Faire Berufskleidung bei der Feuerwehr Göttingen
Uniformen für die Polizei, Computer für die Verwaltung oder das Essen in Schulkantinen - etwa 350 Milliarden Euro gibt der Staat für Produkte und Dienstleistungen aus. Das Ganze nennt sich "öffentliche Beschaffung". Aber unter welchen Bedingungen werden diese Produkte eigentlich hergestellt? Und wie können Kommunen fairer produzierte Waren einkaufen? Mit dieser Frage beschäftigen sich immer mehr Kommunen und Städte. In Norddeutschland geht Göttingen mit gutem Beispiel voran. Die "NDR Info Perspektiven" waren vor Ort.
Der Feuerwehrmann Andreas Koch streicht fast schon zärtlich über seine neue dunkelblaue Jacke. Sie ist nicht nur wasser-, öl- und schmutzabweisend, sondern auch fair produziert. Zumindest verspricht das das Siegel der "Fair Wear Foundation". Konkret geht es etwa um höhere Löhne für Näherinnen und Näher, das Verbot von Kinderarbeit und Gewerkschaftsfreiheit in den Produktionsländern. "Das Thema faire Beschaffung interessiert mich privat ja auch. Ich würde nie bei Aldi einen Schuh für 9,90 Euro kaufen. Man kann sich ausrechnen, dass der, der das herstellt, keinen vernünftigen Lohn dafür kriegt", sagt Andreas Koch. Er ist zuständig für den Einkauf der Berufsfeuerwehr Göttingen mit ihren 200 Mitarbeitern und für die 13 freiwilligen Orts-Feuerwehren der Stadt. Koch besorgt alles: von der Socke bis zum Löschfahrzeug. "Stiefel, Hose, Jacke, Helm, Handschuh, Flammschutzhaube, so was gehört alles dazu."
Günstigster Preis ist kein Kriterium
Jedes Jahr gibt die Feuerwehr dafür im Schnitt 70.000 Euro aus. Schon seit einigen Jahren versucht Koch, bei kleineren Aufträgen, etwa für ein paar T-Shirts, auf Siegel für faire Produktion zu achten. Größere Aufträge müssen aber ausgeschrieben werden - und oft gewinnt der Bieter, der das günstigste Angebot macht. Dass auch soziale und ökologische Standards von der Stadt eingefordert werden können, davon hatte Andreas Koch gehört.
Kommunen können selbst Prioritäten setzen
In Göttingen ist Joachim Berchtold dafür Experte - er koordiniert die kommunale Entwicklungspolitik und treibt das Thema faire Beschaffung voran. Zusammen mit der Feuerwehr hat er die Ausschreibung für die 230 Wetterschutzjacken im vergangenen Jahr formuliert: "Wir haben entdeckt, dass es sehr hohe Standards gibt, die besonders glaubwürdig und anspruchsvoll die Einhaltung von Arbeitsrechten beim Nähen nachweisen konnten, und dann haben wir uns entschieden, die Ausschreibung an diesen Kriterien zu orientieren."
Gut für den Einstieg: Lebensmittel und Textilien
Möglich ist das erst seit drei Jahren, durch eine Reform des Vergaberechts in der Europäischen Union. Seitdem steht in den Vergabe-Gesetzen der Bundesländer, dass die Beschaffer bei allen Ausschreibungen auch auf die Nachhaltigkeit achten können - oder, wie in Niedersachsen, sogar müssen. Aber sie haben dabei immer noch großen Spielraum. Wer als Kommune wirklich anders und fairer einkaufen will, muss sich für jedes Produkt einarbeiten, sagen Organisationen wie Femnet oder Engagement Global. Marie-Luise Lämmle von der Servicestelle "Kommunen in der Einen Welt" berät Kommunen zum Thema faire Beschaffung: "Produkte, mit denen man gut anfangen kann, sind Lebensmittel und Textilien. Da ist das Marktsegment an fairen Herstellern schon sehr groß und man kann auch auf konkrete Nachweise in Form von Siegeln, Initiativen und Labeln zurückgreifen."
Nicht teurer, sondern wertiger
Die Stadt Rostock kauft etwa für ihre Krankenhäuser nur noch fairen Kaffee. Auch in Lübeck, Bremen, Hannover, Aurich und Hamburg gibt es ähnliche Projekte. Aber ist faire Beschaffung für viele Kommunen, die hoch verschuldet sind, nicht eher ein Luxus, den sie sich nicht leisten können? Feuerwehrmann Andreas Koch schüttelt den Kopf. "Wir haben mittlerweile festgestellt, dass fair gehandelt auch meist ein höherer Qualitätsstandard ist. Dann muss das T-Shirt nicht nach einem Jahr ausgewechselt werden, sondern vielleicht nach dreien. Dann hat man unterm Strich das bessere Geschäft gemacht."
Große Marktmacht
Andreas Koch beobachtet, dass immer mehr Kommunen faire Arbeitskleidung nachfragen - und deshalb von den Herstellern auch mehr angeboten werde. "Solange nur ein paar Privatpersonen fair kaufen, werden sich die großen Hersteller nicht so groß ändern. Wenn aber die großen Beschaffer das machen, dann gucken die schon." Die Stadt Göttingen will mit gutem Beispiel vorangehen und in Zukunft etwa auch Sportbälle für Schulen oder Kleidung für Reinigungsdienste fair einkaufen.