Diesel-Gate: Tausenden Autos droht Stilllegung
Der VW Amarok war der erste "Betrugsdiesel", für den es ein Software-Update gab. 18 Monate hatten seine Besitzer Zeit, in die Werkstatt zu fahren. Wer das nicht getan hat, dem droht jetzt die Stilllegung seines Autos. Und das ist der erst der Anfang: 200.000 Besitzern von VW-Autos könnte es genauso gehen.
Morgen früh vielleicht sind sie schon da: die Vollzugsbeamten des niedersächsischen Landkreises Harburg. Sie sollen Heiko Link den Fahrzeugschein wegnehmen, heißt es in einem Behördenschreiben, und das Amtssiegel vom Autoschild kratzen. Link empfindet "Ärger, Frust und auch ein bisschen Panik", weil er nicht wisse, was jetzt auf ihn zukommt. Der Schornsteinfegermeister aus Buchholz in der Nordheide hat einen VW Amarok als Geschäftswagen.
Das Problem: Sein schwarzer Pick-up hat den Betrugsdieselmotor EA 189. Und der Amarok war das erste Auto, für das es ein Softwareupdate gab - im Frühjahr 2016. Dieses Update soll nach Angaben von VW die Abgaswerte verbessern, das Kraftfahrtbundesamt hat dafür grünes Licht gegeben. 18 Monate hatten Amarok-Fahrer Zeit für das Update, jetzt ist die Frist um. Doch Heiko Link weigert sich weiterhin. Er fürchtet, dass der Motor danach schlechter laufe und mehr Sprit verbrauche.
Technische Schwierigkeiten nach Update
Tatsächlich gebe es eine Reihe guter Gründe, das Softwareupdate nicht durchführen zu lassen, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Marco Rogert, der viele Autofahrer gegen Volkswagen vertritt: "Das Softwareupdate führt zum einen nach Meinung vieler Gerichte dazu, dass sich die rechtliche Position von Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüchen verschlechtert. Und zum anderen bestehen technische Schwierigkeiten, die sehr häufig auftreten. Das geht mit stotternden Motoren nach dem Softwareupdate los bis hin zum Motorschaden."
Amt in Wittmund vorsichtig
Auch dem Bundeswehrsoldaten und Amarok-Besitzer Deniz O. wurde bereits von Amts wegen gedroht: "Die haben gesagt, wenn ich binnen zwei Wochen nicht das Update durchführen lasse, würde jemand kommen und das Auto zwangsstilllegen." Doch das Landratsamt im ostfriesischen Wittmund wurde plötzlich vorsichtig. Das Update könne nicht durchgeführt werden, heißt es in einem Schreiben des Landkreises von Mitte November, da nicht bekannt sei, "wie der Mangel abgestellt werden kann, ohne dass weitere Schäden am Fahrzeug dadurch verursacht werden".
Behörden entscheiden nach eigenem Ermessen
Deniz O. darf also erst mal weiter fahren, Schornsteinfeger Link womöglich aber nicht. Der Hintergrund: Das Kraftfahrtbundesamt hat nach Informationen von NDR Info lediglich eine Empfehlung ausgesprochen, die Autos stillzulegen. Die Zulassungsbehörden bundesweit sollen nach eigenem Ermessen entscheiden - und das tun sie offenbar. Grundsätzlich stilllegen, heißt es zum Beispiel in Stuttgart. Aber man schaue sich jeden Fall einzeln an - und wenn es einen guten Grund gibt, dann ziehe man so ein Auto eben nicht aus dem Verkehr.
Chaos mit Ansage
Das Chaos ist programmiert. Denn der Amarok ist erst der Anfang, sagt Rechtsanwalt Ralf Stoll aus dem badischen Lahr: "Die Welle wird eben noch größer werden." Demnächst laufe die Frist für Besitzer des Audi A4 aus. Dann gebe es "das gleiche Problem, nur sind eben mehr Fahrer betroffen." Bis zu 200.000 könnten es am Ende sein. So viele Autobesitzer haben nach Auskunft von Volkswagen noch kein Update gemacht. Es drohen viele unterschiedliche Entscheidungen - und eine Klageflut mit ungewissem Ausgang
Heiko Link jedenfalls wartet, was diese Woche noch passiert. Seinen Kunden muss er sagen, dass er nicht kommen kann, weil sein Auto vielleicht stillgelegt wird: "Ich bin total genervt."