Europawahl 2024: Eine Chance für die Kleinparteien
Seit zehn Jahren müssen Parteien für einen Sitz im Europaparlament nicht mehr die Fünf-Prozent-Hürde überwinden. Die Europawahl ist deshalb vor allem für sogenannte Kleinparteien attraktiv – 28 treten diesmal zur Wahl an.
Bei Bundestags- und Landtagswahlen landen sie üblicherweise in der Kategorie "Sonstiges", das heißt, sie erreichen Wahlergebnisse von unter fünf Prozent. Von den 34 Parteien, die in diesem Jahr auf dem Stimmzettel der Europawahl stehen, gelten nach dieser Definition 28 als Kleinparteien. Bei der vergangenen Europawahl 2019 profitierten insgesamt acht Parteien von dieser fehlenden Fünf-Prozent-Hürde. Auch dieses Jahr ist die Hoffnung deshalb groß, zumindest einen der 96 deutschen Sitze im Europäischen Parlament erringen zu können.
Kleinparteien - Agenda bestimmt häufig ein einzelnes Thema
Inhaltlich vertreten Kleinparteien die gesamte politische Bandbreite - bis hin zum Rechts- und Linksextremismus. Die meisten stehen seit Jahren für ein einzelnes Thema - ein wesentlicher Unterschied zu den klassischen Parteien. In den vergangenen 30 Jahren ist die Zahl der Kleinparteien insgesamt gewachsen – darunter Dauerbrenner, Eintagsfliegen und Neulinge. So steht die Ökologisch-Demokratische Partei ÖDP seit 1994 immer wieder auf dem Stimmzettel. Mit dem Fokus auf Umwelt- und Klimaschutz stellen sich aber erstmals auch die Parteien Klimaliste Deutschland und Letzte Generation zur Wahl, die sich erst im Februar 2024 aus der gleichnamigen Gruppe von Klimaaktivisten gebildet hat. Neue Parteien sind auch im Umfeld der Demonstrationen gegen die Corona-Politik entstanden, wie Die Basis und Aktion Bürger für Gerechtigkeit. Sie treten nun das erste Mal bei einer Europawahl an.
Kleinparteien können für "Zersplitterung" sorgen
In Deutschland ist lediglich die CDU/CSU mit Landeslisten angetreten. Alle anderen Parteien haben gemeinsame Listen eingereicht. In jedem Bundesland stehen also die gleichen Parteien auf dem Stimmzettel. Nur die Reihenfolge ist unterschiedlich, da diese sich nach den Ergebnissen der vergangenen Wahl richtet. Das Fehlen der Prozenthürde sieht der Direktor der Landeszentrale für politische Bildung MV, Jochen Schmidt, kritisch. Eine wichtige Funktion von Wahlen sei es, eine stabile Regierung zu ermöglichen: "Da sehen wir beim Europaparlament schon eine große Zersplitterung mit unheimlich vielen Einzelparteien, die sich dann wieder zusammenschließen. Das macht es für Wählerinnen und Wähler schwer, da noch durchzusehen.", so Jochen Schmidt.
Schmidt: "Kleinparteien sind Ausdruck politischer Freiheit"
Auch ohne Mitbestimmung in Parlamenten haben Kleinparteien eine Bedeutung für die Demokratie, erklärt Jochen Schmidt: "Die Kleinparteien decken üblicherweise Personengruppen und Themen ab, die bei den anderen Parteien durch das Rost fallen." Auch damit seien sie Ausdruck der politischen Freiheit in Deutschland. Die zeige sich auch in den niedrigen Hürden für eine Parteigründung, so Schmidt. Es sei sogar einfacher, eine Partei zu gründen, als einen Verein, da keine staatliche Stelle eine Partei genehmigen muss. Will sie jedoch an Wahlen teilnehmen, braucht sie ein Quorum von 4.000 Unterschriften.