100 Tage: Wie macht sich Verteidigungsminister Boris Pistorius?
Vor 100 Tagen hat Boris Pistorius (SPD) den als Schleudersitz bekannten Chefsessel im Verteidigungsministerium übernommen. Beobachter, Parteifreunde und Oppositionspolitiker ziehen eine erste Bilanz.
Das sagt Siemtje Möller - Mitarbeiterin und Parteifreundin
Die Staatssekretärin aus dem Bundesverteidigungsministerium und SPD-Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller freut sich über ihren neuen Chef. Kein Wunder, man kennt sich aus Niedersachsen. Hier kommen Möller und Pistorius sogar aus demselben SPD-Bezirksverband. Endlich einer, mit dem man sich mit "Moin" begrüßen könne, sagt sie. Die Bundestagsabgeordnete aus Varel schätzt seine Tatkraft genauso wie seine zugewandte Art. Sie ist sich sicher, dass Pistorius jetzt die notwendigen Dinge anpacken werde. Im Ministerium nimmt sie eine Aufbruchstimmung wahr. Viele scharrten mit den Hufen und wollten endlich loslegen, sagt Möller.
Der Militärexperte Thomas Wiegold sieht Positives
Erste Weichen hat Pistorius bereits gestellt: Er hat den Generalinspekteur der Bundeswehr ausgetauscht, einen Planungs- und Führungsstab eingerichtet und Regeln erlassen, um die Beschaffung zu beschleunigen. Alles richtig und notwendig, um Verteidigungsministerium und Bundeswehr zu reformieren, findet der freie Journalist und Militärexperte Thomas Wiegold. Man merke, dass Pistorius schon immer eine Affinität zur Bundeswehr gehabt habe. Nicht nur weil er vor 40 Jahren den Wehrdient gemacht habe. Auch als niedersächsischer Innenminister und Mitglied der NATO-Parlamentarierversammlung habe sich Pistorius immer wieder mit Themen der Bundeswehr beschäftigt. Er fremdele nicht mit der Truppe, sagt Wiegold. Außerdem - und das sei mindestens genauso wichtig - kenne er sich mit Verwaltungsstrukturen und mit Problemen der Materialbeschaffung aus. Das alles helfe ihm jetzt sehr. Wiegolds Fazit: Bisher habe Pistorius alles richtig gemacht, "alle Häkchen gesetzt".
Die Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele lobt die Kommunikation
Andrea Römmele, Professorin für Politikwissenschaftlerin an der Hertie School in Berlin, beeindruckt besonders, dass Pistorius die Nähe zu den Soldatinnen und Soldaten sucht. In der Truppe treffe er den richtigen Ton. Kommunikativ sei er sehr gut, sagt Römmele. Und zwar nicht nur auf der Gesprächs-, sondern auch auf der Bildebene. Er wisse, wie man sich präsentiere, dass er sich zum Beispiel bei den Soldaten in Uniform zeige. Darüber hinaus würden ihm seine Fremdsprachenkenntnisse sehr helfen. Dadurch, dass er fließend englisch spreche, könne er sich auch international auf Augenhöhe unterhalten. Dass er aufgrund seiner großen Beliebtheit eine Konkurrenz für Bundeskanzler Scholz werden könnte, hält die Politikwissenschaftlerin aber für unwahrscheinlich. Dafür sei Pistorius zu sehr ein Teamplayer, sagt sie.
Der Oppositionspolitiker Hennig Otte wartet ab
Auch der niedersächsische CDU-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungsexperte Hennig Otte findet, dass Pistorius als niedersächsischer Innenminister viel Erfahrung mitbringt und den richtigen Ton bei der Truppe trifft. Aber am Ende würden ihn auch die Soldaten daran messen, was er wirklich bei der Truppe verändert und verbessert habe. So hätte Pistorius nach Ansicht von Otte durchaus jetzt schon mehr bei der Beschaffung von fehlender Munition erreichen können. Und die eigentliche Nagelprobe würde auch noch ausstehen: Schafft er es, in den Haushaltsverhandlungen eine Erhöhung des Verteidigungsetats durchzusetzen? 10 Milliarden Euro mehr will Pistorius für die Bundeswehr haben, und die seien auch nötig, sagt Otte, damit die Bundeswehr dauerhaft ihren Auftrag erfüllen könne.