Eichenprozessionsspinner: Strategien zur Bekämpfung
Die Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners sorgt schon seit einiger Zeit für viel Unmut im Norden. Einige Landkreise sprühten heißes Wasser auf die Insekten, anderswo setzte man auf mühevolles Absaugen oder Gift aus dem Hubschrauber. Die ideale Strategie scheint aber noch nicht gefunden. Das Emsland ist besonders schwer von der Plage betroffen. Die neue Strategie: natürliche Fressfeinde, die durch Nistkästen angelockt werden sollen. Die "NDR Info Perspektiven" waren vor Ort.
von Göran Ladewig
Kleine Raupe, großes Problem: Der Eichenprozessionsspinner breitet sich zumeist im Frühjahr rasant aus und wird schnell zur Gefahr für Mensch und Tier. Die Haare der Raupe enthalten ein Gift, das schwere allergische Reaktionen hervorrufen kann. Besonders tückisch: Auch wenn die Tiere nicht mehr an Ort und Stelle sind, bleiben kaum sichtbare, giftige Haare zurück. Allein im Emsland wurden Mitte des Jahres 2019 schon 700 Patienten gemeldet, die nach dem Kontakt mit dem Gift behandelt werden mussten. Der Landkreis hat im selben Jahr mehr als 170.000 Euro ausgegeben, um Nester des Eichenprozessionsspinners zu entfernen oder abzusaugen.
Atemnot als eines der Symptome
Doch scheinbar gibt es eine billigere Methode, des Prozessionsspinners Herr zu werden. Angler im Emsland wollen Nistkästen aufhängen. Die Vögel sollen die Insekten fressen. In den Niederlanden konnte die Ausbreitung der Raupe mit dieser Methode weit zurückgedrängt werden. Nach Angaben des Bezirksfischereiverbandes Emsland mussten bereits viele Angler wegen des Eichenprozessionsspinners behandelt werden. Wegen der giftigen Brennhaare der Raupen hätten einige von ihnen bereits starke Atemnot bekommen und mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, sagte der stellvertretende Vorsitzende Heinz-Bernd Lattemann.
Starke Ausbreitung entlang der Ems
Nahe der Stadt Haren - unweit von der Ems - liegt das Gehöft von Heinz-Bernd Lattemann. Dort, inmitten vieler Wiesen, geht er im Sommer oft angeln: "Im Sommer bei warmem Wetter wurden nach einer gewissen Zeit auf einmal meine Arme rot und fingen an zu brennen. Ich wusste, dass ich keinen Kontakt mit einer Brennnessel hatte und dann haben wir gesehen, dass das die Eichenprozessionsspinner waren." Die Insekten nisten sich in den vielen Eichen entlang der Ems ein. Zeitweise sei jeder zweite Baum befallen, sagt Lattemann.
Fressfeinde: Meise, Fledermaus und Kuckuck
Lattemann kam auf die Idee, den Prozessionsspinner mit Nistkästen zu bekämpfen. Darin sollen sich Vögel ansiedeln und die Insekten fressen: "Die Idee ist, dass die Natur die Natur bekämpft. Wenn man sie mit einer chemischen Keule bearbeiten wollte, würde man ja nicht nur den Eichenprozessionsspinner abtöten, sondern auch jedes andere Lebewesen an dem Baum." Deswegen hat der Bezirksfischereiverband Emsland 1.000 Nistkästen gekauft. Die stehen nun in der Scheune von Heinz-Bernd Lattemann und werden nach und nach an 30 Angler aus dem gesamten Emsland verteilt. Es gibt verschiedene Ausführungen, je nach Vogelart. "Die Meisen verzehren die Raupen in einem Stadium, in dem sie noch keine Brennhaare gebildet haben. Wenn die Raupe Brennhaare gebildet hat, haben wir hier vor Ort nur noch den Kuckuck. Der ist unempfindlich gegen die Brennhaare. Und die Fledermaus ist der natürliche Feind des Nachtfalters, der jagt die Falter in der Nacht."
Niederlande als Vorbild bei Schädlingsbekämpfung
Die Angler hängen die Nistkästen im gesamten niedersächsischen Bereich der Ems auf - von Salzbergen bis nach Papenburg - so auch unweit des Gehöfts von Heinz-Bernd Lattemann. Mit einem Korb vor dem Traktor werden zwei Männer in die Baumkrone gehoben und befestigen dort den Kasten. In Deutschland sind die Angler mit dieser Idee Pioniere. In den Niederlanden hat es bereits die Gemeinde Groesbek mit den Nistkästen ausprobiert, weiß Andreas Rakers vom Naturschutzbund NABU: "Die niederländische Gemeinde hat positive Erfahrungen gemacht. Das war in der Nähe eines Sportplatzes. Und ich denke auch, dass es dort viel Begleitgrün gab. Also auch andere Insekten eine alternative Nahrungsquelle für die Vögel darstellen."
Vielfältiger Lebensraum sei gute Voraussetzung
Denn Vögel würden sich nur dann ansiedeln, wenn sie neben dem Eichenprozessionsspinner auch andere Nahrungsquellen finden. An der Ems sieht Andreas Rakers dafür gute Voraussetzungen. "Ich denke, dass hier ein vielfältiger Lebensraum ist, in dem auch viele andere Insekten leben, auf die die Meisen ausweichen, wenn sie den Eichenprozessionsspinner wegen der Brennhaare nicht mehr fressen können." Das Ökosystem sollte also vielfältig sein. Dann könnten Nistkästen auch anderswo helfen, den Eichenprozessionsspinner zurückzudrängen. Das brauche allerdings auch Zeit, gibt Rakers zu bedenken. Ein so hoher Befall, könne nicht von heute auf morgen eingedämmt werden. Einmal im Jahr wollen Heinz-Bernd Lattemann und die anderen Angler in den Nistkästen nachschauen, ob Vögel zu Gast waren. Bei gutem Erfolg könnte diese Methode viele Nachahmer finden.