Im Wald steht ein Laserscanner der die Bäume vermisst. © Franziska Drewes Foto: Franziska Drewes
Im Wald steht ein Laserscanner der die Bäume vermisst. © Franziska Drewes Foto: Franziska Drewes
Im Wald steht ein Laserscanner der die Bäume vermisst. © Franziska Drewes Foto: Franziska Drewes
AUDIO: Der Wald der Zukunft im Test (3 Min)

Wald im Klimastress: Landesforst testet Baumarten für die Zukunft

Stand: 20.03.2024 19:00 Uhr

Am Internationalen Tag des Waldes machen die Vereinten Nationen auf das wichtige Ökosystem und den Rekord-Kohlendioxidspeicher aufmerksam. Allerdings: In Mecklenburg-Vorpommern ist nur jeder sechste Baum gesund. Die Landesforstanstalt sucht nach Lösungen für einen klimaangepassten Wald.

von Franziska Drewes

In einem Landeswald bei Dargun (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) wachsen heimische Buchen neben Japanischen Lärchen. Eric Thurm arbeitet im Versuchswesen der Landesforstanstalt. Er stellt einen Laserscanner in die Fläche und schaltet seinen hochmodernen Helfer an. Dieser leuchtet und piept beim Hochfahren. "Vorher haben wir nur den Durchmesser und die Höhe des Baumes messen können. Der Laserscanner bietet die Möglichkeit, ein 3D-Bild des Baumes zu erstellen. Damit können wir auch die Krone und Astwinkel viel besser vermessen. Wir sehen viel detaillierter, wie der Baum über die Jahre reagiert." Der hochwertige Laserscanner produziert ein Abbild des Waldes, quasi einen digitalen Zwilling, hoch aufgelöst mit gigantisch vielen Daten, die Eric Thurm später im Schweriner Büro auswerten wird.

Zukunft profitiert von der Vergangenheit

Der Waldabschnitt bei Dargun ist der älteste von rund 70 Versuchsflächen, die es in allen Regionen von Mecklenburg-Vorpommern gibt. Für sie ist Eric Thurm zuständig. Wer damals die Japanische Lärche gepflanzt hat, weiß er nicht. Die Fläche gehört seit 1953 zum waldwachstumskundlichen Versuchswesen der Landesforstanstalt. Aus Aufzeichnungen geht hervor, dass die Japanischen Lärchen hier vor 124 Jahren gepflanzt wurden, möglicherweise von einem experimentierfreudigen Förster. "Unsere Altvorderen haben nicht nur die Douglasie ausprobiert, sondern auch andere Arten, meist um die Wende zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert. Davon sind viele Baumarten auch nicht gelungen. Wir sehen jetzt quasi nur die Bäume, die funktioniert haben". So wachsen beispielsweise noch immer die Hemlocktanne, der Mammutbaum oder die Esskastanie in den heimischen Wäldern, weil sie offenbar sehr anpassungsfähig sind.

"Wir gucken hier in Mecklenburg-Vorpommern sehr stark nach Nordamerika und Japan, weil es jene temperierten Bereiche sind, die unseren verhältnismäßig ähnlich sind. Aber diese Baumarten mussten nicht die Eiszeit durchleben, in der hierzulande sämtliche Baumarten erfroren sind." Eric Thurm, Leiter des Sachgebietes Waldbau und Waldwachstum

Und so gibt es dort ein größeres Portfolio an Baumarten, von denen wiederum Mecklenburg-Vorpommern profitiert. Auf den Versuchsflächen des Landes wachsen Douglasien aus Kanada und Kalifornien seit den 1970er-Jahren. Auffallend ist, dass die Arten, die ursprünglich aus den wärmeren Regionen Kaliforniens kommen, hierzulande derzeit schlechter wachsen als die aus Kanada.

Japan in Mecklenburg-Vorpommern

Eric Thurm benötigt Geduld für seine Arbeit. Denn es ist ein langwieriger Prozess zu beobachten, wie Baumarten auf klimatische Veränderungen reagieren. Die Japanische Lärche bei Dargun hat sich über die Jahrzehnte bewährt. Anhand der Daten, die seit 124 Jahren vorliegen, kann der Forstwissenschaftler erkennen, dass die Japanische Lärche im Vergleich zur heimischen Buche ein immenses Wuchsvermögen hat. Beide Arten harmonisieren sehr gut miteinander, denn die Japanische Lärche benötigt mehr Licht, um gut gedeihen zu können. Dem passt sich die Buche an, sie steht unter dem Partner aus Asien und greift das wenige noch verbliebene Licht ab. Zudem kommt die Japanische Lärche bislang sehr gut mit extrem trockenen Phasen und erhöhten Temperaturen klar.

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Rund um Dargun gibt es drei weitere Versuchsflächen, auf denen zum einen nur Buchen wachsen, auf einer anderen Fläche stehen Buchen neben Douglasien und dann Buchen und Roteichen zusammen. Alle fünf Jahre schauen sich Eric Thurm und seine Kollegen die Flächen genauer an, um zu erfahren, wie die Baumarten aufeinander reagieren und voneinander profitieren. Das Ziel dabei: klimaangepasste Mischwälder, die auch mit späten Nachtfrösten klarkommen. "Auch wenn es immer wärmer wird, so wird weiterhin relativ spät im Jahr kalte Polarluft zu uns strömen. Und damit können natürlich mediterrane Baumarten überhaupt nicht umgehen." Diesem Spagat sind die Forscher ausgesetzt.

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Zukunftsvisionen anhand von Daten

Der 36-Jährige nutzt auch Daten aus anderen Ländern Europas, in denen es jetzt schon wärmer ist und er schaut, wie Baumarten dort reagieren. "Dort sind dann schon gar nicht mehr unsere Baumarten. Und das ist es, was es gerade so dramatisch macht. Je nachdem, wie warm es wird, dass wir uns nicht nur um die Wuchsleistung der Baumarten Gedanken machen müssen, sondern auch um die komplette neue Zusammensetzung." Anhand dieser Erkenntnis spricht sich der Wissenschaftler für einen temperaturangepassten Wald aus, der den Hochleistungswald ablöst.

Ein Berufsleben für den Wald

Eric Thurm wird sich wohl sein gesamtes Berufsleben damit befassen, welche Baumarten eine Chance haben und welche nicht. Er darf Waldbilder der Zukunft mit entwickeln und wird dafür auch neue Versuchsflächen anlegen - mit Baumarten, die hierzulande noch gar nicht im Fokus stehen. Aber genau das reizt den Forstwissenschaftler, der seine Doktorarbeit über die Mischpartnerschaft Douglasie-Buche geschrieben hat. "Ich lebe davon, dass Generationen vor uns diese Flächen angelegt haben, und ich lege neue Flächen so an, dass auch Generationen nach mir davon etwas haben." Eric Thurm ist sich sicher, sein Forschungszweig wird niemals aussterben. Die Menschheit wird sich immer mit der Frage befassen müssen, wie der klimaangepasste Wald der Zukunft aussehen wird.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 21.03.2024 | 08:00 Uhr

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Klimaschutz

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