstäbe setzen für eine gerechte Entlohnung von Betriebsräten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat genau hierfür eine Kommission ernannt, die Reformvorschläge ausarbeiten soll.