Wahlkampf: SPD-Chefin Esken verspricht in Schwerin mehr Bildungsförderung
Die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken, hat bei einer Wahlkampfveranstaltung in Schwerin fehlende Bildungschancen von Kindern aus einkommensschwachen und migrantischen Familien beklagt. Sie forderte ein Start-Chancen-Programm für die Kitas.
Die SPD unter sich und irgendwie auf der Suche nach sich selbst: Saskia Esken kam auf Einladung der Spitzenkandidatin der Landes-SPD für die Bundestagswahl, Reem Alabali-Radovan, in die Landeshauptstadt. Rund 70 Menschen - die meisten mit SPD-Parteibuch - folgten der Einladung in den "Tisch" - einem Coworking-Space in der Innenstadt mit einer langen Theke und lockerer Atmosphäre. Gleich nebenan - nur durch Glastüren getrennt - trafen sich Mitarbeiter einer großen Vermögensberatung, auf deren Riesenleinwand flimmerte im Hintergrund das Autorennen-Videospiel Mario Cart, immer wieder begleitet von aufbrandendem Jubel.
Neue Bildungsoffensive für mehr Schulabschlüsse
Von Freudenstimmung war bei der SPD nicht viel zu spüren, der Abend wirkte eher wie eine Sitzung im Ortsverein, aber nicht wie feuriger Wahlkampf. Die Parteichefin machte sich für den SPD-Klassiker stark: Aufstieg durch Bildung. Es könne nicht sein, dass in einem reichen Land wie Deutschland jedes Jahr 50.000 Schüler ohne Abschluss blieben. Ein erweitertes Start-Chancen-Programm, dass auch in den Kitas wirke, soll Abhilfe schaffen, beispielsweise mit einer besseren Sprachförderung. Bildungserfolg dürfe nicht vom Elternhaus abhängen, meinte Esken. Die neue Bildungsoffensive will die SPD durch höhere Steuern für Vermögende finanzieren.
Esken gegen zentrales Bildungssystem
Fragen nach einer Vereinheitlichung des deutschen Bildungssystems parierte sie. Es sollte so föderal wie bisher bleiben, meinte Esken, allerdings müssten die Standards stärker angeglichen werden. Auch aus dem Publikum hieß es, angesichts möglicher Wahlerfolge anderer Parteien sei es doch gut, dass Bildung nicht zentral geregelt sei. Gemeint war die AfD. Die in Teilen rechtsextreme Partei, die in Umfragen mit Abstand vor der Kanzlerpartei SPD steht, war immer wieder Thema bei der sozialdemokratischen Selbstbefragung.
Warum kein AfD-Verbot?
Bei der Publikumsfrage, warum die AfD denn nicht verboten werde, zeigte sich Esken skeptisch. Ein Verbot sei mit hohen Hürden belegt, außerdem habe die AfD hohe Zustimmungswerte, vielleicht zu hohe, um verboten zu werden. Politik müsse die AfD inhaltlich stellen, außerdem gehe es darum, ihre Finanzströme und Netzwerke offenzulegen. Die Genossen grübelten auch darüber, warum die AfD so erfolgreich auf TikTok und den anderen Plattformen ist. Eine Antwort: Extreme Inhalte würden stärker verbreitet. "Wir wollen sachlich bleiben, wir sind faktenorientiert", stellte Esken dem entgegen.
Wahlplakate mit QR-Code
Trotzdem sollte die SPD gelegentlich auch emotionale Geschichten erzählen. Wie das passierten kann, blieb unklar. Alabali-Radovan verwies auf den QR-Code auf ihren Wahlplakaten. Wer den mit seinem Handy scanne, bekomme die neuesten Informationen und das werde immer besser genutzt. Dennoch: Auch Esken vermittelte eine gewisse Hilflosigkeit, besonders mit Blick auf den Tech-Milliardär Elon Musk und seine Wahlwerbung für die AfD. Dass mediale, finanzielle und politische Macht in einer Person vereint sei, gehe nicht.
Ansage gegen Musk
Meinungsplattformen gehörten nicht vollständig in private Hände, forderte die Parteichefin, um dann einzuräumen: "Das ist aber unsere Realität." Im Netz herrsche eine "extrem problematische Debattenkultur", die treffe vor allem Frauen und Migranten. Esken forderte die EU auf, verabredete Standards und Online-Regulierungen durchzusetzen. Außerdem: Medienbildung in den Schulen könne Kindern helfen, ein verantwortungsvollen und kompetenten Umgang mit den Dingen zu lernen. Vor allem Jungs müssten stärker gefordert werden, sie seien oft "Bildungsverlierer". Ihre Perspektivlosigkeit führe auch oft dazu, dass sie sich extremistischen Kräften zuwenden würden.
Dank an die Genossen
Am Ende - nach knapp anderthalb Stunden - riefen Alabali-Radovan und ihre Bundesvorsitzende dazu auf, am 23. Februar wählen zu gehen. Esken sprach die anwesenden Genossen direkt an, immerhin seien ja "schon ein paar da". Sie bedankte sich für deren Engagement. "Wir brauchen euch, wir brauchen eine aktive Partei, die für die Demokratie einsteht." Nach dem Schlussapplaus, der wie eine Art Selbstlob wirkte, nutzen die Mitarbeiter der Vermögensberatung aus dem Nachbarraum die Pause, um sich durch die SPD-Reihen zu schlängeln. Gestört haben sie nicht mehr - das Videospiel war eingepackt.