Täter von Magdeburg drohte 2013 in MV mit "Ereignissen"
Der Attentäter von Magdeburg hat längere Zeit in Mecklenburg-Vorpommern gelebt. In einem Streit mit der Ärztekammer sprach Taleb A. vor rund zehn Jahren schwere Drohungen aus.
Bei einer Pressekonferenz am Sonntagvormittag berichtete Innenminister Christian Pegel (SPD) über die neuesten Erkenntnisse über den Täter von Magdeburg. Taleb A. hatte demnach von 2011 bis 2016 in Stralsund gelebt. Dort durchlief er teilweise eine Facharzt-Ausbildung. Die Ermittler haben Akten gesichtet und Gespräche geführt. Daraus geht klar hervor, dass der Mann mehrmals mit Gerichten, Behörden und der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern in Konflikt geriet und Straftaten angedroht hat.
Mit "Handlungen von internationaler Beachtung" gedroht
In einem Streit mit der Ärztekammer sprach der heute 50-Jährige schwere Drohungen aus, sagte Pegel. Dabei verwies er auf den Anschlag in Boston 2013 - dort waren bei einem Marathon drei Menschen getötet und mehr als 140 verletzt worden. Im Jahr 2014 kam es zu einer ähnlichen Drohung, als er sich mit Behörden über soziale Unterstützung stritt. Erneut drohte er laut Innenministerium damit, er werde "Handlungen von internationaler Beachtung ausführen, an die man sich lange erinnern würde". Außerdem drohte er damit, sich das Leben zu nehmen.
Richter als Rassisten bezeichnet
Wegen seiner Äußerungen gegenüber der Ärztekammer wurde Taleb A. im Jahr 2014 zu 90 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Mit diesem Urteil war der Mann, der aus Saudi-Arabien stammt, nach Informationen von Pegel nicht einverstanden und wandte sich im Mai 2015 an die Justizbehörde - und beleidigte in einem Schreiben die Richter. Etwas später im selben Jahr wandte sich der Täter an die Petitionshotline der Bundesbehörde. Neben einer Beschwerde über das Urteil warf er dabei den Richtern Rassismus vor. Im Anschluss drohte er damit, sich eine Pistole zu organisieren und sich damit an den Richtern zu rächen.
Hausdurchsuchung und "Gefährderansprache" durch Polizei
Nach dem ersten Vorfall im Jahr 2013 hatte die Polizei die Wohnung von Taleb A. in Stralsund durchsucht, konnte aber keine Hinweise auf Anschlagsvorbereitungen, Bedrohung und Nötigung von Beamten feststellen. Im Jahr 2014 führte die Polizei eine "Gefährderansprache" durch. Dabei wiesen die Beamten Taleb A. darauf hin, dass strafrechtliche Handlungen zu unterlassen seien und welche Folgen eine Missachtung nach sich ziehen würde.
Taleb A. 2013 nicht als "Gefährder" eingestuft
Im Interview auf NDR Info erklärte Pegel am Montagmorgen, warum Taleb A. 2013 in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht als "Gefährder" eingestuft wurde: Sachsen-Anhalt habe nach dem Anschlag die Behörden aller Bundesländer angeschrieben, um abzugleichen, ob Erkenntnisse zu Taleb A. vorliegen. Dies sei ein "völlig normales Gebahren der Sicherheitsbehörden", so Pegel. Im Fall von Taleb A. liegen die Sachverhalte so weit zurück, dass die entsprechenden Akten aufgrund der Löschfristen nicht mehr vorlagen. Pegel zufolge musste man "auf das Wissen weniger Mitarbeiter, die sich erinnern konnten zurückgreifen". Schließlich hätten die damaligen Vorwürfe "nur" auf "Bedrohung und Beleidigung" gelautet. "Diese Dinge werden aber üblicherweise in einer bundesweiten Datenbank - wenn sie die Voraussetzungen erfüllen - abgelegt." Verurteilungen würden außerdem in einem entsprechenden Zentralregister abgelegt, so Pegel. "Gefährder- oder islamistisches Niveau hat er damals demnach nicht erreicht."
Nach Hausdurchsuchungen, die bei ihm durchgeführt wurden, gab es laut Pegel keinerlei Hinweise auf Islamismus. Das scheine auch heute noch so zu sein, dass er eher das Gegenteil eines Islamisten sei. Es habe 2013, zum Zeitpunkt seiner Verurteilung kein Niveau von politischer Motiviertheit gegeben, sodass auch keine Gefährder-Einstufung erfolgte. "In diesem Fall haben wir erst mal jemanden, der damals vor allem nur an sich selber gedacht hat," sagte Pegel. Im Streit mit der Ärztekammer sei es nicht darum gegangen, ob diese für oder gegen Islamismus gewesen sei.
Das Motiv für den Anschlag in Magdeburg bleibt somit weiter unklar. Im Falle einer politischen Motivation würde der Bundesanwalt die Ermittlungen übernehmen.
Hinweis der Redaktion: In der Regel sprechen die tagesschau und NDR.de bei Gewalttaten und Verbrechen bis zu einem Urteil von "mutmaßlichem Täter/mutmaßlicher Täterin" - je nach Formulierung auch von "Tatverdächtigen/Tatverdächtiger". Denn: Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.
Eine Ausnahme machen wir dann, wenn die Täterschaft gut belegt ist. So ist es auch im Fall des Anschlags von Magdeburg. Hier ereignete sich die Tat in der Öffentlichkeit. Taleb A. wurde festgenommen, nachdem er aus dem Tatfahrzeug ausgestiegen war. Deshalb sprechen wir künftig von Taleb A. als Täter und Todesfahrer und verzichten auf den Zusatz "mutmaßlich".
Auch der Pressekodex sieht dieses Vorgehen vor. In Richtlinie 13.1 heißt es dazu: "Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn (...) er die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind."
Wir haben den Artikel entsprechend angepasst.