Wirbel an Gymnasium: Es geht in Ribnitz-Damgarten um mehr als nur um Schlümpfe
Das Richard-Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgarten ist seit Tagen einer Hetzkampagne ausgesetzt. Es geht um einen Schulleiter, der die Polizei alarmierte und um ausländerfeindliche Posts. Der Fall sorgt für Wirbel. Am Dienstagvormittag ging die Ankündigung eines vermeintlichen Amoklaufs an der Schule bei der Polizei ein.
Der am Vormittag im Polizeihauptrevier Greifswald eingegangene Drohanruf ist vorerst das letzte Kapitel einer Geschichte, in der sich die Gemüter immer weiter zu erhitzen scheinen. Die Polizei gab schnell Entwarnung. Ein männlicher Anrufer habe angegeben, am Ribnitzer Gymnasium Amok laufen zu wollen. Sofort fuhr ein Funkstreifenwagen an der Schule vor. Schnell wurde den Beamten klar, dass nicht von einer Ernsthaftigkeit auszugehen war. Doch worum geht es genau in dem Fall am Gymnasium in Ribnitz-Damgarten (Landkreis Vorpommern-Rügen), der derzeit bundesweit für Schlagzeilen sorgt?
Ein Aufklärungsgespräch mit Folgen
Ende Februar wandte sich der dortige Schulleiter an die Polizei. Er hatte einen Hinweis bekommen, dass eine Schülerin rechtsextremes Gedankengut über Social-Media-Kanäle verbreite. Die Polizei sei daraufhin gekommen und das Mädchen wurde zu einem Aufklärungsgespräch "mit präventivem Charakter" aus dem Unterricht herausgeholt. Die Polizei betont: Von den Mitschülern der Klasse seien die Beamten nicht wahrgenommen worden. Ganz anders wird der Fall seitens der AfD geschildert.
AfD macht aus dem Vorfall einen Skandal
Der Vorfall am Gymnasium wird von der Partei skandalisiert. Der Polizei und dem Schulleiter wird unterstellt, eine Schülerin wegen eines angeblich AfD-freundlichen Posts in den sozialen Medien, der einen blauen Schlumpf zeige, aus dem Unterricht geholt zu haben. Die AfD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern veröffentlichte reißerische Handschellen-Fotos, ihr Abgeordneter Enrico Schult behauptete, die 16-jährige Schülerin sei aus dem Unterricht "abgeführt" worden.
Auch Vertreter der Bundes-AfD äußerten sich ähnlich. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch behauptete, Anzeige gegen den Schulleiter gestellt zu haben. Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel sprach von "staatlicher Gängelung". Der Berliner AfD-Politiker Georg Pazderski rückte den Vorgang in die Nähe von Stasi-Methoden.
Acht Screenshots rücken in den Fokus
Nach neuesten Erkenntnissen wird nun aber deutlich, dass es um mehr als die vermeintlich harmlosen "Schlümpfe" ging. "Der Anlass, zu dem die Polizei gerufen wurde, war kein in sozialen Medien veröffentlichtes 'Schlumpf-Video'", betont die Polizei. Stattdessen rücken acht Screenshots in den Blickpunkt, die dem Schulleiter nach Angaben der Polizei von einer Hinweisgeberin zugespielt wurden. Sie sind offensichtlich ausländerfeindlich und gespickt mit rechter Symbolik. Das Gesamtbild hatte den Schulleiter zum Handeln veranlasst. So erfolgt nach Angaben des Bildungsministeriums in Schwerin bei Besitz, Erstellung oder Verbreitung von Textnachrichten, Fotos oder Videos eine Abstimmung mit der Polizei zum weiteren Vorgehen, wenn ein strafrechtlicher Hintergrund nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann.
Völlig unterschiedliche Bewertungen
Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg (Die Linke) sagte dem NDR, dass der Schulleiter "vollkommen richtig" gehandelt habe. Sie verwies auf eine Vorschrift, die 2010 als Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden erlassen worden sei. Die Reaktionen der AfD auf den Vorfall bezeichnete die 54-Jährige als "Hetze auf Kosten der Schüler, der Lehrer und der gesamten Schule." Der Sprecher der AfD in MV bewertet die Situation vollkommen anders. Leif-Erik Holm sagte dem NDR: "Postings, die keine strafrechtlich relevanten Inhalte enthalten, sind keine Verbrechen und erfordern keinen Polizeieinsatz." Angesprochen auf das Vorgehen der Polizei sagte er: "Wenn überhaupt, dann hätte ein Gespräch des Schulleiters mit dem Mädchen und seinen Eltern nach Schulschluss stattfinden müssen, und zwar am besten bei ihnen zuhause. Es wurde völlig überreagiert und mit Kanonen auf Spatzen geschossen." Kay Czerwinski, der Vorsitzende des Landeselternrats, ist der Ansicht, dass die Schulleiter hervorragende Arbeit machen. Im konkreten Fall hätte er sich aber eine "pädagogische Ansprache" mit den Eltern der Schülerin gewünscht. Er erwähnte aber auch, dass es richtig sei, "lieber einmal mehr die Polizei zu rufen, als einmal zu wenig."
Polizei beschreibt die acht Bilder detailliert
Die relevanten Screenshots, die die 16-Jährige offenbar via TikTok und Instagram verbreitet hat, liegen der Polizeiinspektion Stralsund vor und werden von ihr im Detail beschrieben. Demnach zeigt ein Screenshot den Kopf einer vermummten, weiblichen Person mit hellem Haar, beschrifteter Strickmütze und Kapuze - laut Polizei vermutlich die betreffende Schülerin. Im Vordergrund steht "nix yallah yallah". Der Nutzername unten links ist mit einer Deutschlandfahne versehen, darunter die Zahl 1161 und diverse Hashtags. Die Zahl 1161 wird unter anderem im Internet als Code für "Anti-Antifaschismus" genutzt. Auf den Kapuzenpullover sind die Buchstaben "HH" aufgestickt. In der Szene stehen sie für "Heil Hitler".
Herkunft der Screenshots eindeutig
Weitere Inhalte transportieren unter anderem bekannte Parolen und Symbole der rechten Szene. Ein Instagram-Profil wird mit folgendem Spruch betextet: "heimat freiheit tradition, multikulti endstation". Der Satz wird mit der rechtsextremen "Identitären Bewegung" in Verbindung gebracht. Ein Polizeisprecher betonte am Dienstag, dass sämtliche Internet-Posts der 16-jährigen Schülerin zuzuordnen seien.
Hetzkampagne gegen den Schulleiter
Bereits vergangene Woche hatte das Landesbildungsministerium erklärt, aufgrund zahlreicher E-Mails und Drohanrufe an der Schule ermittele der polizeiliche Staatsschutz. Die Linke im Schweriner Landtag sprach am Montag von einer orchestrierten Hetzkampagne gegen den Schulleiter, die brandgefährlich sei. Der Schulleiter, dessen Klarname samt Foto im Internet veröffentlicht wurde, wird im Netz bedroht. Dass dem Gespräch mit der Schülerin ein Schlümpfe-Video auf dem Kanal TikTok zu Grunde liege, hatte die Mutter der 16-Jährigen in einem Artikel in der der AfD nahe stehenden Wochenzeitung "Junge Freiheit" behauptet.
Banner wurde sichergestellt
An der betroffenen Schule kam es am Montag zu einem weiteren Polizeieinsatz. Ein Video im Internet zeigt schwarz gekleidete Menschen, die ein Banner mit der Aufschrift "Heimatliebe ist kein Verbrechen" vom Dach lassen. Darauf ist auch ein Schlumpf abgebildet. Die Polizei konnte das Plakat sicherstellen. Sie ermittelt wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs.