Zwei Jahre in Westmecklenburg: Das Leben ukrainischer Flüchtlinge
In Schwerin und in den Landkreisen Nordwestmecklenburg und Ludwigslust-Parchim leben aktuell etwas mehr als 8.000 Geflüchtete aus der Ukraine, rund zwei Drittel davon sind Frauen und Kinder.
Seit einigen Wochen steigen die Zahlen der Geflüchteten wieder leicht. Und das könnte so weitergehen - wenn man sich die aktuelle Lage im Krieg gegen die Ukraine anschaut. Wir haben in unserem Podcast "Dorf Stadt Kreis" gefragt: Wie geht es den Flüchtlingen hierzulande? Viele sind Frauen mit Kindern. Wollen sie länger in Deutschland bleiben? Haben sie sich integriert? Konnten sie Deutsch lernen? Haben sie eine Arbeit gefunden? Wie kommen die Kinder in der Schule zurecht?
"Nach Hause in das alte Leben"
Der Wunsch der meisten Ukrainerinnen und Ukrainer ist es, wieder nach Hause zu kommen. Das erzählt Natalia Jentzsch vom ukrainisch-deutsche Kulturzentrum "Sič" in Schwerin, die die Flüchtlinge betreut. Sie zähle nicht, sagt sie - aber es werden wohl so 3.000 Menschen sein, denen ihr Verein und sie seit zwei Jahren geholfen habe oder helfe. Viele von ihnen seien hin- und hergerissen: Die Wohnung ist zerbombt, das Haus steht nicht mehr, der Arbeitsplatz ist zerstört. Viele wollen nach Hause - aber dieses Zuhause gibt es nicht mehr.
Nicht genug Deutschkurse
Um bleiben zu können, sich integrieren und im gelernten Beruf arbeiten zu können, brauche es vor allem zwei Dinge, sagt Natalia Jentzsch: Man müsse Deutsch sprechen können und der Hochschul- oder Berufsabschluss aus der Ukraine müsse auch in Deutschland gelten. Beides sei nicht ganz einfach. Es gab und gibt zum Beispiel nicht genug Deutschkurse, wie auch der Landrat des Kreises Ludwigslust-Parchim, Stefan Sternberg (SPD), im Podcast erzählt. Der Verein "Sič" gibt deshalb eigene Deutsch-Kurse, auf einfacherem Niveau, so Jentzsch. Und auch diese Kurse seien stark nachgefragt, es gebe immer noch Wartelisten - die meisten ihrer Landsleute wollen so schnell wie möglich Deutsch lernen.
Langer Weg zur Berufsanerkennung
Die zweite Hürde ist die Anerkennung der Berufsabschlüsse. "Ein Riesenbollwerk", sagt Landrat Sternberg - viel Bürokratie, dezentrale Zuständigkeiten und viel zu langwierig. In seinem Kreis würden von den rund 950 aus der Ukraine Geflüchteten, die arbeiten könnten, rund 65 Prozent das auch tun. Viele arbeiten in der Gastronomie, in der Landwirtschaft oder in der Lebensmittelbranche - aber eben nur wenige in ihrem gelernten Beruf, weil es nicht geht. Integrations- und Deutschkurse dauern bis zu einem dreiviertel Jahr, danach käme noch ein weiterer Kurs, parallel dazu noch die Anerkennung des Berufsabschlusses - im schlimmsten Fall dauere das Ganze anderthalb Jahre, so Natalia Jentzsch.
Landrat Sternberg: "Wir sind viel zu bürokratisch"
"Dann hat man in Teilen auch die Hängematte kennengelernt", sagt Landrat Sternberg im Podcast - die soziale Hängematte. Seine Schlussfolgerung: die "Flamme am Brennen halten." Die Flüchtlinge wollten, wenn sie nach Deutschland kommen, für ihren Lebensunterhalt arbeiten - und würden dann ausgebremst. "Wir sind in der Berufsanerkennung zu schlecht, wir sind viel zu bürokratisch", so Sternberg. Und erzählt die Geschichte von einem Handwerksmeister, der ihm seinen Ärger mit der Bürokratie schilderte, als er versuchte, einen Ukrainer in seiner kleinen Firma einzustellen.
"Kinder sind der Schlüssel in die Familien"
Kinder würden am unvoreingenommensten aufeinander zugehen, sagt Landrat Sternberg. Seiner Tochter zum Beispiel helfe ein Junge aus der Ukraine in Mathe, sie ihm dafür in anderen Fächern. Die meisten Geflüchteten aus der Ukraine sind Frauen und schulpflichtige Kinder - und diese Kinder gehen in Deutschland zur Schule. Zuerst lernen sie zusammen Deutsch, dann werden sie auf die Schulklassen aufgeteilt. Ukrainische Lehrerinnen helfen dabei, sagt Natalia Jentzsch - sie dürfen zwar ohne Anerkennung nicht selbständig unterrichten, seien aber in den Klassen neben den deutschen Lehrern oder Lehrerinnen eine große Hilfe.