"Weiße Flotte": Viele Tücken für die Fähre nach Hiddensee
Enge Fahrwasser, rasche Wetterwechsel und Untiefen - die Gewässer zwischen Rügen und Hiddensee stellen Kapitäne vor große Herausforderungen. Wann die Fähren im Hafen bleiben, entscheidet jeder Kapitän für sich.
"Jo, Olaf, alles klor. Wir gehen durch!" Funkspruch von Jens Wehling, Kapitän auf dem Motorschiff "Gellen", an den Kapitän der Motorfähre "Vitte". "An dieser Stelle ist das Fahrwasser so schmal, dass wir nicht aneinander vorbeikommen", zeigt Jens Wehling auf einen elektronischen Kartenausschnitt des Vitter Boddens. Knapp zehn Meter ist die "Vitte" breit, die "Gellen" fast acht. "An dieser Stelle ist das Fahrwasser zwar 2,50 Meter tief, aber nur 15 Meter breit. Und direkt daneben ist das Wasser knietief." Das erfordert höchste Konzentration. Es ist später Nachmittag und die beiden Motorschiffe der Reederei Hiddensee bringen Handwerker, Geschäftsleute und einige wenige Einheimische von den drei Inselhäfen Kloster, Vitte und Neuendorf nach Schaprode.
Seit 40 Jahren im Dienst
Kapitän Jens Wehling kennt die Gewässer zwischen Rügen und Hiddensee gut. Fast 40 Jahre arbeitet er für die Reederei, seit 24 Jahren davon als Kapitän. Gerade bei starkem Wind und Dunkelheit ist die Navigation sehr herausfordernd. "Ein Abwettern wie in der Seefahrt ist uns mit diesen Schiffen in diesem Revier leider nicht möglich. Wenn wir eine Schlechtwetterfront kriegen, müssen wir versuchen, das Schiff in Fahrt zu halten, um im Fahrwasser zu bleiben", erklärt Jens Wehling. Stündlich hört er über Funk den Seewetterbericht.
Einsatz für die DGzRS
Wie rasch sich das Wetter ändern kann, hat er zu spüren bekommen, als das Motorschiff kürzlich an einer engen Fahrwasserstelle von einer Sturmböe der Stärke zehn Beaufort erfasst und an den Fahrwassersaum gedrückt wurde. Das war gegen 7:30 Uhr. "Wir haben den Linienverkehr bei einer Windstärke von sieben bis acht aufgenommen." Eine halbe Stunde nach dem Ablegen saßen die acht Fahrgäste und die vierköpfige Besatzung fest. Die Passagiere wurden vom Seenotrettungskreuzer "Nausikaa" an Land gebracht.
Rasche Wetterwechsel im Winter normal
Dass die raschen Wetterwechsel für den Winter normal sind, weiß Wetterexperte Uwe Ulbrich vom Wetterstudio Hiddensee. Zwischen sonnig kalt und wolkig mild liegen manchmal nur wenige Stunden. "In erster Linie sind die Luftmassen entscheidend, dann die Druckgebiete. Die Ostsee ist extrem windempfindlich, was den Wasserstand angeht. Da reicht es, wenn in der mittleren oder nördlichen Ostsee ein Sturm herrscht, von dem wir gar nichts mitbekommen. Dann wird das Wasser weiter nach Süden gedrückt und die Wasserstände bei uns steigen - obwohl es windstill oder windschwach ist", erklärt er den Zusammenhang.
Sicherheit geht vor
"Ob eine Fähre ausläuft oder nicht, entscheidet in erster Linie der Kapitän", sagt Martin Breitkreutz, Prokurist bei der Weißen Flotte. "Entscheidend sind Windstärke, Wasserstand und die Windrichtung", ergänzt Kapitän Jens Wehling, "bei südlichen Winden haben wir auch mal ganz schnell 50 Zentimeter bis einem Meter Wasserstand unter Normal. Faktoren, die den Fährverkehr erschweren."
Robert Ott aus Vitte hat Verständnis, wenn der Fährverkehr sturmbedingt eingestellt werden muss: "Das ist das Inselleben. Da muss man die Anreise vorziehen oder versuchen, Termine zu verschieben." Doch nicht alle Hiddenseer sind mit der Fährsituation zufrieden. Hannelore Ingenohl lebt seit 1977 auf der Insel und müsste eigentlich zum Anwalt nach Stralsund. Doch weil es bis zum Frühjahr keine direkte Schiffsverbindung von Hiddensee nach Stralsund gibt, schiebt sie ihren Termin noch auf. Denn eine Fahrt in die Hansestadt bedeutet für die Rentnerin eine Dreiviertelstunde Fährfahrt nach Schaprode, eine einstündige Busfahrt nach Bergen und anschließend eine halbe Stunde Fahrt mit der Bahn nach Stralsund. "Sonst ist ja wenigstens noch eine Fähre über den Jahreswechsel gefahren", ist sie enttäuscht.
Ausfälle wegen Eisgang
Warum nur die Linie Schaprode - Hiddensee bedient wurde, erklärt Prokurist Martin Breitkreutz so: Im Winter 2022/23 mussten viele Fahrten aufgrund von Eisgang auf der Strecke Stralsund - Hiddensee ausfallen und das Deutschlandticket, das viele Passagiere nutzen würden, um kostenfrei auf die Insel zu gelangen. Und das gelte nur auf der Strecke Schaprode - Hiddensee.