Die Ausstellung "Blackbox Heimerziehung" in Schwerin. © NDR

Schwerin: Ausstellung zu Heimerziehung in der DDR

Stand: 21.07.2023 07:01 Uhr

Mehr als 135.000 Kinder und Jugendliche waren zu DDR-Zeiten in Jugendwerkhöfen und Spezial-Kinderheimen untergebracht und oft Repressalien ausgesetzt. Die mobile Ausstellung “Blackbox Heimerziehung” in Schwerin beschäftigt sich mit diesem dunklen Kapitel DDR-Geschichte. 

In Schwerin wird noch bis zum 14. August 2023 die Geschichte der Heimerziehung in der DDR thematisiert. Die mobile Ausstellung “Blackbox Heimerziehung” kehrt an die historischen Orte ehemaliger Umerziehungseinrichtungen zurück. Im Mittelpunkt der Schau steht die Geschichte eines Kinderheims in Schwerin und eines Jugendwerkhofs in Rühn im heutigen Landkreis Rostock. Mit Zwang, harten Strafen und auch mit Gewalt sollte der Wille der Kinder und Jugendlichen in den Heimen gebrochen werden, heißt es von den Veranstaltern der Ausstellung.

Das erwartet die Besucher der Blackbox

Außen auf dem Container prangt eine Zeichnung: "Wenn du nicht brav bist, kommst du ins Heim". Der Container fällt auf, das soll er auch, so Christian Gaubert. Er arbeitet in der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau. Dort hat er die Wanderausstellung konzipiert: "Die Idee Blackbox ist von einem Betroffenen, der gesagt hat, das ist tatsächlich wie ein Flugzeugunglück. Das ist wie ein Flugschreiber, da kann man unsere Stimmen hören und man erfährt, was ist damals schief gelaufen." 

Wer die Blackbox betritt, blickt in viele junge Gesichter. Bilder von jungen Leuten, die in Spezialheime und Jugendwerkhöfe gebracht wurden, können umgedreht werden. Auf der Rückseite ist ihre Geschichte zu lesen. Und davon gehen einige unter die Haut: Zum Beispiel die von Steve B.. Er wurde 1971 geboren und kam 1988 in den Jugendwerkhof Torgau. Noch im selben Jahr hat sich Steve mit seinem Hemd am Fenster erhängt. 

19 Jugendwerkhöfe gab es in MV

In Jugendwerkhöfe kamen Kinder und Jugendliche aus vielen Gründen. Wenn sie auffällig waren, wenn sie Disziplinschwierigkeiten hatten, oft auch, wenn sie nur unbequem waren oder wenn sie aus schwierigen Elternhäusern kamen. Neunzehn Jugendwerkhöfe mit Außenstandorten gab es in den früheren Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg. Dazu sieben Spezialkinderheime. Ein Teil der Ausstellung beschäftigt sich damit, was den Kindern im ehemaligen Kinderheim in Schwerin-Zippendorf passiert ist sowie mit den Schicksalen im Jugendwerkhof Rühn.

Online-Angebot zur Ausstellung gewann Grimme-Online-Preis

Auf das Online-Angebot zu dieser Ausstellung ist Ausstellungsleiter Christian Gaubert besonders stolz: "Also es geht um Scrollytelling - also wie Storytelling. Sie können sich einfach durchklicken. Und mit jedem Klick kommen sie sozusagen eine Stufe weiter und lösen die nächste Animation, einen Film aus. Geraten immer tiefer ins Sujet. Und ehe sie sich versehen, sind sie vielleicht bei 40 Minuten in einem Thema drin, mit dem sie sich sonst gar nicht so lange beschäftigt hätten."

So kam die Ausstellung nach Schwerin

Die Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anne Drescher, hat dafür gesorgt, dass die Wanderausstellung nach Schwerin kommt. "Das ist auch Teil der DDR-Geschichte, dass Kinder diszipliniert wurden in solchen geschlossenen Einrichtungen. Und wir haben eben die Schilderungen von Betroffenen, die eben aus solchen geschlossenen Einrichtungen kommen und ihr Schicksal aufarbeiten möchten. Was es für große Verletzungen bei ihnen hervorgerufen hat. Sie sind in einer frühen Phase der frühkindlichen Entwicklung so massiv bedroht worden und beeinträchtigt worden in ihrer normalen Entwicklung. Das hat natürlich Folgen für das ganze weitere Leben."

Die “Blackbox Heimerziehung” steht in Schwerin am Südufer Pfaffenteich und kann noch bis zum 14. August immer von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 16 Uhr angesehen werden. Der Eintritt ist frei.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 19.07.2023 | 19:00 Uhr

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