Stralsund: Hängepartie bei geplanter Bundesakademie für Bevölkerungsschutz
Bis zu 10.000 Katastrophenhelfer und Zivilschützer sollen pro Jahr Lehrgänge in der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und zivile Verteidigung in Stralsund durchlaufen. Der Bund hat bislang aber keine Mittel in den Haushalt eingestellt.
Vor zwei Wochen tagten in Stralsund das Militär und Katastrophenschutzorganisationen. Im Mittelpunkt stand der Operationsplan. In ihm ist beschrieben, wie die zivil-militärische Zusammenarbeit im Falle eines Angriffs auf einen NATO-Staat laufen soll. Die Hansestadt sollte früheren Plänen des Bundes zufolge dabei eine wichtige Rolle einnehmen. Wenige Tage vor der Bundestagswahl im Herbst 2021 verkündete der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Bau einer Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und zivile Verteidigung in Stralsund. Ein letztes Wahlkreis-Geschenk von der scheidenden Kanzlerin Merkel, meinten Kritiker damals.
Ministerium: Derzeit Gegenstand von Prüfungen
100 Jobs in der Hansestadt für den - neben der Ausbildungsstätte in Ahrweiler - bundesweit zweiten Akademiestandort des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe - mit Gästehaus und Verwaltungsgebäude auf der Insel Dänholm. Ziel war, ab 2023 mit Schulungen und Tagungen zu beginnen. Bis zu 10.000 Schulungsteilnehmer sollten jährlich Kurse durchlaufen. Doch von dem Versprechen ist in Stralsund bislang nichts zu sehen. "In welchem Umfang diese an den konkret in Rede stehenden Standorten realisiert werden kann, ist derzeit Gegenstand von Prüfungen", heißt es auf Nachfrage des NDR aus dem Bundesinnenministerium in Berlin. Haushaltsmittel für das Vorhaben seien nicht eingestellt.
Stralsund: "Wir stehen Gewehr bei Fuß"
Die Hansestadt Stralsund hat sich nach der Entscheidung im Jahr 2021 vorbereitet: "Wir haben einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gemacht. Wir haben das Grundstück vermessen lassen. Wir haben die biologischen Kartierungen gemacht, die Biotop-Typen. Wir stehen Gewehr bei Fuß", so Stralsunds Bauamtsleiter Frank-Berthold Raith.
Bedenken wegen der Lage
Nach Angaben der SPD-Bundestagsabgeordneten Anna Kassautzki aus Greifswald konnte zumindest verhindert werden, dass das Projekt vollständig aus der Planung fällt. Ihren Aussagen zufolge habe es in Berlin Bedenken gegeben: Stralsund sei doch nicht so gut geeignet, weil die Stadt schlecht zu erreichen sei. Dabei war Stralsund mit dem Dänholm auch deshalb ausgewählt worden, weil hier vor allem die Wasserrettung geübt werden kann.
Amthor: Nur eine Zeitenwende der Ankündigungen
Kritik kommt unter anderem von Philipp Amthor, der für die CDU im Bundestag sitzt. Gerade jetzt unter den veränderten sicherheitspolitischen Bedingungen müsse man das Vorhaben eigentlich priorisieren: "Die vom Bundeskanzler angekündigte Zeitenwende ist offenbar nur eine Zeitenwende in den Ankündigungen gewesen, aber nicht in den Taten", so Amthor. Auch aus Stralsund kommen bedauernde Töne: "Ich glaube, in der heutigen Zeit wäre es ein sinnvolles Vorhaben gewesen", so Bauamtsleiter Raith.
Probleme mit der Immobilie?
Nach Lesart des Bundes gibt es über das fehlende Geld hinaus auch Probleme mit der Immobilie. Es konnte noch kein geeignetes Gebäude in Stralsund identifiziert werden, das für die Einrichtung der Bundesakademie geeignet sei, so ein Ministeriumssprecher. In Stralsund zeigt man sich über diese Aussage verwundert: "Wir haben ein Grundstück angeboten für einen Neubau mit einem Bestandsgebäude und Teilflächen, weil der Bund gesagt hat, die Akademie hat einen hohen Anspruch, da kommt nur ein Neubau in Frage", so Raith. An der Hängepartie wird sich wohl zumindest im nächsten halben Jahr nichts ändern. Es gibt noch keinen Bundeshaushalt für 2025. Der wird nach der Bundestagswahl wohl erst im Frühjahr beschlossen sein.