Zehn Jahre Mike Möwenherz: Hilfe für unheilbar kranke Kinder
Wenn Kinder unheilbar krank sind, dann brauchen sie eine starke Familie. Für die gibt es in Mecklenburg-Vorpommern seit zehn Jahren "Mike Möwenherz" - ein Expertenteam der Rostocker Unimedizin.
Als Nicole Reetz im Mai 2014 ihren ersten Arbeitstag im Möwenherz-Team hatte, stand sie noch ratlos am Eingang der Rostocker Kinderklinik. Ein eigenes Büro für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) gab es damals noch nicht. Und wie genau es gelingen sollte, schwerkranke Kinder und Jugendliche im ganzen Land Mecklenburg-Vorpommern zu betreuen, war den Initiatoren auch noch einigermaßen unklar. Trotzdem war die Kinderkrankenschwester voller Elan. Ihre Überzeugung: "Ich kann keine Diagnose ändern, aber ich kann gucken, dass ringsum alles gut ist für die Familie und dass Eltern sich auf ihr Kind konzentrieren können."
Partner helfen überall im Land
Hilfsmittel beantragen, eine Matratze finden, auf der der junge Patient gut liegt, geeignete Therapien und Medikamente auswählen. Die 14 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Teams stehen den Betroffenen mit Fachwissen und Erfahrung zur Seite, auch dann, wenn entschieden werden muss, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine Behandlung weiter fortzusetzen. Ärzte, Pflegekräfte, ein Psychologe, eine Sozialpädagogin und eine Ernährungsberaterin stehen im Notfall auch rund um die Uhr zur Verfügung - wobei sie im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern nur ein einziges Auto zur Verfügung haben. Jeanette Bigus, die das Projekt koordiniert, versucht, wo immer es möglich ist, Fragen per Mail oder Telefon zu klären. Aber: "Wir sind gerade am Anfang immer auch bei den Familien zuhause, damit man sich richtig kennenlernt." Und sie ist froh, dass es überall Partner wie die ehrenamtlich arbeitenden ambulanten Hospizdienste gibt.
"Stärke besteht auch darin, dass man etwas zulässt"
Der Onkologe und ärztliche Leiter Prof. Carl Friedrich Classen konnte es schon als junger Arzt nicht ertragen, dass Hausbesuche bei unheilbar kranken Kindern und deren Familien von unserem Gesundheitssystem nicht getragen wurden. Er ging damals kurzerhand nach Feierabend zu seinen Patienten. "Mike Möwenherz", der Name klingt nach Stärke. Classen allerdings hat in den vergangenen Jahren gelernt: "Stark hört sich so an, als ob man die Zähne zusammenbeißt und die Fäuste ballt. Aber oft besteht die Stärke ja auch darin, dass man etwas zulässt und zum Beispiel erkennt, wie wertvoll ein schöner Vormittag sein kann." Sein Team sei dafür da, dass Familien die kostbare gemeinsame Zeit noch so gut wie möglich nutzen können, ohne allzu viele Stunden in Wartezimmern oder Krankenhäusern zubringen zu müssen, in denen ohnehin nicht mehr geheilt werden kann.
Recht auf Palliativversorgung
Seit dem Jahr 2007 ist es per Gesetz geregelt, dass jeder unheilbar Kranke ein Recht auf eine solche ambulante Palliativbetreuung hat, und dass die Krankenkassen das bezahlen müssen. Über die Details allerdings müssen die Rostocker noch immer viel diskutieren. Kinderkrankenschwester Nicole Reetz wünschte sich vor allem etwas mehr finanzielle Unterstützung: Die Stelle der Sozialpädagogin und viele Therapien müssen derzeit noch über Spenden bezahlt werden. Und auch ein einziger Psychologe im Team sei viel zu wenig. Warum sie trotzdem nach wie vor mit vollem Engagement dabei ist? "Wir bekommen ganz viel Anerkennung. Und, ich bin ein sozialer Mensch, es tut einfach gut, helfen zu können."