Wenn Rettungsschwimmer auch an Land Leben retten
In Graal-Müritz hilft die DLRG-Ortsgruppe nicht nur bei Badeunfällen, sondern leistet bei Notfällen auch schnelle Hilfe an Land. Dann ist die First-Responder-Einheit oft schneller vor Ort als der Krankenwagen.
Den gesamten Sommer lang stehen die Ehrenamtlichen der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) tagsüber auf der Rettungsstation im Osteebad Graal-Müritz unweit der Seebrücke. Sie beobachten die Badenden, sollen Urlauber wie Einheimische im Notfall vor dem Ertrinken retten. Doch die Wasserretter haben auch den Rest von Graal-Müritz im Blick. Seit 2016 betreiben sie im Auftrag der Gemeinde eine sogenannte First-Responder-Einheit. Die schnelle Eingreiftruppe rückt auf ihrem mit Notfallkoffer und Defibrillator ausgerüsteten Quad aus, um auch an Land Leben zu retten, wenn die Rettungsleitstelle des Landkreises Rostock Alarm schlägt.
Innerhalb weniger Minuten vor Ort
"Während der Saison sind wir ja sowieso da, von 9 bis 18 Uhr immer hier am Strand", beschreibt DLRG-Ortsgruppenleiter André Rieckhoff den Vorteil des Teams. "Die First Responder sind entstanden, weil wir im Sommer viele Gäste in der Region haben und in Notfallsituationen schnell eingreifen wollen." Die Ersthelfer überbrücken die Zeit bis zum Eintreffen des Krankenwagens. Die nächste Rettungsstation befindet sich in Rövershagen, etwa zehn bis 15 Fahrminuten bei freier Straße entfernt. "Man merkt, dass sie da sind, dass sie es manchmal innerhalb von drei Minuten schaffen, da zu sein und Hilfe zu bringen", sagt Bürgermeisterin Benita Chelvier (CDU). Gerade in den Sommermonaten ist der Einsatz der Ehrenamtler für sie eine sinnvolle Ergänzung zum Rettungskonzept des Ostseebades.
Fahrradunfälle, Herzinfarkte, Brandverletzungen
"Für extreme Spitzen während der Saison kann der Rettungsdienst für unsere Urlaubsregion kaum ausreichend Kapazitäten bereithalten", erklärt Rieckhoff. Dann ist der 4.200 Einwohner große Ort Ziel zahlreicher Urlauber. Die Hotels und Herbergen verfügen über etwa 6.000 Betten. So versorgen die DLRG-Ersthelfer im Durchschnitt siebenmal im Monat medizinische Notfälle in der Gemeinde. Darunter Fahrradunfälle, Herzinfarkte oder Brandverletzungen. "Mit Spiritus hantiert, den Grill angemacht und das Gesicht verbrannt", erinnert sich Rieckhoff an einen drastischen Einsatz. "Das ist ein Fall, der eine spezielle Versorgung erfordert. Und wenn wir da auch eine schnelle Rückmeldung an die Rettungsleitstelle geben können, ist die qualifizierte Behandlung durch die Rettungssanitäter natürlich auch schneller."
Hilfe zu leisten gibt ein gutes Gefühl
Warum investieren die Freiwilligen der First-Responder-Einheit einen Großteil ihrer Freizeit in das Ehrenamt? Susann Stark, hauptberuflich Mitarbeiterin in der Gemeindeverwaltung, muss nicht lange überlegen: "Es ist einfach ein sehr, sehr gutes Gefühl, Menschen in Situationen zu helfen, in denen sie alleine nicht weiterkommen würden." Sie ist seit einigen Jahren in der Ortsgruppe aktiv und hat seitdem zahlreiche notfallmedizinischen Lehrgänge absolviert. Für ihren Dienst bei den First Respondern braucht sie rein rechtlich keine besondere Ausbildung. Die Mitglieder der Einheit haben aber alle mindestens eine sogenannte Sanitätshelferausbildung.
Nachwuchsarbeit zahlt sich aus
In Mecklenburg-Vorpommern verfügt mancherorts auch die Freiwillige Feuerwehr über eine First-Responder-Einheit. Andernorts werden ehrenamtliche Ersthelfer per App zu einem Notfall alarmiert. Für übertragbar auf andere Seebäder hält der Ortsgruppenvorsitzende Rieckhoff seine Einheit kaum. Schließlich sei die Arbeit nicht möglich ohne zahlreiche Spenden für Gebäude und Geräte. Die Gemeinde unterstütze außerdem die Jugendarbeit, sodass die Retter in Graal-Müritz keine Nachwuchsprobleme haben.
Schon vor 50 Jahren mit Rettungswagen ausgestattet
Dass die DLRG vom Strand ausrückt, um medizinische Notfälle auch an Land zu versorgen, ist indes keine neue Idee. So betrieb die Wasserrettung bereits vor rund 50 Jahren einen eigenen Rettungsdienst. Sie verfügte sogar über einen Krankenwagen, mit dem Notfallpatienten ins Krankenhaus gebracht werden konnten. Einen Rettungswagen haben die heutigen First Responder nicht. Aber seit 2019 sind sie das ganze Jahr über in Alarmbereitschaft: Im Winterhalbjahr, wenn die Rettungsstation am Strand unbesetzt ist, rücken die First Responder bei einem Notfall von zuhause aus. Für das Team um Susann Stark und André Rieckhoff ist es eine deutlich ruhigere Zeit, wenn das Urlausbziel an der Ostsee in den Winterschlaf geht.