Stand: 09.07.2019 14:51 Uhr

Digitale Assistenzsysteme fürs eigenständige Wohnen

In unserer Sommerserie schauen wir auf kleine Orte mit großen Problemen. Orte etwa, in denen der letzte Arzt seine Praxis schon lange geschlossen hat - oder wo junge Menschen wegziehen und nur noch die Älteren bleiben. Die Grafschaft Bentheim zum Beispiel im Südwesten von Niedersachsen ist eine sehr dünn besiedelte Region. 2030 wird dort mehr als die Hälfte der Einwohner über 45 Jahre alt sein. Seit einiger Zeit sucht deshalb das Forschungsprojekt "Dorfgemeinschaft 2.0" nach Wegen, wie ältere Menschen in der Region möglichst lange selbstständig bleiben können. Helfen könnten zum Beispiel digitale Assistenzsysteme für zu Hause.

Steuerung von SmartHome-Funktionen über ein Tablet © ENO Telecom Foto: Jürgen Lüken
Über ein Tablet lassen sich viele Funktionen im "SmartHome" steuern.

Hermann Eschendahl übt im sogenannten "SmartHome" - einem Musterhaus, extra eingerichtet in Nordhorn: "Wenn ich das Haus verlasse, könnte ich mit dem Tablet auf 'abwesend' gehen und alles wäre im Raum alarmgesichert. Dann sind auch die Kameras eingeschaltet." Eschendahl ist Seniorenbeirat in der Stadt. Nun hat er ein Tablet in der Hand und überprüft sein Haus: Ist der Herd aus? Sind die Rollladen unten? All das kann er, wenn er möchte, über das Tablet kontrollieren - von überall.

Das Leben für Ältere im eigenen Zuhause erleichtern

Gut gefällt ihm auch ein smarter Briefkasten: Wirft der Briefträger Post ein, leuchtet in der Küche ein Lämpchen auf: "In einem Mehrfamilienhaus ist das sehr interessant für ältere Leute, die nicht so beweglich sind und aus dem fünften Stock runterkommen müssten, um nachzuschauen."

85 Quadratmeter misst das SmartHome. Das Musterhaus ist angebunden an den Expert-Elektromarkt in Nordhorn. Der Showroom soll Kunden zeigen, was man mit diesen neuen Technologien machen kann. "Das Projekt Dorf 2.0 liegt uns sehr am Herzen. Dort soll praxisnah gezeigt werden, welche Möglichkeiten es gibt, um das Leben in den eigenen vier Wänden möglichst lang möglich zu machen", sagt Rainer Büter von der ENO Telecom. Der Dienstleister ist maßgeblich am Aufbau des SmartHomes beteiligt.

Neue Technik wäre auch in der Pflege einsetzbar

Das Modellhaus richtet sich nicht ausschließlich an Senioren. Eschendahl und auch sein Kollege aus dem Seniorenbeirat, Horst-Dieter Dörr, beäugen das SmartHome distanziert - aber auch interessiert.  Dörr glaubt, dass solche Technik den Alltag im Alter erleichtern kann: "Man darf die Angst vor der Technik nicht übermäßig hoch hängen, ich meine, dass im Bereich der Pflege auch durchaus Technik eingesetzt werden sollte." Aber er gibt zu bedenken, dass jeder Ältere richtig abgeholt werden muss. Viele englische Begriffe zum Beispiel erschweren überhaupt den Zugang zu neuen Technologien.

Altersgerechte Hilfsmittel ergänzen

Bett mit Sensormatte © ENO Telecom
Ein Sensor kontrolliert Atmung und Pulsfrequenz.

Im SmartHome muss nicht alles per Tablet bedient werden: Es gibt noch einfache Lichtschalter und am seniorengerechten Bett eine Notfalltaste. Außerdem ist in der Matratze eine spezielle Sensormatte versteckt. Hans-Peter Nickenich von der IT-Firma I.T. Out: "Die Sensormatte erkennt über Schwingungssensoren die Anzahl der Atemzüge, die jemand macht, die Pulsfrequenz und auch die Bewegungen, die er vollzieht. Aus diesen Daten kann man dafür sorgen, dass zum Beispiel bei zu langen Atemaussetzern entsprechende Hilfe geordert wird." Ob dann der Sohn, die Ehefrau oder gleich der Notdienst verständigt wird, das wird vorab eingestellt.

Das Musterhaus in Nordhorn zeigt viele Beispiele, wie Menschen ihre Wohnung komfortabel und sicher gestalten können. Ob es am Ende ein Kühlschrank sein muss, den man von außen einsehen kann, oder Lampen, die auf Sprachbefehl dimmen, das sei jedem selbst überlassen. Obwohl es doch etwas hat, wenn die Rollladen runtergleiten, das Licht auf sanftes Lila wechselt - und die Anlage ihre schönste Kuschelballade ausspuckt.

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NDR Info | 09.07.2019 | 10:20 Uhr

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