Schildbürgerstreich? Parkplatz ohne WC für 2,6 Millionen Euro auf Rügen

Stand: 15.08.2024 06:35 Uhr

Ein asphaltiertes Ärgernis für Autofahrer auf Rügen: An der B96n, der Hauptverkehrsader der Tourismusinsel, entstand ein Parkplatz für 2,6 Millionen Euro - leider ohne Tische, Bänke oder Toiletten. Die Straßenbaubehörde des Landes prüft jetzt, ob nachgerüstet wird.

von Martina Rathke

Erste Pause auf der Insel Rügen: Wer Deutschlands größte Insel nach einer langen Fahrt erreicht, findet seit einem Monat an der B96n eine Möglichkeit zum Stopp, bevor es in die Ostseebäder geht. 2,6 Millionen Euro flossen in den Bau des Rastplatzes. Er wurde acht Jahre nach Fertigstellung der Straße eröffnet.

"Keine Toiletten, kein Tisch, keine Bank, gar nichts"

Doch die minimalistische Ausstattung sorgt für Unmut bei Autofahrern und in der Kommunalpolitik. Mathias Löttge, Chef der Kreistagsfraktion Bürger für Vorpommern-Rügen / Freie Wähler / Für Rügen, hält diesen Parkplatz für inakzeptabel. "Ich halte den Parkplatz für einen einzigen Schildbürgerstreich. Wir haben viel Asphalt. Es fehlt aber an der für einen Parkplatz üblichen Infrastruktur. Wir haben keine Toiletten hier. Wir haben auch nicht mal eine Möglichkeit, um sich ein bisschen auszuruhen. Kein Tisch, keine Bank, gar nichts. Also ein solcher Parkplatz auf der Insel Rügen für Fernfahrer, aber auch für Touristen ist für mich vollkommen unsensibel und absolut inakzeptabel."

Weitere Informationen
Die Seebrücke von Sellin, auf der Insel Rügen, gilt als die schönste des Landes. Ein "Traumschloss am Meer". Mit einer feinen Gastronomie und Festsälen für zahlreiche Veranstaltungen, vor allem Hochzeiten. Die geschützte Bucht mit flachem Wasser ist vor allem bei Familien sehr beliebt. © NDR

Wohnen im Tourismus-Hotspot: Rügen und Usedom fordern bezahlbare Mieten

Wegen der Nachfrage nach Ferienunterkünften erreichen die Mietpreise im Amt Mönchgut-Granitz das Niveau von Hamburg. mehr

Auch Lkw-Fahrer wenig überzeugt

Lkw-Fahrer sollen laut DEGES den Parkplatz nutzen können, um dort ihre gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten einzuhalten. Brummi-Fahrer Dirk Miethke, der nach viereinhalb Stunden seine vorgeschriebene Pause einlegt, fällt ein eindeutiges Urteil: "Dieser Rastplatz ist das Allerletzte", sagt er. "Es ist sehr schlecht hier. Keine Toiletten, kein Garnichts. Entweder musst du alles dabei haben oder gehst in die Büsche." Aber Büsche gibt es an diesem Parkplatz nicht. Das dringende Bedürfnis erledigen Autofahrer im Sichtschutz des Fahrzeugs oder im Graben.

Eine asphaltierte Fläche neben einer Bundesstraße auf Rügen. Zu sehen ist nur ein schmaler bebauter Streifen, daneben ausgetrocknete Gräser und liegengelassener Müll. © Screenshot
Der Parkplatz an der B96n auf Rügen in seiner schlichten Pracht.
ADAC: Regelkonform, aber benutzerunfreundlich

Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), die den Parkplatz mit Bundesmitteln errichten ließ, betont: Der Parkplatz und dessen Ausstattung seien entsprechend den verbindlichen Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses errichtet. Dem stimmt auch der ADAC zu. Nur an autobahnähnlichen Bundesstraßen müssten Rastanlagen standardmäßig mit einem WC-Gebäude ausgestattet werden. Die B96n auf Rügen sei nicht autobahnähnlich ausgebaut, eine Toilettenanlage deshalb nicht zwingend. "Es sollte allerdings gewährleistet sein, dass genügend WCs vorhanden sind. Bei dem Parkplatz auf Rügen ist eben dies nicht der Fall und so sind Autofahrer gezwungen, sich im Grünen zu erleichtern", so ein ADAC-Sprecher.

Landesbehörde prüft Nachrüstung, Kosten noch nicht bezifferbar

Da inzwischen die Verkehrsfreigabe des Parkplatzes und damit die Übergabe in die Zuständigkeit der Straßenbauverwaltung des Landes erfolgte, sieht sich die DEGES für Nachbesserungen nicht verantwortlich. Im zuständigen Landesamt für Straßenbau und Verkehr hält man sich bedeckt. "Derzeit wird geprüft, ob und in welcher Form auf der Parkanlage Toiletten errichtet werden können", so ein Behördensprecher. Die Kosten dafür seien noch nicht bezifferbar. 

Umfrage: 70 Prozent der Autofahrer nutzen Zwischenstopp für Toilettengang

Der Kommunalpolitiker Mathias Löttge fordert Nachbesserungen - und zwar zügig: ein paar Tische, Bänke und vor allem Toiletten, auch wenn es zu Beginn vielleicht nur Dixi-Toiletten sind, so sein Vorschlag. Dieser Parkplatz in seinem jetzigen Zustand passe nicht zu einer Tourismusinsel wie Rügen mit starkem Verkehrsaufkommen. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im vergangenen Jahr unter 2.000 Menschen ergab: Nach dem Tanken ist an einer Autobahnraststätte der Toilettenbesuch mit knapp 70 Prozent der häufigste Grund für einen Halt - weit vor dem Restaurantbesuch oder dem Kauf von Reiseproviant.

Weitere Informationen
Spaziergänger sind bei sonnigem Wetter am Strand von Heringsdorf auf der Insel Usedom unterwegs © Stefan Sauer/dpa

Tourismus in MV mit bedenklicher Zwischenbilanz

Es sind Sommerferien, aber das Wetter spielt nur bedingt mit und die Buchungslage in den Hotels fällt bescheiden aus. mehr

Die Rügenbrücke: schwungvolle Verbindung zwischen Hansestadt und Ostseeinsel seit 2007. © NDR/nonfictionplanet/Eddy Zimmermann

Zensus: Verluste vor allem in Tourismusregionen Rügen und Usedom

Von den finanziellen Folgen der aktuellen Zensus-Daten werden vor allem Gemeinden auf Rügen und Usedom betroffen sein. mehr

Das Rügen-Hotel im Jahr 1972 vom Meer aus fotografiert. Der Mehretagige, quadratische und größtenteils in weiß gehaltene Bau steht auf einem etwa zehn Meter hohen Hügel hinter einer Baumreihe, überragt diese aber deutlich. Im Vordergrund ist auf Höhe der Kaikante eine Art Lagerhalle zu sehen, daneben steht ein Turm. Am Kai vor der Halle hat ein Schiff festgemacht. © Harro Schack / Stadtarchiv Sassnitz Foto: Harro Schack

Zwischen Tradition und Moderne: "Rügen-Hotel" in Sassnitz wird saniert

Der Inhaber Hannes von Kroge investiert einen zweistelligen Millionenbetrag. Die Liste der Sanierungsarbeiten ist lang. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 15.08.2024 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Landkreis Vorpommern-Rügen

Straßenverkehr

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Ein Schild mit der Aufschrift "Queen Feindlichkeit stoppen" steht vor der Queer-Bar B 7 nach einem mutmaßlichen Brandanschlag. Nach einem mutmaßlichen Brandanschlag auf eine bei queeren Menschen beliebte Bar ermittelt die Kriminalpolizei wegen schwerer Brandstiftung © dpa Bildfunk Foto: Jens Büttner

Nach Brandanschlag auf queere Bar: 1.500 Rostocker zeigen Solidarität

Das "b sieben" wurde innerhalb kurzer Zeit zweimal angegriffen. Politiker und Vereine zeigen sich erschüttert. mehr

Die Applikation App WhatsApp ist auf dem Display eines Smartphones zu sehen. © picture alliance/dpa Foto: Silas Stein

Im Handy abonnieren: Die NDR MV Nachrichten bei Whatsapp

Im NDR MV Whatsapp-Kanal gibts die wichtigsten Themen für Mecklenburg-Vorpommern kompakt und schnell zusammengefasst. extern