Schwesig zu Migration: Wir schaffen es praktisch nicht mehr

Stand: 20.06.2024 07:21 Uhr

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat ein Umsteuern in der Asyl- und Flüchtlingspolitik gefordert. Im Interview mit dem Deutschlandfunk sprach sie sich für eine deutliche Begrenzung der Migration aus und bekräftigte ihre Forderung nach Abschiebung von Straftätern.

von Stefan Ludmann

Vor zehn Tagen, am Wahlsonntag, dem 9. Juni fuhr die SPD eine herbe Niederlage ein - auch in Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Europawahl rutschte die Landes-SPD hinter AfD, CDU und BSW nur auf Platz vier, die SPD in Mecklenburg-Vorpommern schnitt noch schlechter ab als die Bundespartei. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) machte schnell die Ampel-Koalition in Berlin für das Debakel verantwortlich. Die SPD-Landesvorsitzende sagte schon am Wahlabend, die Bundespolitik müsse den Osten ernst nehmen.

Frustwähler bei Europa- und Kommunalwahl?

Schwesig vermied bewusst eine Art Wählerbeschimpfung. Wenn die AfD im Osten komplett vorne liege, dann seien die Wähler nicht rechts, "sondern dann ist da auch viel Frust dabei". Diesem Frust will Schwesig offenbar begegnen. Am Dienstag, beim Treffen der Ost-Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), schlugen die Länder-Regierungschefs Alarm. Der Bund müsse sich stärker um den Osten kümmern, konkret: die geplante Krankenhaus-Reform dürfe nicht dazu führen, dass im Osten Standorte dicht machen müssen.

Schwesig fordert Begrenzung der Migration

An diesem Mittwoch legte Schwesig nach. Sie formulierte deutliche Kritik an der Flüchtlings- und Asyl-Politik. Im Interview mit dem Deutschlandfunk schwenkte Schwesig dabei auf Aussagen von CDU, AfD und BSW ein, zehn Tage nach der Wahlniederlage forderte Schwesig eine deutliche Begrenzung : "Es geht nur, wenn die Zahl der ankommenden Flüchtlinge auch praktisch begrenzt wird, weil wir es praktisch nicht mehr schaffen - mit Wohnraum, mit Schulplätzen."

Pegel betonte Machbarkeit

Schwesig sieht das Land also jenseits der Belastungsgrenze. Dabei hatte ihr Innenminister Christian Pegel (SPD) zuletzt immer wieder betont, die Unterbringung von Flüchtlingen sei zwar herausfordernd, aber machbar. Von einer Situation, in der "wir es praktisch nicht mehr schaffen", war bisher keine Rede. Im Interview mit dem Deutschlandfunk erneuerte Schwesig auch ihre Haltung in Sachen Abschiebung von Straftätern. Auch hier verschob sie die Akzentuierung. Viele Menschen hätten "gerade kein gutes Sicherheitsgefühl", sagte Schwesig.

AfD-Landtagsfraktion wirft Schwesig "Ankündigungsrhetorik" vor

Es müsse ein deutliches Zeichen geben, "dass diejenigen, die zu uns kommen und eigentlich Schutz suchen, aber vor denen wir uns schützen müssen - weil es Straftäter sind - nicht bleiben können". Das sei die absolute Minderheit, ergänzte Schwesig mit Blick auf das Ausmaß des Problems. Aber jeder Fall sei einer zu viel. "Da müssen wir jetzt handeln", sagte die Regierungschefin. Auch Abschiebungen in Länder, "in denen es bisher schwierig war", müsse es geben. Die AfD-Landtagsfraktion spricht von eine "Ankündigungsrhetorik", die nicht viel wert sei. AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer meinte, Schwesig versuche, verloren gegangene Wähler zurückzugewinnen.

Meinungsverschiedenheit zwischen Koalitionspartnern

CDU-Fraktionschef Daniel Peters meinte, "Schwesigs plötzlicher Sinneswandel ist erstaunlich, wir erleben aber sehr oft, dass sie das eine sagt und das andere tut". Allerdings sei der Koalitionspartner nach wie vor nicht bereit, sich migrationspolitisch auch nur einen Millimeter zu bewegen. Wenn Schwesig ihre Äußerungen ernst meine, "dann muss sie Die Linke an die Luft setzen", meinte Peters. Bei ihrem Koalitionspartner in Schwerin beißt Schwesig mit ihren Aussagen weiter auf Granit. Die Linken-Landtagsabgeordnete Steffi Pulz-Debler sagte zum Weltflüchtlingstag an diesem Donnerstag, es müsse besser gelingen, Menschen aufzunehmen und zu integrieren und Vorurteile abzubauen. Wichtig sei, Fluchtursachen zu bekämpfen statt Menschen. Auf Anfrage erklärte Pulz-Debler, "in einer ohnehin überhitzten Debatte konservativen Argumenten das Wort zu reden, ist wenig hilfreich". Straftäter seien nicht das Hauptproblem in der Asyldebatte. Es gehe darum, die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, den Menschen, die Schutz brauchten, diesen auch zu gewähren. Das Thema spielt morgen auch eine Rolle in Berlin - dann treffen sich alle Länderchefs zur Ministerpräsidentenkonferenz - Kanzler Scholz ist auch dabei.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 19.06.2024 | 19:30 Uhr

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