Gefährliche Sicherheitslücke: Russische Drohnen über Niedersachsen?
In Niedersachsen werden immer wieder Drohnen gesichtet. Diese könnten aus Russland stammen. Eine Forscherin erklärt im Interview mit dem NDR, wie gefährlich sie für Deutschland sind und was dagegen getan werden sollte.
Ulrike Franke ist Politikwissenschaftlerin und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Sicherheitsthemen und Verteidigung. Am Thema Drohnentechnologie arbeitet sie seit fünfzehn Jahren. Derzeit ist sie Senior Policy Fellow beim European Council on Foreign Relations in Paris.
Drohnen aller Art werden über Industrieanlagen in Stade und Wilhelmshaven gesichtet, darunter auch größere Militärdrohnen. Die Innenministerin sagt, man schreibe sie Russland zu. Wie alarmierend ist das?
Ulrike Franke: Das Hauptproblem ist, dass wir wenig wissen. Diese Situationen sind alarmierend und man muss sich da nichts vormachen. Also dem Laien ist das wahrscheinlich nicht klar, aber wir haben tatsächlich in der Bundesrepublik relativ wenig Möglichkeiten, diese Drohnen überhaupt erst mal zu bemerken. Der Luftraum wird nicht umfassend überwacht. Man ist nicht in der Lage, die Drohnen nachzuverfolgen und vor allen Dingen - etwas gegen sie zu tun.
Das klingt nach einem Sicherheitsproblem?
Franke: Selbst wenn die Drohnen gesichtet werden, passiert oft gar nichts, weil es keine Möglichkeiten gibt, sie abzufangen, abzuschießen, sie zu verfolgen. Das ist ein riesiges Sicherheitsloch. Letztendlich müssen Polizei und Bundeswehr anerkennen, dass es diese Gefahr gibt. Aber so richtig gibt es derzeit in der Praxis noch keine Handhabe dagegen. Es gibt verschiedene Szenarien, die man sich vorstellen kann. Es kann sein, dass hinter einigen Drohnenflügen Hobby-Drohnenpiloten stecken, die ihre Geräte einfach ausprobieren und nutzen wollen. Das andere Szenario ist, dass es Spionage-Flüge sind.
Angenommen, die Drohnen sind Russland zuzuordnen. Welchen Zweck haben solche Flüge?
Franke: Es kann sein, dass man uns da austesten will: Inwieweit wird denn darauf reagiert? Werden diese Drohnenflüge überhaupt gesichtet? Wenn ja, werden sie abgefangen? Was kann denn der deutsche Staat, die Polizei, die Bundeswehr? Das ist ein Erkenntnisgewinn, der total interessant ist für mögliche zukünftige Operationen, Spionage oder auch Sabotage. Und es ist klar, dass die Gefahr besteht, mit Drohnen oder anderen Flugkörpern aus der Luft angegriffen zu werden.
Sie meinen, dass solche Drohnen auch bewaffnet werden könnten?
Franke: Wenn unbekannte Akteure in der Lage sind, ihre Überwachungsdrohnen mehr oder weniger unerkannt über das Gelände zu fliegen, dann können eben genau solche Überwachungsdrohnen später auch bewaffnet werden und damit Angriffe geflogen werden. Natürlich wäre das eine wahnsinnige Eskalation. Das ist ja dann ein direkter, militärischer Angriff. Das ist jetzt politisch erst mal unwahrscheinlich. Dann wären wir bei einem militärischen Angriff auf ein NATO-Land. Das erwarte ich politisch nicht, aber rein militärisch wäre das hinsichtlich der Fähigkeiten absolut möglich.
Was müsste aus Ihrer Sicht getan werden?
Franke: Das erste ist eine Flugraumüberwachung. Wir müssen uns dieser Gefahr bewusster werden und einfach mehr Technologie und Systeme einsetzen, um den Luftraum zu überwachen. Es gibt einige Orte, da müsste man das meiner Meinung nach jetzt sofort machen. Das wäre auch möglich. Flughäfen sind ganz weit oben auf der Liste, aber eben auch andere kritische Infrastruktur oder Bundeswehrstandorte. Und dann gibt es natürlich eine ganze Bandbreite von Systemen, um Drohnen zu bekämpfen und abzufangen. Man kann Funksignale stören, damit Drohnen nicht fliegen können und den Link zum Piloten verlieren. Man kann sie auch abschießen, aber das ist auf zivilem Gebiet gefährlich und deshalb oft nicht möglich.
Aus Sicht der niedersächsischen Innenministerin sollten sich Polizei und Bundeswehr neu aufstellen. Was halten sie davon?
Franke: Es ist höchste Zeit. Ich finde es richtig. Da muss jetzt so schnell wie möglich gehandelt werden und an den Orten, die eindeutig betroffen sind, Antwortmöglichkeiten gefunden werden oder idealerweise auch mobile Systeme, die vielleicht von Ort zu Ort fahren können. Eine hundertprozentige Sicherheit ist allerdings nie möglich.
Das Interview führte Angelika Henkel, NDR.de.