Grundsätzlich muss jede Person, die sich an rassistischen Gesängen beteiligt, mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. "Jeder und jede, die sich wissentlich in so eine Situation bringt, muss und soll damit rechnen, dass die niedersächsische Polizei hier sehr konsequent vorgeht und entsprechende Ermittlungen einleitet", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs macht sich strafbar, wer "gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe" oder Einzelperson hetzt. Volksverhetzung wird demnach mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren verurteilt. Der Paragraf setze jedoch voraus, dass durch die entsprechende Äußerung zum Hass aufgestachelt oder zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen aufgefordert werde, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums. Daher gelte es, den Kontext der Äußerung zu betrachten. "Es liegt an den Ermittlungsbehörden, das im Einzelfall aufzuklären und dann an den Staatsanwaltschaften und Gerichten, das strafrechtlich zu bewerten", so der Sprecher.
Die Polizeiinspektion Cloppenburg/Vechta appellierte im Zuge der rassistischen Parolen in Löningen (Landkreis Cloppenburg) an Bürgerinnen und Bürger, sich von Personen zu distanzieren, die "fremdenfeindliche Gesänge anstimmen, Äußerungen oder Gesten machen" und solche Vorfälle dem Veranstalter oder der Polizei zu melden. So könnten die Verantwortlichen von ihrem Hausrecht Gebrauch machen und die Musik unterbrechen. "Stellen Sie sich als Zeuge zur Verfügung, aber begeben Sie sich nicht selbst in Gefahr", rät die Polizei.
Laut einem Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums kann die Verbreitung von volksverhetzenden Inhalten eine Straftat sein. Dabei spiele jedoch der Kontext, in dem das Video geteilt wird, eine entscheidende Rolle: Steht die Parole eindeutig im Zusammenhang mit volksverhetzendem Inhalt? Wie wird das Video bei der Verbreitung eingebettet? Liegt der Vorsatz vor, zum Hass aufzustacheln? "Das sind alles Fälle, wo man nicht pauschal eine Antwort geben kann", sagte der Sprecher. "Aber es kommen im Einzelfall auch Bestrafungen in Hinblick auf Volksverhetzung in Betracht." Außerdem könne im Zuge der Videoverbreitung auch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Rolle spielen. Aber auch da müsse geprüft werden, ob strafbares Verhalten vorliegt, so der Sprecher. Die Polizeiinspektion Cloppenburg/Vechta weist darauf hin, dass Privatpersonen Bilder und Videos ohne das Einverständnis der abgebildeten Personen nicht veröffentlichen oder weiterverbreiten dürfen. Hier seien Verstöße gegen das Kunsturhebergesetz denkbar. Die Beamten fordern, "Aufnahmen von strafrechtlich relevantem Inhalt der Polizei für die Ermittlungen" zur Verfügung zu stellen. Auch sollten Videos mit strafrechtlichen Inhalten nicht weitergeschickt werden, um einen ungewollten Support oder Nachahmungseffekt zu verhindern, so die Polizei.
Dem Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen sind nach eigenen Angaben landesweit fast 30 Fälle bekannt, in denen der Liedtext von "L'Amour Toujours" ausländerfeindlich umgedichtet wurde. Einige Vorfälle wurden demnach durch verbreitete Videoaufnahmen öffentlich. Das Phänomen werde gerade durch die sozialen Netzwerke immer bekannter, sagte eine LKA-Sprecherin. Videoaufnahmen können laut LKA bei den Ermittlungen maßgeblich zur Identifizierung der verdächtigen Personen beitragen. Dabei spiele unter anderem die Qualität, Auflösung und Entfernung der Aufnahmen eine Rolle. "Soweit die Bilder, Videos beziehungsweise Tonaufzeichnungen in sozialen Medien veröffentlicht wurden, können Ermittlungen in diesem Umfeld darüber hinaus dazu beitragen, die Urheberschaft und damit mögliche Zeugen sowie weitere Aufzeichnungen als Beweismittel festzustellen," teilte das LKA dem NDR Niedersachsen mit.
Die rassistischen Parolen wurden zuletzt zu der Melodie des Party-Songs "L'Amour Toujours" von Gigi D'Agostino gesungen. Mit Blick auf das Stadtfest in Lüneburg hat der Veranstalter entschieden, das Lied nicht zu spielen. "Wir bestellen die Musik und sind Veranstalter, da haben wir auch Einfluss auf die Musikauswahl", teilte die Geschäftsführerin von Lüneburg Marketing, Melanie-Gitte Lansmann mit. In Hannover werde den Schaustellern und Festzelt-Betreibern auf dem Schützenfest lediglich empfohlen, auf das Lied zu verzichten, sagte der Präsident des Verbands Hannoverscher Schützenvereine, Paul-Eric Stolle. Eine rechtliche Handhabe das Lied zu verbieten, gebe es jedoch nicht. Die Besucherinnen und Besucher seien aufgefordert, Zivilcourage zu zeigen. "Jeder, der rassistische Parolen singt, soll angezeigt werden", sagte Stolle. Auch die Radiosender der ARD werden das Lied weiterhin spielen. "Der Künstler kann nichts dafür, dass sein Song missbraucht wird", argumentiert etwa NDR 2. Man wolle verhindern, dass rechte Strömungen durch den Missbrauch von Songs einen Einfluss auf die Musikauswahl bei NDR 2 haben. Der Party-Hit werde weiterhin in der Pop-Version gespielt, die bislang nicht für rassistische Parolen missbraucht wurde.