Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, spricht in Moskau bei einem Treffen deutscher und russischer Parlamentarier. © dpa-Bildfunk Foto: Friedemann Kohler/dpa

Russland und Mecklenburg-Vorpommern: Chronologie der Landespolitik

Stand: 19.05.2022 10:57 Uhr

Die Politik von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) steht in starker Kritik. Sie sei russlandnah, manche behaupten gar, sie sei gelenkt von Putin selbst. Die Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft sind in Sachen Gas und Geld eng verwoben. Ein geopolitischer Überblick über die vergangenen Jahre:

Schon in den Jahren 2014 und 15 gibt es Kritik an der russlandfreundlichen Politik der damaligen Landesregierung. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) unterhält enge wirtschaftliche Beziehungen mit der russischen Politik und Wirtschaft. Im Winter 2013/2014 protestieren hunderttausende Ukrainer in der Hauptstadt Kiew gegen den damaligen prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch, weil seine Regierung das Partnerschaftsabkommen mit der EU kippt. Derweil sponsort Nord Stream in Mecklenburg-Vorpommern den Russlandtag, den Schweriner Volleyballverein SSC und das preisgekrönte Orchester "Baltic Sea Philharmonic".

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Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) spricht bei einer Gala in Stralsund. © dpa Foto: Stefan Sauer

NDR MV Podcast: "Akte Nord Stream 2 - Gas, Geld, Geheimnisse"

Wie viel Einfluss übte Russland auf die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern aus? Der Podcast öffnet die Akte Nord Stream 2. mehr

Podcast Akte Nord Stream 2 - Eine Pipeline unter Wasser © iStock Foto: golero

Akte Nord Stream 2 - Gas, Geld, Geheimnisse

Wie viel Einfluss übte Russland auf die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern aus? In diesem Podcast öffnen wir die Akte Nord Stream 2. mehr

Wie ist die Ausgangslage?

März 2014: Russland hält ein international nicht anerkanntes Referendum auf der Krim ab und gliedert sie als Landesteil ein. USA und EU verhängen Sanktionen gegen Moskau.

April 2014: In der ostukrainischen Region Donbass rufen die von Moskau unterstützten Separatisten die "Volksrepublik Donezk" aus. Das westliche Verteidigungsbündnis Nato setzt seine militärische Zusammenarbeit mit Russland wegen der Krim-Krise aus.

Erwin Sellering geht auf Wirtschaftsreise nach St. Petersburg. Er erhält dafür Rückendeckung vom damaligen Koalitionspartner CDU. Innenminister und CDU-Landeschef Lorenz Caffier ist sich ausnahmsweise einig mit der Linken: "Wir müssen im Gespräch bleiben", sagte Caffier im Gespräch mit dem NDR. Mit Blick auf die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland und dessen umstrittener Rolle in der Ukraine-Krise sagte Caffier, man müsse "das eine vom anderen trennen". Ansonsten hätte das Land in der vergangenen Woche sich auch nicht für den russischen Investor Jussofow als neuen Eigner der Stralsunder Volkswerft entscheiden dürfen, so Caffier.

Sellering ist auch bei einem Wirtschaftsempfang der Ostsee-Pipeline-Firma Nord Stream dabei - sie gibt einen Empfang zu Ehren von Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Schröder ist Chef des Aktionärsausschusses von Nord Stream. Sellering hat ihn erst vor wenigen Wochen am Rande eines Volleyball-Spiels des Schweriner SC in der Landeshauptstadt getroffen. Haupteigner von Nord Stream ist der russische Energiekonzern Gazprom.

Die Linke im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern begrüßt die Reise von Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) nach St. Petersburg. Sie sei richtig und sinnvoll. "Die wirtschaftlichen, aber auch kulturellen Beziehungen Mecklenburg-Vorpommerns zu Russland seien nicht zu unterschätzen", erklärte der friedenspolitische Sprecher der Partei, Peter Ritter. 

Sellering betont, der Gesprächsfaden dürfe nicht abreißen. Funktionierende Handelskontakte und langfristige Verträge mit russischen Partnern dürften wegen aktueller politischer Debatten nicht voreilig abgebrochen werden. Die Reisen sind mit dem deutschen Außenministerium abgestimmt.

Juni 2014: In der Ostukraine schießen Rebellen ein Militärflugzeug beim nächtlichen Landemanöver auf den Flughafen von Luhansk ab. Alle 49 Soldaten an Bord kommen ums Leben.

Juli 2014: Über den Separatistengebieten wird ein Passagierflugzeug der Linie Malaysia-Airlines mutmaßlich mit einer russischen Rakete abgeschossen. Alle 298 Menschen an Bord Malaysia-Airlines-Flug 17, kurz MH17, sterben. Der Westen verschärft seine Sanktionen gegen Russland.

Oktober 2014: Das ukrainische Parlament erteilt den Regionen Donezk und Luhansk als Teil des Friedensplans für die Ostukraine einen Sonderstatus. Ihre Selbstverwaltungsrechte sollen gestärkt werden.

Wie reagiert Mecklenburg-Vorpommern auf die Konflikte in der Ukraine 2014 wirtschaftlich und politisch?

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (r.) und der Gouverneur der Leningrader Gebietsverwaltung, Alexander Drosdenko © dpa-Bildfunk Foto: Jens Büttner
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (r.) und der Gouverneur der Leningrader Gebietsverwaltung, Alexander Drosdenko

Der erste Russlandtag in Mecklenburg-Vorpommern findet statt. Zu Gast ist Gerhard Schröder. Er versichert, dass nur durch einen Dialog Vertrauen entstehen könne, das derzeit fehle. Solche Treffen könnten zu einem neuen Brückenschlag zwischen Deutschland und Russland führen. Die Landesparteien sind weitestgehend einig, nur die Grüne ist kritisch: Landtagsabgeordneter Johann-Georg Jaeger: "Uns macht große Sorgen, was in Russland und der Ukraine läuft. Wir wollen ein Zeichen setzen. Wir wollen auch die Zusammenarbeit mit Russland, aber im Moment ist es das falsche Signal, den Russlandtag aufrechtzuerhalten. Jetzt ist die Zeit eines klaren Wortes gegen Russland. Die Annexion der Krim geht nicht."

November 2014: Die ostukrainischen Separatisten lassen erstmals eigene Parlamente wählen. Kiew verurteilt das als verfassungswidrig.

Dezember 2014: Der Ausbau der Ostsee-Pipeline rückt nach dem Stopp der Süd-Trasse wieder in den Fokus. Geplant ist, die Verbindung im Norden zwischen Russland und Europa um zwei Leitungen zu erweitern. Bislang gibt es auf dem Grund der Ostsee zwei separate Röhren. Sie transportieren russisches Erdgas bis nach Lubmin.

Februar 2015: Das Minsker Abkommen sieht eine Autonomie für die Separatistengebiete vor sowie die Kontrolle der Ukraine über ihre Grenze mit Russland.

Mecklenburg-Vorpommern setzt ungeachtet der aktuellen Sanktionen im Zuge der Ukraine-Krise weiterhin auf enge Handelsbeziehungen zu Russland. Wie das Wirtschaftsministerium mitteilte, plant Verkehrsminister Christian Pegel (SPD) Mitte April 2015 einen Besuch der Logistikmesse TransRussia in Moskau. Der Minister wolle für den Logistik- und Wirtschaftsstandort Mecklenburg-Vorpommern werben. Insbesondere soll es dabei um die Fährlinie zwischen Sassnitz-Mukran und Ust-Luga bei Sankt Petersburg gehen.

Die Nordic-Werften unter dem russischen Eigner Yussowow planen eine Erweiterung ihres Geschäftsmodells: Die Gruppe will sich um öffentliche Aufträge im zivilen und Marinebereich bewerben. Bislang hatte das Unternehmen vor allem auf den Bau von russischen Fischereischiffen und Offshore-Projekten gesetzt.

Juni 2015: Der russische Energiekonzern Gazprom und europäische Partner wollen die Ostsee-Pipeline ausbauen. So soll die Ukraine als bisher wichtigstes Gas-Transitland ausgeschaltet werden.

September 2015: Der Sicherheitsrat der Ukraine erklärt den Nachbarn Russland in einer Militärdoktrin offiziell zum Gegner.

Mai 2016: Zweiter Russlandtag in MV: Sellering fordert das Ende der internationalen Sanktionen gegen Russland.

Oktober 2016: Die ersten Rohre für Nordstream 2 kommen in Sassnitz auf der Insel Rügen an. Dort sollen sie in einem Spezialwerk mit Beton ummantelt und für die Verlegung in der Ostsee vorbereitet werden. Auf dem Gelände in Sassnitz-Mukran will die malaysische Wasco Coatings Europe BV insgesamt rund 90.000 Stahlrohre mit Beton ummanteln und lagern. Dies könnte dort rund 150 zeitlich befristete Zusatz-Arbeitsplätze bringen. Das Projekt ist weiterhin sehr umstritten.

Juli 2017: Die prorussischen Separatisten in Luhansk und Donezk rufen einseitig ihren neuen Staat "Kleinrussland" aus.

Schwesig übernimmt: Kommt 2017 mit dem Macht- auch ein Politikwechsel in MV?

Manuela Schwesig löst Erwin Sellering krankheitsbedingt als Ministerpräsidentin ab.

September 2017: Das Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU tritt in Kraft. Darin bindet sich die Ukraine an die europäische Gemeinschaft und deren Werte, ohne ein vollwertiges Mitglied zu sein.

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig besucht mit einer 100-köpfigen Delegation die Schiffbaumesse Neva in St. Petersburg. Mecklenburg-Vorpommern ist als einziges Bundesland auf der international renommierten Messe vertreten.

Januar 2018: Kiew stuft die abtrünnigen Gebiete im Osten als von Russland besetzt ein.

März 2018: Nachdem Nord Stream 1 bereits seit 2011 Gas von Russland durch die Ostsee bis nach Deutschland transportiert, beginnen die Arbeiten an der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2. Die USA wollen die Gas-Pipeline "Nord Stream 2" zwischen Deutschland und Russland verhindern, drohen mit Sanktionen. Kritiker sagen, sie wollen ihr eigenes Gas verkaufen.

September 2018: Sellering gründet Russlandverein.

Vor Beginn des 3. Russlandtages sitzen Aleksander Jurjewitsch Drosdenko (l-r), Gouverneur des Leningrader Gebietes, Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, und Vasily Sergeevich Osmakov, stellvertretender Minister für Industrie und Handel der Russischen Föderation, in der ersten Reihe. © dpa Foto: Bernd Wüstneck
Vor Beginn des 3. Russlandtages sitzen Aleksander Jurjewitsch Drosdenko (l-r), Gouverneur des Leningrader Gebietes, Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, und Vasily Sergeevich Osmakov, stellvertretender Minister für Industrie und Handel der Russischen Föderation, in der ersten Reihe.

Oktober 2018: Der dritte Russlandtag findet statt. Die Landesregierung setzt auf Dialog statt auf Konfrontation. Der russische Handelsminister kommt nicht, zudem gibt es Kritik aus der deutschen und internationalen Politik.

November 2018: Die russische Küstenwache setzt drei ukrainische Marineschiffe mit 24 Matrosen an Bord fest. Kiew verhängt zeitweise Kriegsrecht. In den Separatistengebieten abgehaltene Wahlen werden international nicht anerkannt.

Juni 2019: Erste russische Pässe werden an Ukrainer in den von Separatisten kontrollierten Teilen der Donbass-Region ausgegeben.

Schwesig reist nach Russland: Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin geht davon aus, dass die umstrittene Ostseepipeline Nord Stream 2 fertig gebaut wird. Das sagt sie beim Wirtschaftsforum in St. Petersburg.

Wie positionieren sich die Bundesregierung und andere Länder in Sachen Nord Stream 2?

November 2019: Bundestag billigt die Pipeline Nord Stream 2. Die Abgeordneten stimmten für die Umsetzung einer EU-Gasrichtlinie in nationales Recht. Diese Richtlinie sieht vor, dass künftig EU-Energieregeln auch für die Pipelines gelten, die aus Drittstaaten in die Europäische Union führen. Demnach dürfen die Produktion von Erdgas und der Betrieb der Leitung nicht in einer Hand liegen - anders als bisher bei Nord Stream 2 vorgesehen. EU-Staaten und auch die USA monieren, dass die Leitung die energiepolitische Abhängigkeit Europas von Russland verstärkt.

Dezember 2019: Die rot-schwarze Regierungskoalition in Schwerin streitet über den Kurs in der Wirtschaftspolitik. Die Union beklagt eine einseitige Ausrichtung auf Russland. Russland stehe nur auf Platz 6 in der Außenhandelsbilanz Mecklenburg-Vorpommerns, so die CDU. Die Ostsee-Nachbarn Polen, Schweden, Dänemark und Finnland seien wirtschaftlich wichtiger. Diese Partnerschaft müsse ausgebaut werden, auch weil die Kooperation mit diesen Ländern von "Zuverlässigkeit, Rechtssicherheit und gemeinsamen Werten und Interessen geprägt" sei.

US-Präsident Donald Trump setzt weitere Sanktionen gegen Russland in Gang. Sie zielen auf die Betreiberfirmen spezialisierter Schiffe ab, mit denen die Rohre durch die Ostsee verlegt werden. Ziel ist es, die Fertigstellung noch zu verhindern. Im Streit um die Nord Stream 2 sehen die USA ihr Vorgehen im Einklang mit europäischen Interessen. Sie warnen vor einer zu großen Abhängigkeit von russischem Gas. Mehrere EU-Staaten und die Ukraine sind gegen die Pipeline. Die USA wiederum stehen in der Kritik, sie wollten ihr eigenes, teuer produziertes Flüssiggas in Europa verkaufen.

Russland will die Erdgas-Leitung Nord Stream 2 durch die Ostsee aus eigenen Kräften fertigstellen. Der Energiekonzern Gazprom schickt ein Spezialschiff zur Verlegung von Unterwasser-Pipelines. Die "Akademik Tscherski" braucht Wochen, um vom Liegeplatz im äußersten Osten Russlands die Baustelle in der Ostsee zu erreichen. Von der Pipeline zwischen Russland und Deutschland fehlen dem Bau-Konsortium zufolge noch 160 Kilometer.

Durch den Stopp der Bauarbeiten infolge von US-Sanktionen verzögert sich nach Angaben des russischen Energieministers Alexander Nowak die Fertigstellung von Nord Stream 2 auf Ende 2020. Ursprünglich sollte sogar schon Ende 2019 Erdgas durch die im vorpommerschen Lubmin anlandende Leitung strömen.

Januar 2020: Der russische Präsident Wladimir Putin spricht bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von einer Fertigstellung erst im Jahr 2021. Merkel sagte, die Bundesregierung halte die "exterritorialen Sanktionen für nicht richtig" und unterstütze das Projekt deshalb auch weiterhin. Putin sagte, dass für die Beendigung des Projektes keine ausländischen Partner nötig seien. Er schätze die Haltung und Unterstützung der Bundesregierung zu dem Energieprojekt.

Matthias Warnig, Geschäftsführer der Nord Stream 2 AG, kommt zu einem Gespräch mit der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Schwesig, in die Staatskanzlei in Schwerin. © dpa-Bildfunk Foto: Jens Büttner
Matthias Warnig gilt als enger Vertrauter Putins und ist ehemaliger Stasi-Spitzel.

August 2020: Das Land Mecklenburg-Vorpommern will den Fertigbau der Erdgaspipeline Nord Stream 2 weiter unterstützen. Die Lage sei nach weiteren Sanktionsdrohungen der USA aber ernst, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) nach einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Nord Stream 2 AG, Matthias Warnig. Die USA hätten bereits mit zwei Gesetzen den Bau der Pipeline massiv erschwert und ein drittes sei im wahrsten Sinne des Wortes in der Pipeline.

Niemand hats gewusst? Wie transparent war der Zweck der umstrittenen Stiftung?

September 2020: Schwesig diniert gemeinsam mit dem russischen Gaslobbyisten, Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem Nord Stream 2-Manager Matthias Warnig in Heringsdorf auf Usedom. Schon einen Monat zuvor traf sie sich gemeinsam mit dem Chef der Staatskanzlei, Heiko Geue (SPD) mit den Nord Stream 2-Leuten, mit dabei der ehemalige Stasi-Offizier Warnig. Es ging um den "Planungsstand Nord Stream 2, die US-Sanktionen und etwaige Auswirkungen auf die Fährhafen Sassnitz GmbH". Diese Themen geben den Anlass für die Gründung der Stiftung.

Januar 2021: Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern stimmt mit breiter Mehrheit für die Gründung einer landeseigenen Stiftung zum Weiterbau von Nord Stream 2. Neben den Regierungsfraktionen SPD und CDU stimmt auch die Linke in einer Sondersitzung des Landtages dafür. Die AfD-Fraktion enthält sich größtenteils. Die Stiftung mit dem offiziellen Titel "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" wird vom Land mit einem Kapital von 200.000 Euro ausgestattet. Die Nord Stream AG hat den Angaben der Landesregierung zufolge zunächst 20 Millionen Euro für die Arbeit der Stiftung zugesichert. Langfristig sollen 60 Millionen Euro investiert werden.

Ganz offen heißt es, Nord-Stream-Zulieferer könnten so ihre Produkte an die Stiftung verkaufen und würden vor den Sanktionen geschützt: "Ob diese Möglichkeit gebraucht und genutzt wird, hängt davon ab, ob die USA weiter auf Sanktionen gegen deutsche und europäische Firmen setzen", erklärte Regierungschefin Manuela Schwesig (SPD) in der Debatte.

Februar 2021: Die neu gegründete landeseigene Stiftung Klima- und Umweltschutz MV gerät in die Kritik. Wegen einer Verquickung mit dem Verein Deutsch-Russische Partnerschaft beklagt der Bund der Steuerzahler mangelnde Transparenz: Beide teilen sich vorerst Büroräume und Briefkasten, beide werden geleitet von Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD).

April 2021: Moskau zieht Truppen im Grenzgebiet zur Ostukraine zusammen und droht mit einem militärischen Eingreifen. Die Militärdoktrin Russlands lässt eine Intervention zum Schutz seiner Staatsbürger im Ausland zu.

War da nicht auch was mit Klimaschutz?

Mai 2021: Der Vorsitzende der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV, Erwin Sellering, hat das Engagement der Organisation für den Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, als Beitrag zum Klimaschutz verteidigt. Die Rohrleitung durch die Ostsee sei notwendig, um preiswertes Erdgas nach Deutschland zu leiten. Erdgas sei weiterhin als "Brückentechnologie" notwendig, bis ausreichend Energie aus klimaschonenden Quellen zur Verfügung steht, so Sellering.

Mai 2021: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt gegen die vom Ostseepipeline-Betreiber Nord Stream finanzierte "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Der Umweltschutz diene lediglich als Vorwand, so die DUH. Es handle sich um eine "Fake-Stiftung".

Tatsächlicher Hauptzweck der Stiftung sei es offensichtlich, über einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb den Weiterbau der Pipeline Nord Stream 2 zu ermöglichen, teilte die Umwelthilfe. Dies verstoße gegen das Stiftungsrecht. Mit der Klage beim Verwaltungsgericht Schwerin soll erreicht werden, dass der Anerkennungsbescheid der Stiftung aufgehoben wird. Das Gericht bestätigte des Eingang der Klage. Wann und wie die Richter entscheiden, ist nicht absehbar.

Juni 2021: Vierter Russlandtag: Das umstrittene deutsch-russische Wirtschaftstreffen läuft in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie weitgehend digital ab. Russland gehört weiterhin nicht zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern Mecklenburg-Vorpommerns. Tatsächlich belegte Russland im vergangenen Jahr lediglich Platz 15 der Außenhandelspartner. Zum Vergleich: Das Handelsvolumen mit den Niederlanden betrug rund 1,5 Milliarden Euro. Das war Platz eins, danach folgten Polen und Dänemark auf den Plätzen zwei und drei. Dennoch war dem 4. Russlandtag der Landesregierung überregionale Aufmerksamkeit und kritische Begleitung sicher. Ministerpräsidentin Schwesig verteidigte das Treffen in ihrer Eröffnungsrede und vermied klare Kritik an Russland.

Juli 2021: Putin schreibt in einem Aufsatz, Russen und Ukrainer seien ein Volk. Das wird als Anspruch auf den Anrainer gelesen.

Juli 2021: Die Umwelthilfe scheitert mit Klage gegen Klimastiftung.

Die Stiftung Klima- und Umweltschutz MV mit Sitz in der Schweriner Lindenstraße wird als "Ship manager" und "owner" der "Blue Ship" registriert (Quelle: RedaktionsNetzwerk Deutschland). Nach Auskunft der Nachrichtenagentur Bloomberg erteilte die dänische Seeschifffahrtsbehörde "Blue Ship" die Genehmigung zu Steinverlegearbeiten entlang der Route der Ostseepipeline Nord Stream 2 in dänischen Gewässern.

Die Pipeline ist fertig, warum fließt kein Gas?

September 2021: Das milliardenschwere russische Prestigeprojekt Nord Stream 2 ist fertiggestellt. Die Pipeline soll künftig 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach Deutschland liefern.

November 2021: Erneut konzentrieren sich ungewöhnlich große Truppenkontingente und moderne Waffen im russischen Grenzgebiet zur Ukraine. Der Westen spricht später von bis zu 150.000 Soldaten.

Die Bundesnetzagentur setzt ihr Verfahren zur Freigabe der Pipeline vorläufig aus.

Dezember 2021: Die Ukraine wirft Deutschland eine Blockade bei Waffenlieferungen vor, Berlin bleibt bei seinem Nein. Russland fordert von der Nato erneut: Die Ukraine dürfe kein Mitglied werden.

Dezember 2021: Laut Außenministerin Baerbock sind die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Ostsee-Pipeline derzeit nicht erfüllt. Baerbock sagte im ZDF, "dass nach jetzigem Stand diese Pipeline so nicht genehmigt werden kann, weil sie eben die Vorgaben des europäischen Energierechts nicht erfüllt und die Sicherheitsfragen ohnehin noch im Raum stehen". Zudem habe die USA bereits mit der vorigen Bundesregierung besprochen, dass, so Baerbock, "bei weiteren Eskalationen diese Pipeline so nicht weiter ans Netz gehen könnte." Damit nahm die Außenministerin Bezug auf die angespannte Lage zwischen Russland und der Ukraine.

Januar 2022: Diplomatische Versuche auf verschiedenen Ebenen - wie etwa über bilaterale US-Russland-Gespräche, den Nato-Russland-Rat oder ein Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) – bringen weiterhin keine Lösung.

Die russischen Aggressionen nehmen zu - wie verhält sich die Landesregierung mit Blick auf Nord Stream?

Schwesig hält weiterhin an Nord Stream 2 fest: Im Gegensatz zur Bundesregierung hält Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ohne Abstriche an der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 fest. So hoffe sie weiterhin auf ein schnelles Verfahren zur Inbetriebnahme der Leitung, sagte Schwesig in einer Video-Botschaft an den Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft.

Tochterunternehmen für Nord Stream 2 in Schwerin gegründet: Das für die Zertifizierung der Ostseepipeline Nord Stream 2 notwendige Tochterunternehmen ist gegründet worden. Die Gastransportgesellschaft "Gas for Europe GmbH" habe ihren Sitz in Schwerin, teilte das Unternehmen mit.

Die Bundesnetzagentur hatte im November das Zertifizierungsverfahren ausgesetzt und eine entsprechende Auflage erteilt. Hintergrund des Verfahrens ist die EU-Gasrichtlinie, die eine Trennung von Betrieb der Leitung und Vertrieb des Gases vorschreibt. Einziger Anteilseigner der Nord Stream 2 AG ist formal der russische Gaskonzern Gazprom. Die Nord Stream 2 AG mit Sitz im schweizerischen Zug hatte bei der Bundesnetzagentur die Zertifizierung als unabhängige Betreiberin beantragt.

10. Februar:Rostocks Ex-Oberbürgermeister Methling soll russischer Honorar-Konsulwerden.

Was macht ein Honorarkonsul?

Das Amt eines Honorarkonsuls ist ein Kooperationsprojekt zwischen der Zivilgesellschaft und dem Staat, bei dem geachtete Persönlichkeiten der Wirtschaft oder Kultur ihre fachliche und gesellschaftliche Erfahrung in den Dienst des Staates stellen.
Honorarkonsuln sind ehrenamtlich tätig. Neben den traditionellen konsularischen Kernaufgaben der Personalfürsorge für die Angehörigen des Entsendestaates unterstützen Honorarkonsuln staatenübergreifend insbesondere die wirtschaftliche Beratung von Industrie und Handel.
Außerdem kümmern sie sich etwa um Tourismusförderung, Stipendien, Gesundheitspflege, Umweltfragen, aber auch um die kulturelle und entwicklungspolitische Beratung und Förderung.
Russische Honorarkonsuln in Deutschland gibt es in Düsseldorf, Nürnberg, Stuttgart und Hannover.

Quellen: Konsular Korps Deutschland, Russische Botschaft Deutschland

15. Februar: Bundeskanzler Olaf Scholz droht während seines Treffens mit Putin in Moskau erneut mit weitreichenden Konsequenzen bei einem militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das russische Parlament (Staatsduma) fordert Putin derweil auf, die ukrainischen Separatistengebiete als eigenständige "Volksrepubliken" anzuerkennen.

16. Februar: Die Nato-Verteidigungsminister billigen Vorbereitungen für eine Entsendung weiterer Kampftruppen ins östliche Bündnisgebiet. Neben den bisherigen Verbänden in Estland, Litauen, Lettland und Polen könnten sie etwa in Ost- und Südosteuropa stationiert werden.

19. Februar: Die Bundesregierung ruft alle Deutschen "dringend" dazu auf, die Ukraine zu verlassen. Auch andere Staaten tun das.

21. Februar: Putin erkennt die selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten an, tags darauf stimmt auch die Staatsduma zu. Zudem sollen russische Soldaten in die ostukrainischen Separatistengebiete entsandt werden.

22. Februar: USA und EU sowie Verbündete verhängen Strafmaßnahmen gegen Russland. So legt Berlin die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 für unbestimmte Zeit auf Eis. Die Sanktionen zielen etwa auf Banken, Geschäftsleute und Entscheidungsträger, die die Politik Putins mittragen. Der Präsident selbst steht nicht auf der Liste.

22. Februar: Nachdem die Bundesregierung als Reaktion auf den Konflikt in der Ukraine die Genehmigung der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 gestoppt hat, soll auch dieKlimastiftung Mecklenburg-Vorpommerns ihre Arbeit vorerst einstellen. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Simone Oldenburg (Linke), sagte. die Stiftung werde gebeten, sämtliche Projekte ruhen zu lassen. Die umstrittene Fertigstellung der Erdgas-Pipeline war von der Stiftung unterstützt worden, um so angedrohte Sanktionen der USA zu umgehen. Die Nord-Stream-Gruppe hatte der Stiftung 20 Millionen Euro an Stiftungsgeldern zugesagt.

23. Februar: Der ukrainische Sicherheitsrat kündigt die Ausrufung des Ausnahmezustands für das gesamte Land für 30 Tage an.

23. Februar: DieStiftung Klima- und Umweltschutz MV will die umstrittene Erdgaspipeline Nord Stream 2 nicht längerunterstützen. Das sagte der Stiftungsvorsitzende und ehemalige Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD). Derweil fordern Umweltorganisationen weitere Aufklärung über die Netzwerke hinter der Stiftung.

Putin erklärt der Ukraine den Krieg.

25. Februar: Die CDU-Landtagsfraktion bekommt für ihren Vorschlag, mit Geld aus der umstrittenen Klimaschutz-Stiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern der Ukraine zu helfen, Beifall der anderen Fraktionen. Unterstützung kommt auch aus der Chef-Etage der Stiftung selbst: Werner Kuhn ist nicht nur Vize-Chef der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV. Der langjährige CDU-Bundestags- und Europaabgeordnete ist im Ehrenamt auch Präsident des Deutschen Roten Kreuzes im Land. Der 66-Jährige sorgt sich um die Lage der Menschen in der Ukraine - auch Mecklenburg-Vorpommern müsse humanitäre Hilfe leisten, sich auf Kriegsflüchtlinge vorbereiten, sagt Kuhn. Das Geld der Stiftung könne da helfen: "Die sollte alles prüfen, was die Satzung hergibt, um hier humanitäre Hilfe zu leisten. Die Stiftungsgeber - Landtag und Landesregierung - können die Satzung so modifizieren, dass wir hier aus den Mitteln, die wir zur Verfügung gestellt bekommen haben, Hilfe leisten."

28. Februar: Fünf Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hat MV-Ministerpräsidentin Schwesig eine Abkehr von Russland angekündigt. Die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns lässt jetzt alle Aktivitäten des Landes gegenüber Russland einstellen. Die Klimaschutzstiftung des Landes soll nun doch aufgelöst werden. Es soll geprüft werden, ob das von der Nord Stream AG bezahlte 20 Millionen Euro schwere Stiftungskapital für humanitäre Hilfe in der Ukraine gegeben werden kann.

22. März: Mecklenburg-Vorpommerns ehemaliger Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) will einer möglichen Auflösung der Klimaschutzstiftung nicht im Wege stehen. Bedingung dafür sei, dass alle rechtlichen Bedenken gelöst würden. Sellering räumte Fehler bei der Einschätzung Putins ein.

30. März: Schwesig räumt Fehler ein. Auf der ersten Pressekonferenz nach ihrer sechswöchigen krankheitsbedingten Pause hat Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) erstmals eingeräumt, in ihrer Russland-Politik Fehler gemacht zu haben. Sowohl die Unterstützung des Baus der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 als auch die Einrichtung der landeseigenen Klimaschutzstiftung MV seien aus heutiger Sicht falsch gewesen, sagte Schwesig. Was damals richtig erschien, habe sich inzwischen als falsch erwiesen, so die SPD-Politikerin. "Und auch ich habe diesen Fehler gemacht", machte sie auf Nachfrage deutlich.

8. April: Die Grünen im Landtag scheitern mit ihrer Forderung, die Klimastiftung sofort aufzulösen.

Die Klimastiftung muss Fragen der Medien grundsätzlich beantworten. Laut einer Entscheidung des Landgerichts Schwerin ist es Zweck der Klimastiftung, öffentliche Aufgaben wahrzunehmen, wobei sie öffentliche Gelder verwendet und ein beherrschender Einfluss der Landesregierung besteht. Demnach ist die Stiftung laut Landespressgesetz genauso wie Ministerien und Behörden auskunftspflichtig und muss nun Fragen zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und den Arbeiten an Nord Stream 2 offenlegen. Geklagt hatte die Transparenz-Plattform "Frag den Staat".

17. April: Politiker der Grünen fordern eine Aufarbeitung der Rolle von Manuela Schwesig (SPD) im Zusammenhang mit der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2. Die Angelegenheit sei "mehr als problematisch" und müsse dringend aufgeklärt werden, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter. Die Zeit des "Vertuschens" sei vorbei. "2014 hat Putin die Ukraine das erste Mal überfallen und 2015 sind dann die Verträge zu Nord Stream 2 unterschrieben worden. Und als es Sanktionen gab, war sich die Landesregierung nicht zu schade, eine sogenannte Umwelt- und Klimastiftung zu errichten, um die Sanktionen zu umgehen."

20. April: Schwesig wollte eine Art Schlussstrich unter die Partnerschaft mit der russischen Seite ziehen. Das kündigte sie am 28. Februar via Twitter an.

Trotz dieser eindeutigen Aufforderung bewilligt das Finanzministerium jetzt die letzte Tranche der "Anschubfinanzierung": Insgesamt soll es 600.000 Euro für Sellerings Russland-Verein geben. Die Gelder stammen aus dem sogenannten "Strategiefonds", mit dem Projekte aus Haushaltsüberschüssen finanziert werden.

Und wie geht es jetzt weiter?

Am 18. Mai 2022 stimmte der Landtag mit den Stimmen der vier Oppositionsparteien und unter Enthaltung der SPD-Fraktion für die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Dieser soll klären, wie sich die Klimastiftung für den Bau von Nord Stream 2 eingesetzt hat und welche Rolle die Ministerpräsidentin spielte. Außerdem soll aufgedeckt werden, welches Geld wann wohin floss. Derweil sieht Schwesig keinen Grund für einen Rücktritt.

Weitere Informationen
Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern © dpa-Bildfunk Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Umstrittene Klimastiftung: Landtag setzt Untersuchungs-Ausschuss ein

Die Opposition will die Hintergründe der Stiftung aufklären - dabei geht es auch um den russischen Einfluss. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 25.04.2022 | 12:00 Uhr

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