Zahl der Versuchstiere in MV ist rückläufig
Der 24. April ist der Internationale Tag des Versuchstieres. Er wurde vor 61 Jahren ins Leben gerufen, um auf das Leid der Versuchstiere weltweit aufmerksam zu machen. Tierschützer kritisieren aber weiterhin: Tausende Mäuse, Hühner oder auch Rinder leiden noch immer unnötig für die Forschung.
Etwa 32.000 Tiere wurden 2021 in Mecklenburg-Vorpommern für Forschungszwecke eingesetzt - zwölf Prozent weniger als im Jahr 2020. Das zeigen aktuelle Zahlen des Landesamts für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei (LaLLF). Die Behörde genehmigt Tierversuche in Mecklenburg-Vorpommern. Am häufigsten wurden Mäuse, Fische und landwirtschaftliche Nutztiere wie Rinder und Schweine für Versuche oder Testreihen genutzt. Getestet wird aber auch an Ratten, Kaninchen und Hühnern.
Strenge Auflagen für die Genehmigung von Tierversuchen
Nur Forschungseinrichtungen wie zum Beispiel Universitäten dürfen Versuche beantragen. Es gibt strenge EU-Vorschriften, auch mit dem Ziel, Tierversuche so weit wie möglich zu reduzieren. Genehmigt werden die Versuche vom LaLLF nach strengen Kriterien. Beraten wird dieses von der Tierversuchskommission - einem Expertenrat aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Weltweit einzigartig in Deutschland: Beim Bundesinstitut für Risikobewertung gibt es eine Datenbank, die alle genehmigungspflichtigen Versuche bundesweit transparent abbildet. Seit Juni 2021 gibt es zudem die Initiative "Transparente Tierversuche", die eine transparante und offene Diskussion zur Forschung mit Tieren vorantreiben will. Zu ihr gehören unter anderem die Universitäten Rostock und Greifswald.
Können Kühe lernen, auf Toilette zu gehen?
Die Themen der Tierversuche sind vielfältig. Es geht um Grundlagenforschung zu Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer. Neue Impfstoffe werden getestet, zum Beispiel gegen die Afrikanische Schweinepest oder es wird erforscht, wie sich Fledermäuse in der Nähe von Windrädern verhalten. Es gibt Versuche, wie Hühner, Enten und Gänse auf Insektenfütterung reagieren oder Aquakulturen ökologisch desinfiziert werden können.
Im Forschungsinstitut für Nutztierbiologie in Dummerstorf wird das Stressverhalten von Schweinen und Puten untersucht oder geschaut, ob man Kälber so trainieren kann, dass sie nur eine Ecke des Stalls als Toilette nutzen, um Ställe leichter ausmisten zu können. Die Befürworter von Tierversuchen sagen zudem, sie seien weiterhin notwendig, zum Beispiel als erste Testphase bei der Zulassung eines neues Medikaments. Denn bislang wird zuerst immer an Tieren getestet, danach erst an Menschen.
Ärztin: "Wir sind keine 75-Kilo-Ratten"
Tierschützer argumentieren, die Ergebnisse von Tierversuchen seien wenig hilfreich für die Forschung am Menschen. Dr. Gaby Neumann vom Verein "Ärzte gegen Tierversuche" in Köln hat eine klare Meinung: "Wir sind keine 75-Kilo-Ratten. Zwischen Menschen und Tieren gibt es gravierende Unterschiede in wichtigen Bereichen wie Körperbau, Organfunktion, Stoffwechsel, Hormon- und Immunsystem. Deshalb lassen sich Ergebnisse aus Tierversuchen nicht auf die menschliche Situation übertragen." Die Medikamenten-Entwicklung sei ein gutes Beispiel für die schlechte Effektivität von Tierversuchen, sagt Neumann.
Mehr als 90 Prozent der Medikamente, die in Tierversuchen sicher und wirksam waren, scheiterten in den Tests an Menschen. Sie wirkten gar nicht oder verursachten starke Nebenwirkungen, so die Ärztin. Penicillin und Aspirin wären vor 100 Jahren nie auf den Markt gekommen, wenn es die heute verpflichtenden Tierversuche zur Medikamentenzulassung damals gegeben hätte. Beide Wirkstoffe hätten bei Versuchstieren gravierende Nebenwirkungen bis hin zum Tod, argumentiert der Verein "Ärzte gegen Tierversuche". Das Fazit von Richard Klausner, einem renomierten US- Krebsforscher, lautet: "Seit Jahrzehnten heilen wir Krebs bei Mäusen, bei Menschen klappt es einfach nicht."
Künstliche Intelligenz könnte Tierversuche ersetzen
Gaby Neumann meint, es gebe viele Methoden, die viel effektiver, schneller und kostengünstiger seien als Tierversuche, zum Beispiel Computerprogramme, die mit künstlicher Intelligenz und Algorithmen arbeiten. Aus menschlichen Stammzellen könnten Forscher zudem schon jetzt kleine Mini-Organe herstellen. Sie besitzen vergleichbare Funktionen wie die großen Organe.
"Es gibt schlagende Mini-Herzen, urinproduzierende Mini-Nieren oder verstoffwechselnde Mini-Lebern. Verbindet man mehrere dieser Organe auf einem sogenannte Organchip mit einem künstlichen Flüssigkeitskreislauf untereinander, lassen sich Wirksamkeit von Substanzen oder Medikamenten testen. Wenn diese Stammzellen von einem Patienten stammen, tragen diese die Krankheiten eines Menschen in sich. Dieses Mini-Gehirn eines Alzheimerpatienten hat also auch Alzheimer. Das ermöglicht personalisierte Forschung und Therapie." Dann wisse man, wie menschliche Organe auf eine Substanz reagieren und eben nicht, wie eine Ratte darauf reagiert, so Gaby Neumann.