Kinder müssen monatelang auf HNO-Operationen warten
Die Krankenkassen haben Anfang des Jahres die Honorare für ambulante HNO-Operationen für Kinder gekürzt. Ärztinnen und Ärzte zahlen drauf - und wollen das nicht länger mitmachen.
Leidtragend sind die Kinder und deren Familien, die zum Teil monatelang auf Termine für die wichtigen Eingriffe warten müssen. Für das Einsetzen sogenannter Paukenröhrchen, einem der häufigsten Eingriffe in Deutschland, gibt es etwas mehr als 100 Euro. Das deckt die Kosten für die ambulante Operation nicht, beklagen Ärztinnen und Ärzte. Schon vor der Honorarkürzung hätten sich die Operationen finanziell nicht gelohnt, macht der Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte deutlich. Seit der Kürzung ruft er zum Streik auf. Das Ziel: Politik und Krankenkassen dazu zu bewegen, mehr für die HNO-Kinderchirurgie zu bezahlen.
HNO-Verband: Ärzten bleiben pro OP zehn bis 20 Euro brutto
Kindheit bedeutet Infektionszeit. Viele Kinder leiden unter vergrößerten Polypen, Gaumenmandeln oder häufigen Mittelohrentzündungen. Mit ambulanten Operationen, die meist nur eine halbe Stunde dauern, kann Abhilfe geschaffen werden. Von dem Honorar müssen die Niedergelassenen unter anderem einen Raum mieten sowie die Sterilisation der Instrumente und die OP-Assistenz bezahlen. Unterm Strich blieben dem Berufsverband der HNO-Ärzte zufolge nur etwa zehn bis 20 Euro für die Operateurin oder den Operateur - und davon müssten noch Steuern und Versicherung bezahlt werden.
HNO-Arzt: Behandlung von Kindern ist "Hobby"
Waldemar Würfel, HNO-Arzt aus Hildesheim, sagt, seit der Honorarkürzung denken mehr Ärztinnen und Ärzte darüber nach, ob sie Eingriffe bei Kindern überhaupt noch durchführen. "Wir können keine kostendeckenden Operationen durchführen. Und der nächste wirtschaftliche Schritt in einem Betrieb ist, zu überprüfen, ob man sich das noch leisten kann." Noch operiert Würfel Kinder, hat die Zahl der Eingriffe aber auch reduziert. Er verdient sein Geld mit besser honorierten Operationen bei Erwachsenen. Die Eingriffe bei Kindern seien wie ein "Hobby" - er müsse draufzahlen. "Das kann es nicht sein", kritisiert Würfel. Seine Kolleginnen und Kollegen, die hauptsächlich Kinder operieren, könnten unter diesen Umständen nicht mehr arbeiten.
Lange Wartezeiten für Eltern und Kinder
Dass immer weniger Medizinerinnen und Mediziner die Eingriffe durchführen, bekommen Eltern und Kinder zu spüren. Sie müssen mitunter mehrere Monate auf einen Termin warten. So wie Thomas Lebahn. Bis zur Operation seines vierjährigen Sohnes vergingen drei Monate. Dabei hatte er noch Glück: Denn er ist zufällig in eine Terminlücke gerutscht. Die ursprüngliche Wartezeit: ein halbes Jahr. Lebahns Sohn litt unter Atemaussetzern, schnarchte laut und konnte schlecht hören. Er hatte Flüssigkeit im Ohr. "Man wartet und wartet und fragt sich, wieso das Kind, das leidet, nicht einfach einen Termin bekommen kann."
Ohne Operation drohen Verzögerungen in der Entwicklung
Werden die Kinder nicht operiert, hat das unter Umständen Folgen: Durch das schlechte Gehör könne es zu sprachlichen Entwicklungsverzögerungen kommen, sagt Hans-Jürgen Welkoborsky, Chefarzt für HNO-Heilkunde im Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover. Auch dort macht sich die Situation bemerkbar. Sind die Kinder keine Notfälle, kann es auch hier zu mehreren Monaten Wartezeit kommen. Auch in den Kliniken seien die Eingriffe nicht kostendeckend, so Chefarzt Welkoborsky. Pro Eingriff müsste es 400 bis 500 Euro mehr geben. Der Chefarzt sagt: "Die Behandlung von Kindern wird grundsätzlich nicht ausreichend honoriert."
Kliniken haben Verständnis für niedergelassene Ärzte
Anke Lesinski-Schiedat, ärztliche Leiterin des Hörzentrums der Medizinischen Hochschule Hannover, bekommt die Auswirkungen der angespannten Situation ebenfalls zu spüren. "Pro Tag haben wir sicherlich zwei bis drei Operationen mehr, die wir noch reinquetschen müssen, um das zu kompensieren. Und dann sind noch nicht alle Patienten so behandelt, wie das die niedergelassenen normalerweise anbieten können." Lesisnki-Schiedat hat trotz Mehrarbeit Verständnis für ihre niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen - die Lage werde für sie immer angespannter.
Kassen kritisieren HNO-Ärzte
Weniger Verständnis haben indes die Kassen. Sie beklagen, die Situation werde auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Simon Kopelke, Sprecher des Verbands der Ersatzkassen in Niedersachsen, macht deutlich, dass Vertragsärzte nicht einfach Leistungen kürzen dürfen. Außerdem gebe es seit diesem Jahr mehr Geld für andere ambulante Eingriffe - wie beispielsweise eine Nasenscheidewand. "Wir Krankenkassen haben in diesem Jahr 60 Millionen Euro extra für ambulante Operationen zur Verfügung gestellt. Es wird im Moment noch über Hygiene-Zuschläge verhandelt, die auch nochmal einen Millionenbetrag bedeuten werden. Insofern ist unterm Strich definitiv in diesem Jahr mehr Geld für ambulantes Operieren zur Verfügung als im letzten Jahr." Die HNO-Ärztinnen und -Ärzte halten das für realitätsfern - eine Nasenscheidewand würde man bei Kindern eher selten operieren. Die am häufigsten durchgeführten Eingriffe in Deutschland, wie das Einsetzen der Paukenröhrchen, blieben ohne Honorarerhöhung unterfinanziert.