Probleme mit der Handschrift: Verbände wollen Förderung für Kinder
Viele Schulkinder haben Probleme, mit der Hand zu schreiben. Mehrere Verbände in Niedersachsen sehen dringenden Nachholbedarf und fordern eine bessere Förderung in allen Klassenstufen.
"Viele Erstklässler können keine Buchstaben malen", sagte Torsten Neumann vom Verband Niedersächsischer Lehrkräfte dem NDR Niedersachsen. Neumann, der auch Direktor der Anne-Frank Oberschule in Bergen (Landkreis Celle) ist, sieht einen Grund dafür in der heterogenen Struktur der Klassen. "Sie haben es mit Disziplinproblemen zu tun, mit Streitereien, mit Kindern, die ihre Materialien nicht herausholen können." So kämen die Lehrkräfte viel zu wenig dazu, die Handschrift zu fördern. Das müsse sich ändern.
Große motorische Probleme
Die Probleme sehe er auch noch in der 5. Klasse, sagte Christoph Rabbow vom Philologenverband. "Ich muss auch auf der weiterführenden Schule noch auf die Handschrift eingehen", sagte der Schulleiter des Vincent-Lübeck-Gymnasiums in Stade. Rabbow beobachtet im Chemieunterricht viel mehr Glasbruch als noch vor einigen Jahren. Eine Folge der schlechten Motorik, die über die Handschrift und die Haptik gelernt werden müsse. Die Verbindung zwischen Gehirn und Händen sei wichtig. Darin sind sich die beiden Lehrkräfte einig.
Verband fordert schnelle Lösung von Politik
Die Probleme beim Handschreiben sind laut des niedersächsischen Landesvorsitzenden des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Franz-Josef Meyer, nicht neu und nehmen immer weiter zu. "Jahrelange Unterfinanzierung und der Mangel an Lehrkräften erschweren individuelle Förderung, wie sie für das Erlernen der Handschrift unerlässlich ist", sagte er in einer Mitteilung. Hinzu komme die Herausforderung, geflüchtete Kinder und Jugendliche zu fördern. Meyer fordert daher schnelle Lösungen von der Politik. Für eine kurzfristige Hilfe verweist der Verband auf ein Lernprogramm im Internet - für Kinder und Eltern.
Handschrift hat positive Effekte
Laut VBE hat Schreiben mit der Hand positive Auswirkungen auf die Rechtschreibung, das Textverständnis und den Wissenserwerb. Außerdem werde dadurch die Gehirnfunktion angeregt und die kognitive Entwicklung gefördert. Dennoch lässt die Schreibfähigkeit per Hand bei vielen Schulkindern nach: Eine Studie des Verbandes aus dem Jahr 2022 belegte, dass mehr als jeder zweite Junge und fast jedes dritte Mädchen Probleme beim Schreiben hat. Meyer zufolge ist fast die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I nicht mehr in der Lage, länger als eine halbe Stunde ohne Beschwerden mit der Hand zu schreiben. Besondere Schwierigkeiten gibt es demnach bei der Schreibstruktur, dem Tempo und der Leserlichkeit der Handschrift. Nach der Corona-Pandemie hätten sich diese Probleme nochmals verstärkt.
Kultusministerin sieht auch Eltern in der Pflicht
Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Bündnis90/Die Grünen) sieht das Problem. Kinder hätten nicht mehr die Routine, weil der Stift zuhause beim Malen und Zeichnen nicht mehr so häufig in die Hand genommen werde wie früher, sagte die Ministerin. Aber Schulen hätten klare Vorgaben. Das Erlernen der Handschrift werde sehr ernst genommen. Dafür gebe es auch zusätzliches, nicht lehrendes Personal. Kinder kämen aber oft in die Schule mit erheblichen Lernbedarfen. Hier spiele die Begleitung außerhalb der Schule eine entscheidende Rolle für den Lernerfolg. "Eltern müssten zuhause ihren Kindern den Stift in die Hand geben", sagte Willie Hamburg.
