Telefonseelsorge Vorpommern: Gespräche, die noch lange nachhallen
Die Telefonseelsorge Vorpommern bietet seit 30 Jahren Hilfe für Menschen in Not. Ehrenamtliche wie "Johanna" stehen Anrufern in Krisen bei und schenken ihnen ein offenes Ohr - doch es fehlt an weiteren Helfern.
Wie hält man einen Menschen davon ab, sich das Leben zu nehmen? Mit dieser Frage müssen sich die 40 Ehrenamtlichen der Telefonseelsorge Vorpommern regelmäßig auseinandersetzen. Johanna ist eine von ihnen. Sie heißt eigentlich anders. Wie alt sie ist, woher sie kommt – all das darf hier keine Rolle spielen. Denn Anonymität ist eines der wichtigsten Gebote der Telefonseelsorge. Johanna übt das Ehrenamt seit mehreren Jahren aus, hat schon vieles gehört. Obwohl sie und ihre Kollegen professionell geschult werden: Es gibt Telefonate, die noch lange nachhallen.
Johanna erinnert sich an einen Mann, der während des Telefonats an einem Bahnsteig stand. Er sehe keinen Ausweg mehr, wolle sich das Leben nehmen, habe er gesagt: "Dann habe ich ihn gefragt, ob ich ihn begleiten kann die Bahnschienen entlang und dabei könnten wir ein bisschen erzählen." Über eine Stunde lang sprechen die beiden miteinander. Johanna weiß: Jedes Wort zählt. Bevor die beiden nach einem intensiven Gespräch auflegen, habe er sich bedankt. Und in seiner Stimme sei ein Funken Hoffnung zu hören gewesen, erinnert sich die Ehrenamtliche.
"Viele Anrufe gehen erst einmal ins Leere"
Einsamkeit, Krisen, Depressionen: Die Themen der Anrufer sind vielfältig. Und doch haben alle Hilfesuchenden eines gemeinsam: das Bedürfnis, mit jemanden zu reden. "Es ist oft so, dass wir eine Auffangmatte sind für Menschen, die eigentlich eine Therapie machen müssten, aber keine Termine bekommen", sagt Johanna. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes starben im Jahr 2023 rund 10.300 Menschen in Deutschland durch Suizid.
Wie wichtig die ehrenamtlichen Telefonseelsorger für die Gesellschaft sind, zeigt sich auch anhand dieser Zahl: Rund 6.000 Anrufe hat allein die Telefonseelsorge Vorpommern im vergangenen Jahr entgegengenommen. Dabei sei der Bedarf deutlich größer, sagt Dagmar Simonsen, Leiterin der Telefonseelsorge Vorpommern: "Viele Anrufe, die bei uns eingehen, gehen erst einmal ins Leere. Das ist in ganz Deutschland so. Wir bräuchten noch mehr Ehrenamtliche." Zuhören, Mut machen: Es sind die Kernaufgaben der Ehrenamtlichen, sagt Johanna: "Es gibt Anrufer, die fragen nach einem Ratschlag. Aber die meisten wollen einfach nur über ihre Probleme sprechen. Einen Impuls zu setzen, ist wichtig, aber Lösungen vorzugeben, das kann man nicht."
Herausfordernde Arbeit für die Seelsorger
In 130 Stunden werden die Ehrenamtlichen - egal ob Studenten, Rentner oder Berufstätige - ausgebildet, haben regelmäßig Weiterbildungen und Supervisionen. Mittlerweile sind sie nicht mehr nur per Telefon zu erreichen, sondern auch per Chat oder E-Mail. Das Ehrenamt der Telefonseelsorge sei eine herausfordernde Arbeit, macht auch Dagmar Simonsen deutlich.
Auch wenn die Ehrenamtlichen in der Anonymität arbeiten und in der Gesellschaft deshalb nicht so sichtbar sind, wie sie eigentlich sein sollten: Dagmar Simonsen wünscht sich mehr Anerkennung für die Arbeit. Gerade im finanziellen Bereich. Denn wie in vielen Bereichen des Ehrenamts ist auch hier das Budget knapp. "Wir sind 24 Stunden am Tag zu erreichen. Ich habe manchmal das Gefühl, es wird nicht immer so gesehen, dass wir eigentlich durchgehend Präventionsarbeit machen."