Meyer Werft: Aus dem Familienunternehmen wird ein Staatskonzern

Stand: 19.08.2024 12:30 Uhr

Über den Einstieg von Bund und Land bei der existenzbedrohten Meyer Werft wird hart verhandelt. Wahrscheinlich ist, dass der Staat das Unternehmen aus Papenburg mehrheitlich übernimmt.

von Thomas Stahlberg, Christina Gerlach, Hilke Janssen und Annette Deutskens

Seit Wochen laufen in Hannover täglich Krisengespräche zur angeschlagenen Meyer Werft. Das Thema sei sehr komplex und zeitintensiv, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Ein Ergebnis stehe aber noch nicht fest. Dass das Land Niedersachsen das Unternehmen retten will, ist klar. Die Frage ist aber, wie genau.

Weitere Informationen
Christina Gerlach © Screenshot
2 Min

Angeschlagene Meyer Werft: Neuer Großauftrag von Disney

Der Disney Konzern will offenbar vier Kreuzfahrtschiffe bauen lassen. Für 2.500 Passagiere, betrieben mit Flüssig-Erdgas. (12.08.2024) 2 Min

Staatlicher Einstieg so gut wie sicher

Bis zum 15. September muss die Meyer Werft frisches Geld bekommen, um eine Pleite abzuwenden. Ein privater Investor, der sich am Papenburger Unternehmen beteiligen will, ist nicht in Sicht. Darum werden Land und Bund die klamme Werft sehr wahrscheinlich stützen. Nötig ist einerseits eine Bürgschaft in Höhe von gut zwei Milliarden Euro, die Bund und Land jeweils zur Hälfte übernehmen müssten. Andererseits braucht die Meyer Werft frisches Eigenkapital. In den Gesprächen geht es um rund 400 Millionen Euro. Damit würde der Staat nach Informationen des NDR Niedersachsen die deutliche Mehrheit der Werft übernehmen.

Wirtschaftsminister Lies: Staat will im Konzern mitreden

Wie hoch der staatliche Anteil an der Meyer Werft wird, will Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) nicht kommentieren. Im Interview mit NDR Niedersachsen stellt er aber klar: "Wenn die öffentliche Hand Eigenkapital gibt, muss sie auch in der Lage sein, unternehmerische Entscheidungen mit zu treffen." Ziel sei es, dass eine Meyer Werft weiter existiert und dass in Papenburg weiter erfolgreich Schiffe gebaut werden. Es gehe jetzt darum, dass "alle Beteiligten ihren Beitrag leisten", damit die Werft zukunftsfähig aufgestellt werde, so Lies. Heißt wohl im Klartext: Die Werft wird bald kein Familienunternehmen mehr sein.

Firmen-Chef ringt um sein Lebenswerk

Für Senior-Chef Bernard Meyer sei das "bitter", heißt es aus Kreisen der Landespolitik, aber auch "alternativlos". Nach Informationen des NDR Niedersachsen will der Patriarch aus dem Emsland eine Übernahme nicht klaglos hinnehmen. Auf einer Info-Veranstaltung hatte der 76-Jährige davon gesprochen, "enteignet" zu werden. Meyers abwehrende Haltung sei nachvollziehbar, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel von der Uni Bremen. "Da geht es um sein Lebenswerk, und das sieht er bedroht", so Hickel gegenüber NDR Niedersachsen. Meyer müsse aber sehen, dass der staatliche Einstieg keine Zerstörung seines Lebenswerks ist, sondern "im Interesse der Familie" sei.

Kritik am "Staat als Unternehmer"

Kritische Stimmen, die einen Einstieg von Bund und Land für falsch halten, gibt es eher außerhalb Niedersachsens. Der Staat als Unternehmer? "Wir haben in Deutschland die Erfahrung gemacht, dass das in der Regel nicht funktioniert", sagt etwa Christoph Schalast, Professor für Unternehmensübernahmen an der Frankfurt School of Finance and Management. Klüger wäre aus Sicht von Schalast eine geordnete Insolvenz. Die sei eine Chance, sich neu aufzustellen und zu entschulden. Eine Insolvenz, betont Schalast, bedeute nicht automatisch das Ende des Unternehmens.

Weitere Informationen
Mitarbeiter der Meyer Werft beobachten, wie die "Norwegian Breakaway" den Hafen der Meyer Werft in Papenburg (Niedersachsen) durch die Dockschleuse verlässt. © dpa-Bildfunk Foto: Carmen Jaspersen

Meyer Werft: Übernehmen Bund und Land 90 Prozent der Anteile?

Die Suche nach einem Investor stockt. Die Papenburger Werft braucht bis Mitte September Geld, um Löhne zahlen zu können. (15.08.2024) mehr

Das Kreuzfahrtschiff "Disney Dream" liegt im Dock der Meyer Werft in Papenburg. © picture alliance / dpa | Ingo Wagner Foto: Ingo Wagner

Auftrag für vier neue Kreuzfahrtschiffe: Rettung für Meyer Werft?

Die Papenburger haben den Auftrag für Disney Cruise Line. Dieser könnte sich auf mögliche Hilfen von Bund und Land auswirken. (13.08.2024) mehr

Ein Kreuzfahrtschiff verlässt das überdachte Baudock der Meyer Werft. © picture alliance/dpa | Lars Penning Foto: Lars Penning

Meyer Werft ändert Firmenstruktur und verlegt Sitz nach Papenburg

Geplant ist eine Dachgesellschaft unter anderem mit der Firmentochter Neptun. Die Werft will so ihr Eigenkapital stärken. (31.07.2024) mehr

Die Meyer Werft im Papenburg. © NDR Foto: Sebastian Duden

Meyer Werft: Berliner Haushaltspolitiker plädieren für Rettung

Angesichts des Sanierungsgutachtens sprechen sie sich für Hilfen des Bundes aus. Eine Entscheidung könnte bald fallen. (24.07.2024) mehr

Eine Luftaufnahme zeigt die Meyer-Werft in Papenburg. © picture alliance/dpa Foto: Tobias Bruns

Meyer Werft: Kanzler Scholz stellt Unterstützung in Aussicht

Für Scholz hat das Thema "Top-Priorität". Er zeigt sich überzeugt von der Zukunftsfähigkeit des angeschlagenen Papenburger Schiffsbauers. (24.07.2024) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 15.08.2024 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Schiffbau

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Ein Schild mit der Aufschrift «Justizvollzugsanstalt für Frauen» ist am Eingang zur Justizvollzugsanstalt Vechta zu sehen. © Jörn Hüneke/dpa/picture alliance Foto: Jörn Hüneke

Verteidigung: Mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin Klette angeklagt

Die Staatsanwaltschaft Verden wirft ihr laut Verteidigung versuchten Mord, unerlaubten Waffenbesitz und schweren Raub vor. mehr