Tödlicher Raser-Unfall auf A20: Dreieinhalb Jahre Haft
Im August 2020 starben auf der A20 bei Wismar zwei Menschen bei einem Verkehrsunfall. Der Angeklagte wurde heute vom Amtsgericht Wismar zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.
Am Amtsgericht in Wismar ist am Mittwoch das Urteil im sogenannten Raserprozess gefallen. Der 33-jährige Angeklagte ist zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt werden. Zudem muss er seinen Führerschein abgeben. Damit ist das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage gefolgt. Die Verteidigung hatte einen Freispruch gefordert.
Mehrere Vorwürfe im Prozess bestätigt
Der Richter sah Beweise für mehrere Vorwürfe: Fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung, Gefährdung des Straßenverkehrs und verbotenes Kraftfahrzeugrennen. Bei dem Urteil hatte der Richter die mildernden Umstände berücksichtigen müssen. Zum einen weil die Tat vor rund viereinhalb Jahren geschehen ist. Darüber hinaus sei der Angeklagte zuvor nie strafrechtlich in Erscheinung getreten.
Trotzdem betonte der Richter auch die verschärfenden Umstände der Tat. Durch den Unfall starben eine 19-Jährige und ein 48-Jähriger. Darüber hinaus wurde ein dritter Autoinsasse schwer verletzt. Laut Richter wäre der Verurteilte zudem noch schneller gefahren, wenn das Auto es hergegeben hätte. Der verurteilte Bundeswehrsoldat durfte außerdem wegen seiner Alkoholabhängigkeit keine Militärfahrzeuge fahren. Daher hätte er laut Richter realisieren müssen, dass er auch privat kein Auto fahren dürfe.
Bundeswehrsoldat hatte Alkohol- und Beziehungsprobleme
Der Angeklagte aus dem brandenburgischen Eberswalde machte von Prozessbeginn an von seinem Schweigerecht Gebrauch. Aber durch die Ermittlungen und die Aussagen im Prozess lässt sich der Ablauf der Nacht vom 1. zum 2. August 2020 rekonstruieren: Der damals 28-jährige Angeklagte war über das Wochenende allein im Fliegerhorst im niedersächsischen Faßberg. Seine Bundeswehr-Auslandseinsätze in Mali hatten bei ihm ein Alkoholproblem ausgelöst. Dazu kamen Beziehungsprobleme mit seiner damaligen Freundin. Deswegen telefonierte er mit Kameraden, die das später auch im Prozess bezeugen mussten. Zu einem der Kameraden machte sich der Angeklagte auf den Weg nach Rostock.
Polizeikontrolle in Schleswig-Holstein
Schon auf der A1 zwischen Hamburg und Lübeck fiel der Soldat mit auffälliger Fahrweise auf. Ein Zeuge meldete das bei der Polizei und verfolgte den BMW bis zum Autobahnparkplatz "Auf dem Karkfeld", dem letzten Parkplatz auf der A20 in Schleswig-Holstein in Richtung Mecklenburg-Vorpommern. Der Angeklagte stellte dort den Verfolger zu Rede. Im selben Moment traf die Polizei ein. Ungewollt hört eine Zeugin das Gespräch mit, da sie in ihrem Fahrzeug daneben versucht hatte zu schlafen. Durch die Kontrolle wurde sie geweckt. Das Gespräch zwischen Polizei und dem Angeklagten konnte sie vor Gericht anhand von WhatsApp-Nachrichten wiedergeben. Die Zeugin hatte in der damaligen Nacht ihrem Freund ungläubig geschrieben, was neben ihr geschah. Demnach hat die Polizei mehrfach versucht, den Alkoholpegel des BMW-Fahrers zu messen. Obwohl das nicht gelang, ließen sie ihn weiterfahren.
Unfall in Mecklenburg-Vorpommern
Telefonierend fuhr der 28-Jährige weiter auf der A20 in Richtung Rostock. Nach etwa 45 Kilometern Fahrt kam es zum Unfall. Um etwa 2 Uhr kollidierte er mit der "bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit" von 249 km/h mit einem Pkw mit Greifswalder Kennzeichen. Der soll laut Gutachten mit etwa 100 km/h gefahren sein. Eine 19-Jährige auf der Rückbank links starb sofort. Der 45-jährige Fahrer vor ihr auch. Sein 19 Jahre alter Sohn auf der Beifahrerseite überlebte schwer verletzt. Im Krankenhaus wurden im Blut des leicht verletzten Unfallfahrers 2,1 Promille Alkohol festgestellt.
Prozess in Wismar öfter unterbrochen
Der Prozess gegen den Verursacher musste mehrmals neu angesetzt werden, bis er im Januar 2024 dann startete. Allerdings legte gleich zu Beginn ein Amtsarzt fest, dass jeder Prozesstag aufgrund seiner psychischen Erkrankungen maximal anderthalb Stunden dauern dürfe, da der Angeklagte der Verhandlung nicht länger folgen könne. Unter anderem deshalb dauerte der Prozess 35 Verhandlungstage. Ein weiteres Problem war, dass der Unfall vier Jahre zurücklag. Zeugen konnten sich nicht mehr an Details erinnern. Die Erinnerungen, die sie bezeugen konnten, wurden von der Verteidigung infrage gestellt. So wurden mehrere Aussagen über Bierflaschen, aus denen der Angeklagte selbst nach dem Unfall getrunken haben soll, bezweifelt. Auch Fragen wie, warum die Autobahn nicht beleuchtet gewesen sei, verzögerten den Prozess. Auch innerhalb des Plädoyers bezweifelt die Verteidigung, dass der Kleinwagen nachts mit eingeschaltetem Licht gefahren sei, was im Prozess durch Gutachten und Zeugenaussagen mehrfach widerlegt wurde.
Verteidigung will in die nächste Instanz gehen
Schon während des Prozesses hat die Verteidigung des Angeklagten immer wieder erwähnt, im Falle eines Schuldspruches den Prozess vor dem Schweriner Landgericht neu aufrollen zu lassen. Auch ein Prozess gegen die beiden Polizisten aus Schleswig-Holstein steht noch aus. Sie sind angeklagt wegen der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen und fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen. Durch die Erkrankung der zuständigen Richterin konnte der Prozess nach Angaben des Lübecker Gerichtes noch nicht durchgeführt werden. Einen neuen Termin gibt es noch nicht.