Steht die zentrale Digital-Behörde des Landes vor dem Aus?
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern reagiert offenbar auf massive Kritik an der schleppenden Digitalisierung der Landesverwaltung. Die zentrale Landesbehörde, das Zentrum für Digitalisierung MV, bleibt in jetziger Form wohl nicht bestehen.
Es wäre das Ende eines andauernden Scheiterns: Mehr als zwei Jahre nach der Gründung ist das Zentrum für Digitalisierung MV (ZDMV) noch immer nicht voll arbeitsfähig. Es sollte in allen Ministerien die Digitalisierung vorantreiben und die IT-Sicherheit gewährleisten. Das Ziel: Nicht jedes Ressort und Amt kocht in Sachen IT-Sicherheit und Beschaffung sein eigenes Süppchen. Stattdessen würde ein gemeinsames Dach die Dinge rund um Rechner, Software und Netze einfacher, schneller und effizienter machen. Was als IT-Landesamt gedacht war, hat sich nach Angaben der FDP-Opposition als Rohrkrepierer erwiesen. Auch der Landesrechnungshof hat dem Land zuletzt eine weitgehende Erfolglosigkeit bei der Digitalisierung bescheinigt. Im Zentrum seiner Kritik stand das ZDMV.
Personalkarussell dreht sich
Mittlerweile gibt es nach NDR Informationen mehrere Planspiele im Umgang mit der Behörde: Sie soll entweder komplett aufgelöst werden und in die Digitalisierungs-Abteilung des Innenministeriums aufgehen, die anschließend vom Finanzministerium übernommen wird. Möglicherweise ist die ungeklärte Zukunft der Abteilung auch ein Grund dafür, dass die Führungsetage seit Monaten unbesetzt ist.
Personell kündigen sich auch an anderer Stelle Konsequenzen an: ZDMV-Leiterin Corinna Crossaint-Kannt ist für einen Wechsel an der Spitze der Lotto-Gesellschaft MV im Gespräch, dort hört der Übergangschef Hubert Ludwig, der bis zu seiner Pensionierung das landeseigene Datenverarbeitungszentrum (DVZ) geleitet hatte, demnächst auf. Eine andere Variante: Das ZDMV bleibt bestehen und soll aber mit einer IT-Führungskraft aus dem Landesamt für Finanzen neuen Schwung bekommen.
Brandbrief gegen das IT-Landesamt
Innerhalb der Landesverwaltung gilt das ZDMV mittlerweile als dystopischer Ort: In den Ministerien kursiert beispielsweise ein Brandbrief des IT-Leiters im Landesamt für Innere Verwaltung (LAiV), einer Behörde, die dem Innenministerium unterstellt ist. Das ZDMV hatte den IT-Betrieb und die Systemadministration im LAiV im August 2024 übernommen. Auch das bisher im LAiV für die Aufgabe zuständige Personal wechselte ins ZDMV. Mit der Übernahme ging es in dem wichtigen Bereich der IT-Sicherheit und des digitalen Arbeitens offenbar steil bergab.
Überlastete IT-Mitarbeiter
Trotz der vielfältigen Aufgaben des LAiV, das unter anderem die E-Akte als Pilotbehörde einführen soll, hat die Leitung des ZDMV offenbar keinen Überblick über die anstehenden Arbeiten. Mitarbeiter seien mit dem Wechsel ins ZDMV mit zusätzlichen Arbeiten wie der IT-Beschaffung beauftragt worden. Das sei - so heißt es in dem Brief - "angesichts einer schon jetzt bestehenden extremen Belastung praktisch nicht möglich". Eine wichtige Aufgabe fiel offenbar ganz "hinten runter": Der Support der Mitarbeiter, wenn die akute Probleme mit ihrem Dienstrechner haben.
Arbeitszeiterfassung per Excel-Tabelle
Erschwerend komme hinzu, dass die ins ZDMV gewechselten Mitarbeiter nur mit eingeschränkt funktionierenden Laptops über alte Datenleitungen mit ihrer neuen Behörde kommunizieren müssten. Die Erfassung ihrer Arbeitszeit erfolgt laut Brief nicht digital, sondern wegen eines fehlenden Zeiterfassungssystems per Excel-Tabelle. Verabredete Treffen mit der Spitze des ZDMV seien oft ohne Ankündigung abgesagt worden. Auf Anfrage, wie die diversen Probleme bei IT-Anwendungen, Sicherheit und Betrieb gelöst werden könnten, habe das ZDMV nur "allgemein gehaltene Antworten" gegeben.
Landesamt nur eingeschränkt arbeitsfähig
Die Folgen sind offenbar verheerend: Der Stau an nicht erledigten IT-Aufgaben sei deutlich größer geworden, heißt es in dem Expertenbrief. Das LAiV könne "seine Aufgaben in bundesweiten Verbünden teilweise nicht mehr zeitgerecht erfüllen." Das Fazit liest sich vernichtend: Die Übernahme durch das ZDMV habe zu einer "deutlichen Verschlechterung der Erfüllung der IT-Aufgaben geführt." Das ZDMV sollte weitere Bereiche erst übernehmen, wenn Mitarbeiter eine angemessene Büroausstattung bekämen und die "ZDMV-Leitung bereit und in der Lage ist, sich mit den IT-Aufgaben und den IT-Problemen der abgebenden Behörden inhaltlich auseinanderzusetzen".
Ministerien gehen auf Distanz zum ZDMV
Der Ruf des ZDMV ist dermaßen beschädigt, dass alle anderen Ministerien alles daransetzen, das IT-Landesamt zu umgehen und weiter auf eigenes Personal zu setzen. Als eine Hauptverantwortliche für die missliche Lage gilt die Staatssekretärin im Innenministerium, Ina-Maria Ulbrich (SPD). Sie hatte ihre Vertraute Croissant-Kannt auf den Leitungsposten des ZDMV gehoben.
Innenministerium weist "Spekulationen" zurück
Offenbar will auch die Landesregierung die Augen vor dem massiven Problem nicht mehr verschließen. Als Lösung gilt eine Übertragung des Bereichs in das Finanzministerium. Minister Heiko Geue (SPD) ist mit seiner "MV-Beratung" ohnehin zuständig für die Modernisierung der Verwaltung. Geue wollte sich auf Anfrage nicht äußern, er zeigte zuletzt auffällig viel Interesse für digitale Themen, zum Beispiel bei einer Fachtagung des DVZ.
Staatssekretärin Ulbrich dagegen dementierte die Informationen über den bevorstehenden Umbau des ZDMV. Auf Anfrage teilte sie mit, dies "sind keine Überlegungen der Landesregierung und werden zurückgewiesen". Das Ministerium werde das ZDMV "weiter aufbauen". Nach NDR Informationen steht eine Entscheidung über die neue Digital-Organisationsstruktur nach Ende der Koalitionsverhandlungen im Bund an. Dort ist auch Innenminister Christian Pegel (SPD) gebunden: Für die SPD sitzt er in der Verhandlungsgruppe zum Thema "Digitalisierung".
