Klima in Hamburg: Temperatur hängt stark vom Stadtteil ab
Einige Hamburger Stadtteile sind viel heißer als andere. Schuld daran: Viel Asphalt und wenige Grünflächen - die hohe Flächenversiegelung verstärkt Effekte des Klimawandels erheblich. Das kostet nicht nur Geld, sondern auch Leben.
Der Hamburger Spätsommer war heiß: Noch Anfang September zeigte das Thermometer an mehreren Tagen 30 Grad an. Doch nicht überall in der Stadt war es gleich warm: Während die Hitze in der Hamburger Altstadt drückend war, war es an der Alster wesentlich angenehmer. Entscheidend für diese Temperaturunterschiede ist die Versiegelung. Beton, Straßen und Parkplätze heizen sich stärker auf als Bäume und Parks.
Das dicht bebaute Hamburger Stadtzentrum ist deutlich wärmer als die Stadtteile am Rand. Und die Unterschiede sind enorm: An heißen Tagen trennen Altona-Nord und Blankenese nicht nur acht Kilometer Distanz, sondern auch acht Grad Celsius. So viel stärker heizen sich die Böden im zentral gelegenen Altona-Nord auf. Das zeigt eine Auswertung der sogenannten Oberflächentemperatur, für die das Recherchenetzwerk CORRECTIV und der Dienstleister Vertical52 Satellitenbilder analysiert haben. Die Unterschiede in der wahrgenommenen Lufttemperatur sind oft kleiner, etwa durch kühlenden Wind.
"Die Versiegelung ist der entscheidende Faktor für diese Hitze-Unterschiede", bestätigt Michael Richter, der an der HafenCity Universität zu Klimafolgen forscht. Erschwerend komme hinzu, dass auf versiegelten Flächen normalerweise keine Pflanzen wachsen. Die können sonst Regenwasser aufnehmen und wieder verdunsten lassen und dadurch die Umgebung kühlen. In den Stadtteilen entlang der Alster machen Gewässer und Grünanlagen sogar die Hälfte der Fläche aus. Dadurch kann es in Rotherbaum oder Uhlenhorst drei Grad kühler als im benachbarten Eimsbüttel oder auf St. Pauli sein.
Asphalt statt Bäume: Hammerbrook und Blankenese
Am stärksten heizen sich die Böden in den zugepflasterten Industrie-Stadtteilen Billbrook und Hammerbrook auf. Dort wird es fünf Grad heißer als im Hamburger Schnitt und fast zehn Grad wärmer als im nördlich gelegenen Wohldorf-Ohlstedt, dem kühlsten Stadtteil. Mehr als 80 Prozent des Bodens in Hammerbrook sind laut CORRECTIV durch Parkplätze, Straßen und Gebäude versiegelt. Nur Kanäle und ein wenig Grün durchbrechen das Grau der Gewerbeflächen.
Klimawandel in Hamburg: Hitze ist tödlicher als Starkregen
Die Hitzebelastung hat dramatische Folgen: "In Deutschland hatten wir in den letzten Jahren viel mehr Hitzetote als Tote aufgrund von Hochwasser", erklärt Klimaforscher Richter. Laut einer Studie des Helmholtz Zentrums München sind im heißen Sommer 2022 zwischen 110 und 210 Menschen in Hamburg an den Folgen der Hitze gestorben - deutschlandweit könnten es sogar bis zu zehntausend Todesfälle gewesen sein.
Flächen zu entsiegeln - also den Asphalt aufreißen, den Boden bepflanzen, Hausdächer begrünen - würde helfen: Nicht nur gegen die Hitzebelastung und ihre Folgen, sondern auch gegen Starkregen. "Bei Starkregen muss man das Wasser möglichst auf dem Grundstück oder auch auf Straßenflächen zurückhalten, damit es eben nicht schnell in den Kanal geht und dann zu Überflutungen führt", sagt Michael Richter.
Versiegelung in Hamburg steigt
Doch statt Flächen aufzubrechen werden in Hamburg nach wie vor weitere versiegelt. Das legt die CORRECTIV-Auswertung nahe. Auch in der Innenstadt, wo die Temperaturen oft bereits kritisch sind, hat sich seit 2018 wenig getan. Das Problem ist bekannt, es wird allerdings bislang wenig dagegen unternommen. Erst seit vergangenem Jahr wird ein Hitzeaktionsplan ausgearbeitet. Seit Anfang September 2024 gibt es auch ein Förderprogramm, um versiegelte Flächen auch auf privaten Grundstücken zu begrünen.
Für die Entsiegelung sind davon 2024 jedoch nur 50.000 Euro angedacht - ein winziger Bruchteil des Hamburger Gesamthaushalts von rund 20 Milliarden Euro. Außerdem wird höchstens die Hälfte der Kosten für die Entsiegelung übernommen. Den Rest müssen die Eigentümer selbst tragen. Anselm Sprandel, Staatsrat der Umweltbehörde, ist dennoch zuversichtlich: "Die Eigentümer profitieren von einer gesteigerten Attraktivität des Grundstücks und der Starkregenvorsoge. Das sind wertsteigernde Merkmale. Letztlich muss auch ein Stück Eigenmotivation dabei sein."
Klimaforscher Michael Richter warnt zwar vor zu hohen Erwartungen, bewertet die Lage in Hamburg dennoch positiv: "Gerade in den Gebieten, die schon lange bebaut sind, ist es schwer, kurzfristig etwas zu ändern. Aber viele Neubauten bekommen in Hamburg schon grüne Dächer. Das weiß man oft nicht, weil man sie nicht sieht."