Schwerin: Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, spricht auf einer Pressekonferenz nach einer Klausurtagung der Landesregierung. © Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa Foto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Schwesig wird den Makel der Russland-Nähe nicht los

Stand: 31.03.2022 15:06 Uhr

Es sollte ein Befreiungsschlag werden: Doch die Kritiker des Russland-Kurses von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) zeigen sich wenig beeindruckt. Schwesig hatte sich am Mittwoch an ihrem ersten Arbeitstag nach sechswöchiger Krankheit und Genesung von ihrer Russland-Politik der vergangenen Jahre distanziert - nicht nur der Opposition reicht das nicht.

von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV

Die Staatskanzlei hatte alles vorbereitet: Schwesig verlas am Mittwoch zum Ende einer Kabinettsklausur ein vorbereitetes Statement - zwei Seiten lang. Wie viele andere nannte sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin einen Kriegsverbrecher. Sie habe lange an einen "Dialog" und an wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit geglaubt, um im Gespräch zu bleiben. Putin habe mit seinem Angriffskrieg alle getäuscht. Im Nachhinein sei die Gründung der Klimastiftung, die mit russischem Geld aus Gasgeschäften finanziert wird, ein Fehler gewesen. Sie müsse aufgelöst werden.

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Simone Oldenburg (Linke) (l), stellvertretende Ministerpräsidentin, und Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, gehen nach einer Klausurtagung der Landesregierung zu einem Pressetermin. © Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa Foto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa

Schwesig räumt erstmals Fehler in Russland-Politik ein

Die Unterstützung des Baus der Pipeline Nord Stream 2 habe sich im Nachhinein als falsch erwiesen, so die SPD-Politikerin. mehr

Zu eigenen Fehler und Versäumnissen stand in dem Manuskript nichts. Erst auf mehrfache Nachfrage sagte Schwesig schließlich: "Mit dem Wissen von heute war die Unterstützung für Nord Stream 2 und die Stiftung ein Fehler. Und auch ich habe diesen Fehler gemacht." Mehr sagte Schwesig zu ihrer Rolle nicht.

Botschafter Melnyk: "Und das war's?"

Einem ihrer schärfsten Kritiker reicht das nicht. Der ukrainischer Botschafter Andrij Melnyk hatte der Ministerpräsidenten zu Beginn des Angriffs auf sein Heimatland bereits "Heuchelei" vorgeworfen - wegen ihrer Russland-Nähe. Auch Schwesigs Aussagen von Mittwoch sieht der Chef-Diplomat kritisch - auf Twitter schrieb Melnyk: "Und das war's? Fehler einzuräumen ist zwar gut. Politische Konsequenzen zu ziehen und die Nordstream-2-Katastrophe - auch aus deutscher Sicht - ehrlich aufzuarbeiten, sind halt zwei paar Schuhe."

CDU-Generalsekretär: "Schwesig hat sich gern täuschen lassen"

Nicht gut weg kommt Schwesig auch bei der Opposition im Landtag weg. Er könne gut verstehen, sagte CDU-Generalsekretär Daniel Peters, dass Schwesig "ihre Nebenaußenpolitik, ihre Werbeauftritte für Nord Stream 2 und ihr systematisches Kleinreden der russischen Aggression gegenüber der Ukraine gern vergessen machen will." Der Krieg gegen die Ukraine habe aber nicht am 24. Februar begonnen, sondern schon mit der Annexion der Krim. "Frau Schwesig sagt, sie sei getäuscht worden. Das ist höchstens die halbe Wahrheit. Sie hat sich gern täuschen lassen."

"Für mich war das wenig glaubwürdig"

Trotz vieler Hinweise, die es schon vor dem 24. Februar gegeben habe, habe Schwesig zu ihrer besonderen Nähe zu Russland gestanden - diese Nähe habe sich auch in der Bundes-SPD verkörpert. Dazu habe Schwesig in ihrem Statement nichts gesagt, so Peters: "Für mich war das wenig glaubwürdig." Das sieht auch die FDP-Fraktion so. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer David Wullf sagte auf NDR Anfrage, bisher habe Schwesigs Landesregierung bei der Klimastiftung und den Hilfen für die Ukraine geblockt - den Worten müssten zügig Taten folgen.

Grüne: Noch viele offene Fragen

Die Grüne Vize-Fraktionschefin Anne Shepley sagte, es werde sich erst zeigen, ob Schwesig es mit ihrem Fehler-Eingeständnis ernst meine. Noch immer würden Fragen offen bleiben, beispielsweise zu den Hintergründe der Klimastiftung. Schwesigs Justizministerium lehne noch immer die Verantwortung für die Stiftungsaufsicht ab - Fehler würden nicht transparent geklärt. Auch die Koordinatorin der Bundesregierung für maritime Wirtschaft und Tourismus, die Stralsunder Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Müller, vermisst ein offenes Eingeständnis von Fehlern und eine Entschuldigung. "Warum ist das so schwer?", fragte Müller auf Twitter an die Adresse von Schwesig. Müllers Partei hatte schon 2014 die Entscheidung der Landesregierung für den ersten Russlandtag massiv kritisiert.

AfD sieht keinen Grund für Fehlereingeständnis Schwesigs

Kopfschütteln gibt es auch bei der AfD - allerdings aus einem anderen Grund. Fraktionschef Nikolaus Kramer meinte, er könne nicht nachvollziehen, warum Schwesig ihre Russlandpolitik nachträglich als Fehler bezeichnet. Ohne die Annexion der Krim zu erwähnen, meinte Kramer, dass Russland völkerrechtswidrig in die Ukraine einmarschieren werde, habe niemand ahnen können.

Polnischer Gesandte und ukrainische Flüchtlingskinder auf dem Programm

Schwesig ist unterdessen weiter bemüht, ein neues Bild von sich zu vermitteln: Die SPD-Politikerin sucht jetzt verstärkt die Nähe zum EU-Partner Polen. Sie hat am heutigen Donnerstag mit Vertretern der polnischen Botschaft über die Lage der Flüchtlinge gesprochen. Die Regierungschefin besucht heute außerdem ukrainische Flüchtlinge in einer Unterkunft der SPD-nahen AWO in Schwerin - die Presse ist herzlich eingeladen.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 31.03.2022 | 12:00 Uhr

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